Neuer Konzertraum im Rupertiwinkel:Kolibris überm Kuhstall

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Die Überraschung des Abends: Der Gastgeber Andreas Hofmeir kann dirigieren. Der Tubaspieler, auf der Bühne gerne barfuß, leitet draufgängerisch sein neues Ensemble "Brassing". (Foto: Klaus Mühlthaler)

Der Tuba-Kabarettist Andreas Hofmeir und die Organistin Barbara Schmelz haben mithilfe der Assinger Nachbarn eine Tenne als Kulturort hergerichtet. Über die Eröffnungsgala freuten sich 500 Gäste, prominente Künstler und Kinder in Not.

Von Rudolf Neumaier, Taching

Danke an den Moiern z'Haunerding! Der Moier-Bauer hat den Parkplatz zur Verfügung gestellt, seine Wiese, bestes Grünland, wie es in den sanften Hügeln des Rupertiwinkels noch deutlich vor Äckern dominiert. Nächstes Mal ist dann der Blandoia (Planthaler) mit seiner Wiese dran. Jeder Bauer hier stiftet einmal Parkplatz pro Jahr, damit es was wird mit dem Kulturellen in Assing. Weil auf dem Griassn-Hof sind Künstler eingezogen, ein Musik-Professor vom Salzburger Mozarteum und eine Organistin. Welch ein Glück für das Verhältnis von Stadt und Land! Aber, war da überhaupt was?

Auf dem ehemaligen Heuboden des Anwesens Assing 7 ist ein Konzertsaal entstanden, der sich sehen lassen kann. Fassungsvermögen: 480 Leute, wenn auch nur fünf Mal im Jahr - der Brandschutz lässt nicht mehr zu. Der Tubist, Kabarettist und Autor Andreas Martin Hofmeir und die Orgel-Künstlerin Barbara Schmelz haben den jahrhundertealten Griass bei Taching im oberbayerischen Landkreis Traunstein vor fünf Jahren übernommen und hergerichtet. Vom Heuboden, einer Hochtenne mit einer Größe von schätzungsweise vier Tennisplätzen, machten sie ein Viertel zu Privatraum.

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Die anderen drei Viertel der Tenne über den früheren Ross-, Sau- und Rinderställen boten sie den Einheimischen aus der Gegend um Taching an: Wenn ihr Kultur machen wollt, bittesehr, dann richtet es her und wir machen gemeinsam Kultur. Es fanden sich gut ein Dutzend Rupertiwinkler zusammen. Die einen bohrten, die anderen verlegten Kabel, die einen bauten eine Homepage, die anderen eine Bühne. Die Bodenlöcher, durch die das Stallpersonal früher das Heu hinunter in den Stall geschmissen hatte, betonierten sie zu. Und schließlich machten sie ihr Wirken beim Registergericht amtlich, als Kulturverein Assing7 e.V. Untertitel: "Feinste Kunst für Kinder in Not".

480 Gäste passen in die ehemalige Tenne. Zur Eröffnungsspendengala standen noch viel mehr Interessanten auf der Warteliste. (Foto: Klaus Mühlthaler)

Seine Premiere als Kulturraum hatte dieser Vereins-Heuboden am letzten Oktober-Sonntag. Ein gewagter Termin, es hätte bitter kalt werden können, und zwischen Heuboden-Brettern zieht es naturgemäß wie Hechtsuppe. Aber wenn sich viele Menschen in einem Heuboden aufhalten, sich dort an Musik und Kleinkunst erfreuen und mit heftigem Klatschen danken, hat es den Effekt, den man von Kuhställen kennt: Wärme. Es war eine wahre Litanei an Gewerken und Menschen, die das Ehepaar Schmelz-Hofmeir dankend vortrug. Stellvertretend seien die Schreinerei Baldauf aus Taching sowie Irmi und Gerti Schwoshuber genannt, die den Künstlern des Eröffnungsabends eine Brotzeit bereiteten.

Danach entstand vor dem Assinger Saal eine magische Atmosphäre: Das Publikum plauderte beschwingt wie in einer lauen Sommernacht, man fühlte sich aber gleichzeitig wie mitten im Advent. Andreas Martin Hofmeir, der Conférencier des Abends, hatte mit seinem Bläser-Ensemble Brassing - eine wortspielerische Verschleifung des Ortsnamens mit der englischen Bezeichnung für Blechblasmusik - die richtige Mischfestivalmusik gefunden, um genau diese Mischstimmung zu erzeugen. Die Band trommelte er nur für diesen einen Auftritt aus bekannten Profis und Halbprofis zusammen. Für den Hornisten kam das Engagement so unvermittelt, dass er kein bühnenkompatibles Schuhwerk dabeihatte. Schuhgröße 39 - da konnte die Hausherrin aushelfen. Mittags fand sich die Pop-up-Band zur Probe ein, abends spielte sie, als ob sie schon zehn Jahre zusammen wäre.

Nicht Markus Söder hielt die Eröffnungsrede, sondern dessen Double Wolfgang Krebs. (Foto: Klaus Mühlthaler)

Womit wir bei der künstlerischen Überraschung des Abends wären: Hofmeir als Dirigent. Er kann es wirklich! Barfüßig, unkonventionell, so draufgängerisch und natürlich wie er Kabarett macht. Er wird noch öfter als Dirigent zu sehen sein. Nicht nur, weil es ihm Spaß macht, sondern weil er gut ist und musikalisch sowieso. Weil das hochsensible Universal-Urviech Andreas Martin Hofmeir über Kontakte in alle künstlerische Richtungen verfügt, darf sich der Assinger Kulturverein nicht wundern, wenn eines Tages ein Symphonieorchester aufkreuzt, um für Kinder in Not zu spielen.

Diesmal hat er vom Mozarteum seine Professoren-Kollegin Dorothee Oberlinger engagiert, eine Blockflötistin von Weltrang. Das Publikum, ein Querschnitt aus Residenztheater-, Tollwood- und Alpenländischer-Hoagart-Besuchern, staunte über dieses Instrument und noch mehr über Frau Oberlinger, wie sie mit dem "Schlaflied für einen Kolibri" die Assinger Singvögel betörte, die draußen auf der alten Birke schlummerten.

Vor dem neuen Kulturort "Assing 7" plauderte das Publikum wie in einer lauen Sommernacht. (Foto: Andreas Hofmair)

Die Bauern der Umgebung freuten sich am meisten über den Auftritt von Martin Frank, dem 31 Jahre alten Bauernbuben aus der niederbayerischen Marktgemeinde Hutthurm, der mit seinem Kabarett-Programm den Münchner Circus Krone en suite füllt. Genauso ließen sie sich aber von Christian Springer und von Wolfgang Krebs begeistern. Krebs gab den Söder und improvisierte als Stoiber grandios eine Hommage an die Hausherrin, ihren Ehemann und den mittelalterlichen Tuffstein des Griassn-Anwesens. Die Spontan-Pointen des Kollegen Krebs lösten bei Christian Springer, der neben der Bühne zuhörte, Lachkrämpfe aus, was wiederum als Beleg dafür gelten darf, dass es mit dem Konkurrenzdenken und Kreativitätsneid nicht weit her ist im Kabarettgeschäft. Im Gegenteil. Und Springer selbst schaffte es, von null auf hundert in einer Viertelstunde den Gaza-Krieg zu erörtern und rechtsradikale Populisten abzufertigen - und dabei so leichtfüßig zu bleiben, dass das Auditorium nicht in Depressionen verfiel, sondern erst recht lachte und dann reichlich Geld spendete.

Ein Selfie der Task Force der Spendengala (v.l.): Andreas Hofmair, Martin Frank, Barbara Schmelz, Wolfgang Krebs und Christian Springer. (Foto: Andreas Hofmair)

Ungefähr 20 000 Euro werden für Springers Verein Orienthelfer und das Kinder-Projekt "OVC Kenia-SJS Hope" zusammengekommen sein, schätzt Andreas Martin Hofmeir tags darauf nach einer ersten Hochrechnung. Das ist ja auch der Sinn des ganzen Projekts: Kultur machen, und zwar ausschließlich für einen guten Zweck. So einen Heuboden könnte man spielend dreimal die Woche für Hochzeiten, Firmen-Gelage und Bauernverbandsversammlungen vermieten. Aber das wäre nicht nur den Assinger Bauern zu viel, sondern auch den Hausleuten Schmelz und Hofmeir. "Für den Saal und für unseren Verein war es die Feuertaufe", sagt Barbara Schmelz, "jetzt wissen wir, wie er klingt." Mit der Akustik sei sie zufrieden: "Sehr trocken, sehr ehrlich." Manche Instrumente brauchen wohl ein bisschen Verstärkung, für Sprechkünstler eigne er sich jetzt schon hervorragend.

Draußen auf der Wiese vom Moiern z'Haunerding hat ein Trupp der Feuerwehr von Taching mit einem Notstrom-Aggregat Licht gemacht und den Verkehr geregelt. Freiwillig, versteht sich.

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