Abschiebung nach Iran:"Ich kann mich nicht über alle Entscheidungen des Bundes hinwegsetzen"

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Ein Abschiebestopp sei nur in einer völlig neuen Lage, wie nach den Massenprotesten 2022 in Iran, "sinnvoll und notwendig", sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. (Foto: Uwe Lein/dpa)

Obwohl sich die Menschenrechtslage nicht verbessert hat, schiebt Bayern wieder Iraner ab. Innenminister Joachim Herrmann sieht die politische Verantwortung dafür aber beim Bund.

Von Nina von Hardenberg

In der Diskussion um Abschiebungen nach Iran sieht Innenminister Joachim Herrmann den Bund in der Verantwortung für die zuletzt kritisierte, politische Härte. Nach der verfassungsmäßigen Ordnung sei ausschließlich der Bund für Entscheidungen über Asylanträge zuständig, genauer genommen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das dem Bundesinnenministerium untersteht. Dieses prüfe auch nach dem Auslaufen des Abschiebestopps jeden einzelnen Fall. "Ich kann mich nicht über alle Entscheidungen des Bundes hinwegsetzen", sagte Herrmann der SZ.

Das Bamf komme auch aktuell nach einer intensiven Einzelfallprüfung bei vielen Fällen zu dem Ergebnis, dass diesen Menschen bei einer Rückkehr in ihre Heimat keine Verfolgung drohe und sie deshalb Deutschland wieder verlassen müssten. Im Jahr 2023 lehnte das Bamf deutschlandweit 2400 Schutzgesuche ab bei etwa 6900 Entscheidungen, im laufenden Jahr etwa 600 bei etwa 1300 Entscheidungen. Hierfür trügen die Bundesministerinnen des Inneren und des Äußeren die politische Verantwortung, so Herrmann.

Der Minister war zuletzt von Flüchtlingsverbänden kritisiert worden, weil er sich nicht für eine Verlängerung des Abschiebestopps nach Iran eingesetzt hatte. Nach dem Tod von Jina Mahsa Amini und den darauffolgenden Massenprotesten in Iran im September 2022 hatte Herrmann verkündet, bis auf Weiteres keine Geflüchteten mehr in das autokratische Land zurückzuschicken. Zwischen Oktober 2022 und Dezember 2023 hatten die deutschen Bundesländer gemeinsam einen Abschiebestopp beschlossen. Ausnahmen galten nur für Straftäter. Diese Abmachung wurde nicht verlängert, sodass seit Januar wieder mehr Abschiebungen nach Iran stattfinden. Bayern hat nach Angaben des Innenministeriums in diesem Jahr bereits vier Personen nach Teheran zurückgeschickt, zwei davon waren straffällig geworden.

Aufsehen erregten zuletzt zwei weitere Fälle von Iranern, von denen einer nach Aussage eines Pfarrers in der evangelischen Kirche engagiert war und der andere laut bayerischem Flüchtlingsverband bereits zum Christentum konvertiert ist. Der Erste, ein 34-jähriger Amazon-Lagerarbeiter, entzog sich durch seine Flucht aus dem Flugzeug vorerst der Abschiebung. Der andere , ein 2015 eingereister Iraner aus Mittelfranken, sitzt derzeit in Hof in Abschiebehaft.

Die Menschenrechtslage in Iran hat sich seit den Massenprotesten nicht verbessert. Nach wie vor lässt das Mullah-Regime Menschen willkürlich verhaften, es kommt zu Folter in den Gefängnissen und laut der Organisation Iran Human Rights im Jahr 2023 auch zu mehr als 800 Hinrichtungen. Das Bundesinnenministerium würde deshalb eine Verlängerung des Abschiebestopps befürworten, hieß es auf Anfrage der SZ. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) habe großen Respekt vor dem Mut der Menschen in Iran, die für Freiheit und Menschenrechte eintreten.

Herrmann will einen Fall erneut prüfen: "Ich nehme das ernst, das wird mir vorgelegt"

Die Bundesländer aber ließen den Abschiebestopp auslaufen. "Ein Abschiebestopp ist dann sinnvoll und notwendig, wenn ich mit einem völlig neuen Sachverhalt konfrontiert bin", sagt dazu Innenminister Herrmann. 2022 habe man verhindern wollen, dass Geflüchtete, über deren Schutzgesuch vielleicht schon vor zwei Jahren entschieden worden war, ohne neuerliche Prüfung "blindlings" abgeschoben würden. Inzwischen hätten Geflüchtete aus Iran aber die Möglichkeit, ihre Situation vom Bamf in einem Folgeantrag überprüfen zu lassen. Eine ganze Reihe dieser Anträge sei aber abgelehnt worden, so auch im konkreten Fall des Iraners aus Mittelfranken. "Damit gibt es offensichtlich eine Lage in Iran, wonach nicht pauschal jeder gefährdet ist", so Herrmann. Dennoch wolle er sich den konkreten Fall erneut anschauen und prüfen, ob der Mann tatsächlich Christ sei. "Ich nehme das ernst, das wird mir vorgelegt."

Der Minister hält es aber grundsätzlich für sinnvoll, dass der Bund und nicht die Länder über die schwierige Frage, ob in einem anderen Staat politische Verfolgung herrsche oder Gefahren für Leib und Leben bestehen, entscheide. Der Bund sei die Instanz, die über ein enges weltweites Netz an Botschaften und damit einhergehenden Erkenntnissen verfüge und auch Mitglied internationaler Organisationen wie der UNO ist. Das Bamf stütze sich bei seinen Entscheidungen auf unterschiedlichste Quellen zur Situation in Iran.

Abschiebungen in Iran dürften in nächster Zeit allerdings auch aus praktischen Gründen schwierig werden. Wegen der kritischen Sicherheitslage hat die Lufthansa als erste Airline den täglichen Flug von Frankfurt nach Teheran bis vorerst 13. April gestrichen. Hintergrund sind die jüngsten Drohungen Irans gegen Israel im Nahost-Konflikt.

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