Parkraummanagement in Städten:Online zum freien Parkplatz

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Zukunftsvision: Per Routenführer zum freien Parkplatz - was einfach und erstrebenswert erscheint, lässt sich nicht so einfach umsetzen. (Foto: VW)
  • Autofahrer verbringen durchschnittlich 100 Stunden pro Jahr mit der Parkplatzsuche. Moderne Systeme sollen helfen, diese Zeit zu reduzieren.
  • BMW und VW arbeiten an onlinebasierten Technologien, die freie Parkplätze erfassen und an Autos melden können.
  • Experten gehen davon aus, dass die Autos dafür mit der Infrastruktur vernetzt werden müssen. Werden Parkplätze also bald mit Sensoren ausgerüstet, die freie Stellflächen melden?

Von Joachim Becker

Parkplatzsuche, das ist die dunkle Seite des Autofahrens. Das genaue Gegenteil von Autonomie und Fahrspaß. Wie ein Klotz hängt einem der gerade noch so geliebte Leib-und-Seelen-Beweger am Bein. In der Regel fahnden Pendler durchschnittlich fast 20 Minuten nach einer Lücke im endlos aufgereihten Blech, ergab eine Umfrage in 20 Städten weltweit.

Beim frustrierten Kreisen um den Block drängt sich die Frage auf, warum es für jedes noch so verrückte Verlangen im Internet eine Suchmaschine gibt. Nur das tägliche Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel der Stellplatzsuche findet weitgehend isoliert, offline und auf gut Glück statt. Nahezu blind tasten wir uns durch das digitale Niemandsland am Straßenrand. Erstaunlich, dass es im Zeitalter der Schwarmdienste noch so steinzeitlich zugehen muss.

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Die Nachfrage ist da

"Kaum etwas wünschen sich unsere Kunden mehr als einen intelligenten Parkplatzfinder", weiß Heinz-Jakob Neußer, "denn im Schnitt verbringen sie 100 Stunden pro Jahr mit der Parkplatzsuche", so der VW-Entwicklungsvorstand. Von wegen Smart Cities: Trotz des zunehmenden Parknotstands herrscht in vielen Städten das raue Gesetz der Straße. Knapp ein Drittel des urbanen Verkehrs geht auf die Dürstenden in der Steinwüste zurück. Studien zufolge steigert der Parksuchverkehr die Zeitverluste durch Staus um 50 Prozent.

Nicht nur Verspätungen, sondern auch die Luftbelastung ließen sich verringern, wenn mehr Hirnschmalz auf das Parkraummanagement verwendet würde. Bisher sind die gut verdienenden Parkraum-Anbieter jedoch nicht auf Kooperationen angewiesen. "Der Markt ist momentan zu fragmentiert, um Straßenparkplätze und Stellplätze in Parkhäusern flächendeckend aus einer Hand beziehungsweise aus einer App anbieten zu können", sagt Ralf Bender, Chef von Europas größtem Parkraum-Manager Apcoa Parking.

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Das raue Gesetz der Straße

Die Parkuhr läuft, das Auto steht - in der Regel mehr als 23 Stunden pro Tag. Vier Fünftel der Zeit parken Pkws zu Hause, knapp vier Stunden wird der Wagen im Schnitt auswärts abgestellt. Für viele Stadtväter sind das erfreuliche Nachrichten: Längst sind die Parkgebühren zu einer versteckten Citymaut geworden, an der die Kommunen prächtig verdienen - ohne viel investieren zu müssen.

Wer in immer überfüllteren Ballungsräumen doch noch eine Nische gefunden hat, lässt sich mangels Alternativen auch eine erhöhte Parkgebühr abknöpfen: In Berlin stehen 1,1 Million Autos nur 94 000 öffentliche Parkplätze gegenüber. Im Jahr 2013 hat die Bundeshauptstadt dadurch mehr als 14 Millionen Euro Umsatz durch Strafzettel erzielt. "Das Auto hat für Großstadtbewohner wesentlich an Emotion verloren", sagt Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des CAR Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen. Kein Wunder angesichts der zunehmenden Stellplatzmisere.

Eine höhere Trefferquote in der Stellplatzsuche verspricht die "Dynamische Parkwahrscheinlichkeits-Prognose" von BMW und dem IT-Dienstleister Inrix. Wie bei Stauinformationen nahezu in Echtzeit werden die Bewegungsdaten vieler Fahrzeuge künftig anonym gesammelt und in eine digitale Karte übertragen. Im Fünf-Minuten-Takt aktualisiert die Online-Parkinfo Straßenmarkierungen im Navigationssystem mit den Ampelfarben Grün, Gelb und Rot. Der Großraum-Parkscanner erkennt die Straßen mit den besten Chancen auf einen freien Parkplatz und leitet den Fahrer dorthin. Durch die Verknüpfung mit städtischen Informationsdiensten weiß das System auch, wie viel das Parken zur jeweiligen Tageszeit kosten wird und welche Parkbeschränkungen es gibt. Das On-Street-Parking wird Inrix zunächst in sechs Städten weltweit anbieten, darunter auch in Köln. Bis zum Jahresende sollen 23 weitere Städte folgen, zu denen auch Düsseldorf, München, Hannover, Berlin und Stuttgart gehören werden.

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Der VW "Parking Guide" soll bald in Serie kommen, einzelne freie Parklücken am Bordstein vermag er aber noch nicht anzuzeigen: Das System kann nicht messerscharf zwischen verfügbaren Stellplätzen oder Einfahrten unterscheiden, in denen der Wagen prompt abgeschleppt würde. Viele Experten gehen deshalb davon aus, dass es ohne Vernetzung mit der Infrastruktur nicht gehen wird. "Für den urbanen Verkehr der Zukunft entwickeln wir ganz neue Lösungen. Ausgangspunkt sind zum Beispiel die mikromechanischen Sensoren, wie wir sie im ESP einsetzen. Wir machen sie internetfähig und bringen sie unauffällig in Parkflächen unter", erklärt Rolf Bulander, Leiter Bosch Mobility Solutions. Unter diesem Namen firmiert jetzt die einstige Sparte Fahrzeugtechnik des Zulieferers. Angesichts der heraufziehenden Automatisierung des Fahrens verschiebt sich der Schwerpunkt von isolierter Autotechnik zu vernetzten Lösungen.

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Mithilfe des Internets der Dinge soll ein riesiger Datenpool entstehen, der die Belegung von Parkplätzen zuverlässig erkennen kann. Bosch als weltweit größter Sensorhersteller will allein in diesem Jahr 1,5 Milliarden von den elektronischen Fühlern verkaufen. "50 Milliarden Dinge bis zum Jahr 2020 zu vernetzen, wird auf jeden Fall möglich sein", unterstreicht Rolf Bulander.

Smartphone-Apps sollen helfen, entsprechende Echtzeit-Parkkarten allen Verkehrsteilnehmern zur Verfügung zu stellen - die im deutschen Durchschnitt ein knapp neun Jahre altes Auto ohne viel digitales Brimborium fahren. Hightech-Neuwagen wollen die Hersteller und Zulieferer demnächst mit hoch automatisierten Parkfunktionen noch verlockender machen: Wenn sich die Roboterautos mit Parkhäusern vernetzen, können sie ihre Passagiere an der Einfahrt absetzen und sich den Stellplatz selbst suchen.

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"Diese moderne Form des Valet Parkings in einem geschützten Raum ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum automatisierten Fahren auf öffentlichen Straßen", ist sich Bosch-Geschäftsführer Dirk Hoheisel sicher. Die Vision ist klar: Automatisierte Parkhäuser - und später auch vernetzte Parkplätze am Straßenrand können mehr Autos auf derselben Grundfläche unterbringen und die Parksuche effizienter organisieren. Davon profitieren nicht zuletzt neue Carsharing-Fahrzeuge mit hochwertiger Sicherheitsausstattung.

Schon heute reichen einem Parkassistenten 80 Zentimeter vor und hinter den (integrierten) Stoßstangen, um den Wagen in die Lücke zu lenken. Moderne Parkpiloten scannen automatisch den Stellplatz im Vorbeifahren und biegen im Rückwärtsgang dann flott in die Lücke. Dadurch lässt sich auch eine grassierende Zivilisationskrankheit kurieren: Fast jede zweite Kollision ist ein Park- und Rangierunfall - Tendenz steigend. In den vergangenen zehn Jahren hat dieser Unfalltyp, der im Schnitt rund 2000 Euro Schaden verursacht, um ein Drittel zugelegt. Überwiegend kracht es beim Rückwärtsfahren, weil die Autos immer größer und unübersichtlicher werden. Doch die Stellplätze wachsen nicht mit. Auch in Zukunft müssen fünf mal 2,4 Meter Normfläche genügen, um das fließend Geformte ins Eckige zu bringen.

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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