Zukunft des Fahrens:So schnell rostet Autoliebe nicht

Peugeot Quartz Konzeptstudie auf dem Pariser Autosalon 2014.

Es gibt viele Ideen, wie das Auto der Zukunft aussehen wird. Vielleicht ja wie die Quartz-Studie, die Peugeot auf dem Pariser Autosalon 2014 zeigte.

(Foto: Benoit Tessier/Reuters)
  • Die Skepsis vor selbständig fahrenden Autos ist groß. Laut einer aktuellen Studie glauben 50 Prozent der Befragten nicht, dass die Roboterfahrzeuge zuverlässig funktionieren werden.
  • Für viele Menschen bedeutet Autofahren Stress. Dennoch gibt es in Deutschland so viele Pkw wie nie zuvor - und weltweit wird sich der Bestand bis 2050 mehr als verdoppeln.
  • Laut einer Allianz-Studie schätzen auch junge Leute das Auto. Doch es soll sich von einer tumben Blechkiste in einen cleveren Begleiter verwandeln. Carsharing spielt eine immer bedeutendere Rolle.
  • Obwohl immer mehr Großstädte unsaubere Autos aus ihren Zentren verbannen, werden SUVs in den nächsten Jahren weiterhin das Straßenbild bestimmen.

Von Joachim Becker

Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie mal war. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren steckte die Welt von morgen noch voller Verheißungen. Leidenschaftliche Futuristen und Zeichner träumten in hobby und Das Neue Universum von der beginnenden Weltraumfahrt. Die ungetrübte Technik- und Fortschrittsgläubigkeit übertrug sich auf Hightech-Stadtlandschaften voller autonom fahrender Autos.

Doch je näher wir diesen Visionen kommen, desto fragwürdiger wird die Zukunftsgewissheit. Mehr als der Hälfte der heimischen Autofahrer macht die Entwicklung zum automatisierten Fahren Angst. Rund 50 Prozent glauben laut der Continental Mobilitätsstudie 2013 nicht daran, dass die Roboterfahrzeuge zuverlässig funktionieren werden.

Das Grauen vor den unstoppbaren Maschinen

Maschinen, die sich selbständig orientieren, steuern und beschleunigen können, wirken auf den ersten Blick zwar interessant. Spätestens wenn die künstliche Intelligenz aber den Fahrer überwacht und nicht adäquat auf menschliche Signale im Cockpit oder am Fahrbahnrand reagiert, zeigt sie ihr befremdliches und Furcht einflößendes Gesicht - auch deshalb, weil Roboterautos niemals allein, sondern immer als hoch vernetzte Schwarmwesen in Erscheinung treten werden.

Das Grauen vor einer solchen Armada von unstoppbaren Maschinenwesen sitzt tief in der kollektiven Erinnerung. Schon 1929 ließ der Gesundheitsbeauftragte von New York eine Studie über die "diabolische Symphonie unserer gegenwärtigen mechanischen Epoche" anfertigen. Auszüge daraus lesen sich wie eine düstere Technikgeschichte.

Erst die Eisenbahnen, dann das Auto

"Vor 150 Jahren war die Welt wie ein ruhiges Tal. Eines Tages gab es ein bedrohliches Donnern und Poltern über den umgebenden Hügeln und eine Horde barbarischer Maschinen ergoss sich in das ruhige Tal. Mit Dampfpfeifen, Kriegsgeschrei und dem furchterregenden Scheppern eiserner Rachen kamen sie."

Was nach Apokalypse klingt, bezieht sich auf die ersten Eisenbahnen, die die Landschaft durchschnitten. Schlussendlich waren es aber die Autos, die den gesundheitsschädlichen Lärm massiv in die Städte trugen. Die (Eigen-)Dynamik der steigenden Fahrzeugflut provozierte schon immer Skepsis und Aversionen gegen "spritfressende, dickleibige Dinosaurier einer untergehenden Ära". Auch die "zunehmend elektrokommunikative Aufrüstung im Cockpit" wird als "ein Indiz der Verzweiflung" gewertet.

Das Auto sorgt für erhöhten Stress

Ist die Liebe der Deutschen zum Automobil "nach einem Jahrhundert der Raserei, der Sehnsucht nach dem Horizont und der Freude am großen Unterwegssein auf den Straßen" erkaltet, wie vor einigen Wochen in der SZ zu lesen war? Tatsächlich sind Pkw eher von ihrem immensen Erfolg bedroht: 67 Prozent der Deutschen verbinden das steigende Verkehrsaufkommen mit erhöhtem Stress, zeigt die Continental Mobilitätsstudie.

Die Schwelle von 500 Pkw pro 1000 Einwohner wurde bereits im Jahr 2005 überschritten. Heute sind es 534 Pkw pro 1000 Einwohner - ein Niveau, das mit einem leichten Zwischenhoch voraussichtlich für die nächsten 25 Jahre Bestand haben wird: "Der Anteil des Pkw an allen Personenverkehrsleistungen dürfte auch 2040 - wie heute - bei mehr als 80 Prozent liegen", so das Fazit der neuen Pkw-Szenarien für Deutschland.

Die Welt wird immer abhängiger vom Auto

Das Auto bleibt der Deutschen liebstes Kind. Auch global wird die Abhängigkeit von den eigenen vier Rädern weiter steigen. Einer Vielzahl von Studien zufolge könnte sich der weltweite Pkw-Motorisierungsgrad auf durchschnittlich 250 Personenwagen pro 1000 Einwohner verdoppeln. Damit würde die gesamte Pkw-Flotte von heute rund einer Milliarde bis 2050 auf fast 2,5 Milliarden Fahrzeuge anwachsen.

Je mehr die überfüllten Ballungsräume vom Verkehrsinfarkt bedroht sind, desto stärker wird die Sehnsucht nach einem individuellen Fluchtvehikel. Auch bei jungen Menschen stehen Autos daher weiterhin hoch im Kurs. Die neue Allianz-Studie "Jung und urban" zeigt: Nur sechs Prozent der Befragten im Alter zwischen 18 und 24 Jahren halten den Autobesitz für nicht mehr zeitgemäß: "Junge Menschen schätzen das Auto. Mehr als zwei Drittel aller Befragten verbinden das Auto mit dem Gefühl der Freiheit und Freude und empfinden das Autofahren als entspannend", sagt Alexander Vollert, Vorstandsvorsitzender der Allianz-Versicherungs-AG.

Clevere Begleiter statt tumber Blechkisten

Gerade die technikverliebte Generation Y erwartet, dass sich die tumben Blechkisten endlich in clevere automobile Begleiter verwandeln. Wenn das Auto auf manchen Strecken selbständig fährt, wollen ein Drittel der Befragten die neu gewonnene Zeit nutzen, um Musik/Radio zu hören oder sich in Ruhe mit anderen Fahrzeuginsassen zu unterhalten. Telefonieren, E-Mails schreiben und surfen im Internet stehen laut Continental Mobilitätsstudie ebenfalls weit oben auf der Wunschliste.

Auch die Kommunikation von Mensch und Maschine soll bis zum Ende des Jahrzehnts so natürlich werden wie ein Dialog zwischen Passagieren. Das Entscheidende dabei: Dieser "Deus ex machina", der über die Bordlautsprecher mit uns spricht, wird uns bei jedem Fahrzeugwechsel begleiten. Dank der Cloud ist er nicht an die Elektronik eines einzelnen Autos gebunden, sondern schwebt über den Dingen.

Die digitale Revolution wird das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine in vielerlei Hinsicht ändern. Eine bedrohte Spezies ist nicht das Auto an sich, sondern der Wackel-Dackel auf der privaten Hutablage. Die zentrale Frage der Zukunft wird sein: Warum ein Auto besitzen, wenn man viele verschiedene haben kann?

Autos verändern sich rasend schnell

Gegen den Besitz spricht die simple Tatsache, dass sich Autos in den nächsten 15 Jahren schneller verändern werden als je zuvor. Die Hardware Auto ist spätestens drei Jahre nach Auslieferung veraltet, wenn der typische Leasingvertrag endet: Schnelle Fortschritte versprechen sowohl die Assistenzsysteme auf dem Weg zum autonomen Fahren als auch moderne Anzeige- und Bediensysteme mit Gestensteuerung und nicht zuletzt die alternativen Antriebe mit neuen Batteriegenerationen. Wer will sich da schon mit Auto-Altlasten abplagen?

Unbestritten ist jedoch, dass viele Menschen den Hightech-Wettlauf nicht mitmachen. Mit 8,8 Jahren hat das durchschnittliche Pkw-Alter in Deutschland 2014 einen neuen Höchststand erreicht. Selbst Old- oder Youngtimer-Fans könnten sich künftig aber überlegen, ob sie neue, vielseitig vernetzte Mobilitätsdienstleistungen nutzen wollen. Immer komfortablere Carsharing-Angebote werden sich in den kommenden Jahren vom ökologisch korrekten Nischenphänomen zum Mainstream für Gourmet-Carhopper entwickeln. Flexibilität, Service und bedarfsgerechte Mobilität lauten die Parolen der 2020er-Jahre. Wer in urbanen Zentren nach Lust und Laune das passende Auto spontan mieten kann, muss kein Pkw-Gegner sein, um auf das eigene Gefährt und die entsprechenden Parkplatzsorgen dankend zu verzichten.

Ein Sportwagen für das Kleinkollektiv

Daimlers Pionierprojekt Car2go und DriveNow von BMW und Sixt arbeiten mittlerweile profitabel, expandieren in ganz Europa und sprechen bereits ein Millionenpublikum an. Selbst Audi und Porsche steigen nun beim Autoteilen ein und probieren neue Geschäftsmodelle aus - bis hin zum Sportwagen, der im Kleinkollektiv für die besonderen automobilen Momente genutzt wird. Eine Joker-Rolle im künftigen Transportmix werden die Metropolen weltweit spielen. Zum Beispiel, indem sie emissionsfreie E-Mobilität vorschreiben, weil die Grenzwerte für Luftschadstoffe ständig überschritten werden.

Was sich in London schon länger anbahnt, zeichnet sich jetzt auch in Paris ab: Dieselfahrzeuge sollen dort ab 2015 stark reglementiert werden. Künftige CityUmweltzonen werden nicht nur dem (teil-)elektrischen Fahren, sondern auch dem Carsharing einen weiteren Schub verpassen.

SUVs werden weiterhin das Straßenbild bestimmen

Wer im Dickicht der Städte elektrisch unterwegs ist, könnte sich spätestens am Wochenende nach einem Allradantrieb sehnen, um in vermeintlich unberührte Landschaften zu entfliehen. Der Trend ist schon jetzt eindeutig: Nie war der Anteil von Geländewagen, SUV und Crossover-Modellen in Deutschland größer als heute. Wenn die Ölpreise so niedrig bleiben, wie es die Weltbank für die nächsten beiden Dekaden prognostiziert, werden die "dickleibigen Dinosaurier" wohl nicht so schnell aussterben. Ob solche automobilen Dickschiffe nun zum Designobjekt der Begierde taugen oder nicht: Das Straßenbild wird auch in zehn Jahren noch von solchen Großraumautos bestimmt werden.

Trotz des Unbehagens angesichts der Roboterautos: Eine klare Mehrheit der Befragten sprach sich in der Continental Mobilitätsstudie fürs automatisierte Fahren aus: 76 Prozent votierten für den Einsatz auf langen Fahrten, 70 Prozent für die Nutzung in Staus auf der Autobahn. Auch der Sicherheitsaspekt spricht für das sensorübersäte Auto: Laut der Gesundheitsorganisation WHO sterben weltweit jährlich etwa 1,24 Millionen Menschen an den Folgen von Verkehrsunfällen - Tendenz steigend. Allein schon deshalb kann die Verbreitung von autonomen Sicherheitssystemen im Auto auf breite Unterstützung der Politik rechnen. Alles in allem ist jedenfalls klar: So schnell wird die Autoliebe also nicht rosten.

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