Neuvorstellung Tesla Model 3:Tesla startet die Elektroauto-Revolution - und könnte scheitern

Lesezeit: 4 min

  • Tesla-Chef Elon Musk hat erstmals ein vergleichsweise erschwingliches Elektroauto seiner Firma vorgestellt: das Model 3.
  • 115 000 Menschen hatten das Auto vorbestellt, ohne es je gesehen zu haben.
  • Ob Tesla damit wirklich die Automobilwelt revolutionieren wird, ist ungewiss - kaum jemand glaubt an einen pünktlichen Start des neuen Modells.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Die Strategie von Elon Musk, Milliardär und Gründer des Elektroautobauers Tesla, hat funktioniert. Mal wieder. Menschen in Hamburg, Tokio, Montréal, Sydney und vielen anderen Städten weltweit standen vor den Filialen des Unternehmens, viele übernachteten dort gar, um sich für 1000 Dollar ein Model 3 zu reservieren. Das für Tesla Fantastische daran: Diese Menschen wollten nicht nur unbedingt ein Auto haben, das es noch gar nicht gibt - sie wollten ein Fahrzeug, von dem sie nicht einmal wussten, wie es aussehen wird, was genau es kann und wie viel es kostet. So etwas hat noch nicht einmal Apple geschafft. Steve Jobs musste schon Einzelheiten nennen, ehe die Fans auf dem Gehsteig campierten.

Tesla hat mal wieder einen Hype um den Hype kreiert. Als er im Designstudio der Firma im Süden von Los Angeles auf der Bühne stand und das vierte Modell des Unternehmens vorstellte, sprach Musk einmal mehr zu seinen beseelten Jüngern. Nun nannte er die wichtigsten Details: 350 Kilometer Reichweite, Beschleunigung von Null auf 100 km/h in weniger als sechs Sekunden. Genügend Platz für fünf Erwachsene. Fünf Sterne in jeder Sicherheitskategorie. Pilotiertes Fahren. Die Möglichkeit, die Batterien an den Tesla-Schnellladestationen (Supercharger) aufzuladen, als Serienausstattung. 35 000 Dollar Grundpreis.

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Das Model 3 hat eine Reichweite von 345 Kilometern pro Batterieladung - und soll nur 31 000 Euro kosten.

Der Heilige Gral der Elektroauto-Industrie

"Wollt Ihr ihn sehen?", fragte er. Die Menge brüllte zurück: "Ja!" Dann kamen drei Fahrzeuge auf die Bühne. "Sie werden für diesen Preis kein besseres Auto bekommen", sagte Musk. Jubel.

Ein Fahrzeug für den Massenmarkt, das ist der Heilige Gral der Elektroauto-Industrie. Bei aller Begeisterung um eine mögliche Energiewende: In den USA wurden im vergangenen Jahr gerade einmal 113 588 Elektroautos verkauft, das entspricht einem Marktanteil von 1,4 Prozent. In Deutschland wurden 2015 12 363 Elektroautos und 33 630 Hybride angemeldet, das sind 1,7 Prozent aller Neuzulassungen.

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Es fehlte nur ein gemeinsames "Halleluja"

35 000 Dollar also. Käufer in den USA können derzeit über Rabatte und Steuervergünstigungen bis zu 10 000 Dollar sparen, in Deutschland sollen es, darüber wird gerade verhandelt, bis zu 5000 Euro sein. Ein Weltretter-Auto für weniger als 30 000 Euro? Klingt großartig! Die Botschaft von Musk lautet: Die Revolution hat längst begonnen, bald wird sie für viele Menschen bezahlbar sein. "Innerhalb der letzten 24 Stunden haben wir mehr als 115 000 Bestellungen für das Model 3 entgegen genommen", sagte er. Ein Besucher rief: "Elon, Du hast es geschafft!"

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Wer Musk schon einmal live erlebt hat, der weiß, dass er bei solchen Präsentationen daherkommt wie eine Mischung aus genialer Professor und charismatischer Wanderprediger. Er ist kein begnadeter Rhetoriker, ganz im Gegenteil, das macht ihn authentisch. Er spricht mit der Selbstverständlichkeit eines Menschen, der den heilbringenden Weg kennt und ihn seinen Gläubigen offenbart. Die raunen zustimmend, sie rufen andauernd "Jawohl" oder "Genau", hin und wieder johlt einer: "Du bist der Beste, Elon!" Es fehlte nur ein gemeinsames "Halleluja" am Ende bedeutsamer Sätze wie etwa diesem: "Es ist für die Zukunft dieses Planeten wichtig, endlich auf nachhaltigen Verkehr umzusteigen."

Tesla hat den Markt erschüttert, keine Frage, und 115 000 Bestellungen innerhalb von 24 Stunden sind eine gewaltige Hausnummer. Es ist jedoch fraglich, welche Rolle das Unternehmen bei der Revolution wirklich spielen wird. Mark Spiegel von Stanphyl Capital Management etwa sagt: "Der Verkauf des Model S ist abgeflacht, Model X hat sich bislang als Enttäuschung herausgestellt. Model 3 wird dieses Unternehmen nicht retten, sondern sein Ende beschleunigen."

Das sind markige Worte, doch sie sind nicht unbegründet, wenn man das Unternehmen und den Markt für Elektroautos betrachtet. Zunächst einmal fährt Tesla noch immer gewaltige Verluste ein, im vierten Quartal 2015 waren es 320 Millionen Dollar. Musk versprach im Februar, die Kosten nun endlich in den Griff zu bekommen und in diesem Jahr womöglich gar Gewinn einzufahren. Natürlich pfeifen kalifornische Start-Ups traditionell auf Quartalszahlen und Fünf-Jahres-Pläne, allerdings ist auch bekannt: Musk verspricht stets sehr viel und hält nicht immer alles. Im September vergangenen Jahres übergab er die Schlüssel der SUV-Veriante Model X an die ersten Kunden - zwei Jahre später als ursprünglich geplant.

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Kaum jemand glaubt, dass das Auto pünktlich auf den Markt kommt

Genau deshalb glaubte auf der Party in Los Angeles auch kaum jemand daran, dass Model 3 tatsächlich Ende kommenden Jahres auf den Markt kommen wird. Die durchschnittliche Prognose: Herbst 2018. In mehr als zwei Jahren. Bis dahin werden in den USA zahlreiche Rabatte und Vergünstigungen für Elektroautos ausgelaufen sein - und Konkurrenten werden eigene Modelle auf den Markt gebracht haben.

Tesla ist noch immer der coole Pionier, aber längst nicht mehr allein. Technikfirmen wie Apple oder Google basteln an Elektrofahrzeugen und natürlich hat Musk die traditionellen Autobauer so lange beleidigt ("Benzinköpfe"), dass die nun auch an erschwinglichen Varianten arbeiten. General Motors etwa verkündete die Produktion des Chevrolet Bolt, ein 37 500-Dollar-Elektroauto mit einer Reichweite von 320 Kilometern, das bereits Anfang kommenden Jahres auf den Markt kommen soll. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das erste Elektroauto für den Massenmarkt nicht aus der Fabrik von Tesla auf die Straße rollt.

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Die Auto-Dinosaurier bewegen sich nun

Das macht Musk nichts aus, so lange der Markt wächst, Tesla mit eigenen Fahrzeugen vertreten ist und möglicherweise für die Autos anderer Firmen die Batterien ausliefert. Natürlich will er weitere Fabriken bauen, gerne auch in Deutschland. Allerdings diskutieren die europäischen Autofirmen gerade über eine eigene gemeinsame Zellfertigung, um nicht zu reinen Karosseriebauern zu verkommen. Vor zehn Jahren noch galt so eine Zusammenarbeit als völlig undenkbar, im vergangenen Jahr jedoch haben Audi, BMW und Daimler gemeinsam für 2,8 Milliarden Euro den Karten- und Navigationsdienst Here von Nokia gekauft. Die Auto-Dinosaurier, sie bewegen sich gerade, um nicht vom Tesla-Meteoriten ausgelöscht zu werden.

Die Revolution hat begonnen. Elon Musk hat sie angeregt und selbst gestartet, das ist sein Verdienst. Ob seine Firma Tesla diese Revolution weiterhin anführt oder überhaupt erlebt, das ist nicht abzusehen. Wenn Musk jedoch ehrlich war bei dem, was er über nachhaltigen Transport, die Energiewende und die Rettung der Welt gesagt hat, dann dürfte ihm das tatsächlich egal sein. Wenn diese Revolution funktioniert, und das tut sie gerade, dann darf er sich als Visionär feiern lassen. Er hat es geschafft, dass sich Menschen für Elektroautos begeistern - und auf der Straße kampieren, um ein Auto zu bestellen, von dem sie noch nicht mal wussten, was es kann.

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