Porträt:Norbert Lammert: Der Mann, der nicht Bundespräsident werden will

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Norbert Lammert. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Sogar Ministerpräsident Ramelow von den Linken wünscht sich den Bundestagspräsidenten als Gauck-Nachfolger. Aber Lammert hat offenbar kein Interesse. An was liegt das?

Von Robert Roßmann

Es war eine Bemerkung, die aufhorchen ließ. Er würde sich wünschen, dass Norbert Lammert Bundespräsident werde, sagte Bodo Ramelow, der Ministerpräsident von Thüringen. Ausgerechnet in der Woche, in der dunkelrote, rote und grüne Politiker offen wie nie über ein Linksbündnis sprachen, schlägt ein Linker einen Christdemokraten vor - wie erstaunlich. Das gilt umso mehr, als anschließend auch noch zwei stellvertretende Chefs der Grünen-Bundestagsfraktion ihre Sympathie für Lammert kundtaten. Dabei ist der Bundestagspräsident offiziell gar nicht im Rennen um die Nachfolge von Joachim Gauck.

Am Montag hatte Lammert überraschend mitgeteilt, dass er 2017 nicht mehr für den Bundestag kandidieren werde. Der Abschied aus der aktiven Politik falle ihm nicht leicht, schrieb der 67-Jährige. Es sei nun aber Zeit für einen Wechsel, zumal auch er "nicht immer jünger werde". Zur Gauck-Nachfolge erklärte er jedoch nichts. Und so interpretierten die einen die Erklärung wegen des Verweises auf das Alter als Absage an das höchste Staatsamt. Die anderen fanden, Lammert habe sich mit seiner Formulierung, er ziehe sich aus der "aktiven" Politik zurück, alles offengehalten. Lammert sah sich gezwungen, auf die Spekulationen zu reagieren. "Ohne Wenn und Aber" stehe er zu einer Antwort, die er bereits vor einem Jahr gegeben habe. Damals hatte er erklärt: "Ich glaube, dass das für mich nicht das richtige Amt ist und ich für das Amt nicht der richtige Kandidat bin."

Diese Einlassung könnte natürlich auch Koketterie sein. Lammert gilt nicht gerade als Mensch mit Minderwertigkeitskomplexen. Legendär ist das Bonmot von Unionsfraktionschef Volker Kauder, der beim Papst-Besuch im Bundestag mit Blick auf Lammert gesagt hat, nun säßen "zwei Unfehlbare" im Parlament. Doch wer in den vergangenen Wochen mit Lammert gesprochen hat, bekam den Eindruck, dass er tatsächlich nicht mehr Bundespräsident werden will. Er hoffe, dass der Kelch an ihm vorübergehe, sagt Lammert.

Am Ende einer ersten Präsidentschaft wäre er 73 Jahre alt, wer weiß, wie viele gesunde Jahre einem das Leben danach noch schenkt. Außerdem ist da noch seine Frau Gertrud. Die pensionierte Lehrerin gilt als bodenständig und frei von jeder Sehnsucht, First Lady zu werden - also als eine Art Gegenentwurf zu Bettina Wulff. Sie soll vehement dagegen sein, dass ihr Mann Bundespräsident wird. Statt im Schloss Bellevue möchte sie ihr Leben lieber in der gemeinsamen Heimat Bochum und in Überlingen am Bodensee verbringen. Dort hat das Paar einen Zweitwohnsitz.

Die CDU müsste also enormen Druck auf Lammert ausüben, um ihn vielleicht doch noch zur Kandidatur zu bewegen. Doch danach sieht es derzeit nicht aus. In jedem Fall dürfte aber gelten, was Lammert im Juni bei seiner Auszeichnung zum "Botschafter des Bieres" gesagt hat: "Das ist nicht das erste, aber das letzte bedeutende Amt, das ich in meiner politischen Laufbahn freiwillig annehme."

© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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