Real Madrid siegt im Clásico:Barça im Griff, Bayern im Kopf

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Mit dem überzeugenden 2:1 in Barcelona sichert sich Real Madrid fast schon den spanischen Titel und stärkt sich auch dank den Deutschen Khedira und Özil für den Champions-League-Endspurt. Auf die Bayern wartet mit Mourinhos Elf ein schwer zu knackendes Ensemble - bei den Katalanen herrscht dagegen tiefer Frust.

Javier Cáceres, Barcelona

BarcelonaNatürlich wiesen die Spieler von Real Madrid alle Glückwünsche zurück. Auch jene, die Josep Guardiola, der Trainer des Tabellenzweiten FC Barcelona, nach der 1:2-Niederlage im Clásico mit fast präsidialer Souveränität formulierte. "Zuallererst: Herzlichen Glückwunsch an Real Madrid, zu diesem Sieg und zum Titel", sprach der katalanische Coach ins Mikrofon, kaum, dass er im Pressesaal des Camp-Nou-Stadions Platz genommen hatte. Auf dem Rasen hatten sich die Spieler von Real zwar unverkennbar so benommen, als ob sie den Titel gewonnen hätten. Sie tollten umher und umarmten sich wie Menschen, die wissen, dass sie einen endgültigen Sieg errungen haben. Doch als sie die Duschen verlassen hatten, bemühten sie routiniert und nüchtern die Arithmetik, die besagt, dass sieben Punkte Vorsprung bei vier verbleibenden Partien rechnerisch noch nicht endgültig ausreichen.

Schockmoment für Barcelona: Sami Khedira erzielt die Führung für Real. (Foto: Getty Images)

Am Weitesten wagte sich noch der deutsche Nationalspieler Sami Khedira heraus, der zugab, dass Spaniens neuer Meister nach menschlichem Ermessen wohl Real Madrid heißen wird: "Es sieht alles danach aus." Doch unterstreichen wollte er etwas anderes, nämlich: dass der Sieg "das richtige Zeichen auch für den Mittwoch" sei - an dem der FC Bayern München zum Champions-League-Halbfinal-Rückspiel in Madrid erwartet wird. Das Hinspiel endete am vergangenen Dienstag 2:1 für die Münchner. "Wir wollen die Meisterschaft und die Champions League gewinnen", sagte Khedira, der zum 2:1-Sieg in Barcelona einen fundamentalen Beitrag leistete.

Dabei handelte es sich nur nachrangig um das Tor, das ihm einen Platz in der Geschichte von Real Madrid zuweist: Der in seiner Entstehung etwas schmucklose Treffer (Khedira drückte einen Ball ein, den Pepe nach einer Özil-Ecke vor die Linie geköpfelt hatte) war zugleich das 108. Saisontor und durchbrach damit endgültig die Rekordmauer der spanischen Fußballgeschichte. Vor allem aber stand der Held des Abends, Khedira, stellvertretend für die pragmatische Spielweise der Madrilenen, die er selbst hinterher rühmte. "Wir haben nicht so viel Ballbesitz gehabt, aber wir waren konzentriert, aggressiv und kompakt." Mit gutem Stellungsspiel, Präsenz im Zweikampf und einer großen solidarischen Leistung trug er erheblich dazu bei, das Spiel Barcelonas fast komplett zu deaktivieren.

Selbst der eher künstlerisch veranlagte Spielmacher Mesut Özil fügte sich mit proletarischem Ethos in die Defensive ein, er spielte neben Khedira und Xabi Alonso eine schmucklose Rolle als einer von drei defensiven Mittelfeldleuten - bis er merkte, dass das Team seiner Eingebungen bedurfte. Unmittelbar nach dem Ausgleichstor durch Alexis Sánchez (70.) schlug Özil einen grandiosen Pass auf Cristiano Ronaldo, der mit einem Hüftwackler an Torwart Víctor Valdés vorbeizog (72.), das 2:1 beziehungsweise seinen 42. Saisontreffer erzielte und dann für die Geste des Abends sorgte. "Calma, calma, calma", rief der Portugiese, "immer schön ruhig bleiben", derweil er seine Worte mit dämpfenden Handbewegungen unterstrich. Ein bisschen erinnerte das Theater an den legendären Zeigefinger, den sich einmal der heutige Noch-Schalker Raúl nach einem Tor im Camp Nou auf die Lippen legte, 1999 war das.

Die Mannschaft hat heute in jeder Hinsicht Höchstnoten verdient. Wir haben ein Examen mit Prädikat bestanden", sagte Torwart und Kapitän Iker Casillas, der seinerzeit bereits auf der Bank saß. Die Freude konnte auch nicht dadurch geschmälert werden, dass der FC Barcelona die fußballerisch schwächste Leistung der jüngsten Klassiker bot - und Stürmerstar Lionel Messi mit Ausnahme der Szene, die zum Tor führte, regelrecht abwesend war. Dazu kam die nun langsam legendäre Abschlussschwäche Barcelonas. "Wir haben kein schlechtes Spiel gegen Real Madrid gemacht, aber ausgezeichnet waren wir nicht", sagte Barcelonas Mittelfeldspieler Xavi Hernández am Sonntag. Was übrig blieb, war, dass Real Madrid auf dem Feld des Erzrivalen den ersten Sieg seit 2007 erringen konnte, damit eine Serie von 54 Barcelona-Heimspielen ohne Niederlage beendete (11. September 2010, Hércules de Alicante) - und dem wieder einmal stummen Trainer José Mourinho das erste Erfolgserlebnis im Stadion Barcelonas bescheren konnte. "Wir haben eine Dynamik durchbrochen", sagte Casillas. "Dadurch können wir die Gedanken an die Liga ein bisschen parken, das ist gut für das Spiel gegen die Bayern", ergänzte Xabi Alonso.

Stimmungsmäßig durchlebt die Mannschaft einen spektakulären Moment", sagte Verteidiger Sergio Ramos. "Wir haben nach und nach bewiesen, dass Real Madrid auf der Höhe einer großartigen Barcelona-Mannschaft ist. Wir haben mit der Faust auf den Tisch geschlagen." Einer Uralt-Weisheit des verstorbenen Niederländers Rinus Michels zufolge hat ein Spiel immer Auswirkungen auf das folgende - das würde Real Madrid jetzt nur allzu gern belegen. "Der FC Bayern hat eine exzellente Offensive, aber wenn wir konzentriert unser Spiel durchziehen, werden wir unsere Chancen haben", sagte Khedira. Und fügte noch hinzu, dass er großes Vertrauen habe, dass die Offensivabteilung von Real Madrid die eine oder andere davon auch verwerten werde. Javier Cáceres

© SZ vom 23.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Spanischer Clásico Barça gegen Real
:Khedira und Özil kapern Camp Nou

Was für eine Wendung im spanischen Spitzenspiel: Ein Treffer von Sami Khedira sowie eine glänzende Vorlage von Mesut Özil verhelfen Real Madrid zum umjubelten 2:1-Sieg in Barcelona. Für Barça ist die Meisterschaft damit vom Tisch, während die "Königlichen" fast schon am Ziel sind. Das Team von José Mourinho zeigt: Die Bayern werden es schwer haben im Bernabeu.

Jonas Beckenkamp

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