Steuern, Steinbach, Afghanistan:Neues Jahr, alte Konflikte

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Die FDP pocht auf Steuersenkungen, CSU-Chef Seehofer bremst, kann sich dafür mehr Soldaten in Afghanistan vorstellen. FDP-Chef Westerwelle beklagt Kritik aus der Union - und verkündet eine "geistig-politische Wende".

Das neue Jahr beginnt für die Koalition knirschend. Zunächst kritisierte der CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich in der SZ die Bundeskanzlerin: Angela Merkel zeige nicht genug Führungsstärke. Sofort meldete sich CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe beschwichtigend zu Wort: Man wolle "als Union gut ins neue Jahr starten".

Zwei, deren Parteien miteinander regieren: CSU-Chef Horst Seehofer und der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle (Foto: Foto: AP)

Es blieb beim Wunsch: Nun, am ersten Januarwochenende, markierten vor allem die Parteioberen von CSU und FDP ihre Positionen. Bei den gebeutelten Christsozialen kommt die Schärfung des Profils nicht von ungefähr: Am kommenden Mittwoch geht die Landesgruppe in ihre traditionelle Klausur von Wildbad Kreuth.

Seehofer gegen voreilige Steuersenkungszusagen

Doch das, was jetzt die Granden der CSU und der FDP in Interviews festklopfen, dürfte den Koalitionsparteien noch länger zu schaffen machen - es sind die bekannten Konflikte aus dem alten Jahrzehnt.

Da ist das Thema Steuern: Zunächst erklärte die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger, man beharre auf weiteren Steuersenkungen - und das unabhängig von der nächsten Steuerschätzung im Mai.

Der Ober-Liberale Guido Westerwelle wurde im Focus noch deutlicher: Trotz der Kritik aus der Union werde man die Steuern weiter senken, erklärte der Außenminister. Und weiter: Die neue Bundesregierung wolle eine "geistig-politische Wende" in Deutschland herbeiführen.

Ziel sei es, wegzukommen "von immer stärkerer Abkassiererei bei denjenigen, die den Karren ziehen", so Westerwelle. Das deutsche Steuer- und Abgabensystem nehme den Menschen die Luft zum Atmen. "Es hat geradezu enteignungsgleiche Züge", schimpfte der Vizekanzler. Das zurückliegende Jahrzehnt sei "eines der übertriebenen Umverteilung" gewesen. Das neue solle "für Leistungsgerechtigkeit stehen".

Die Steuersenkungspläne sind für Experten und einige Unionspolitiker ungedeckte Schecks angesichts der Milliarden-Löcher im Haushalt. Wohl ist Horst Seehofer dabei offensichtlich auch nicht, der CSU-Vorsitzende bremst die Steuerpläne der Liberalen: Voreilig sei die Zusage der FDP, den Bürgern ab 2011 Steuererleichterungen in Höhe von 24 Milliarden Euro jährlich zu gewähren.

Westerwelle ärgert sich über Kritik aus Union

"Auch die CSU ist für Steuererleichterungen", sagte Seehofer der Bild am Sonntag, "aber wir können den Umfang weiterer Steuersenkungen nicht völlig losgelöst von der künftigen Entwicklung der Steuereinnahmen und von der Wirtschaftsentwicklung festlegen. Deshalb kann über den Umfang der Steuererleichterungen ab 2011 erst im Sommer auf der Grundlage der aktuellen Steuerschätzung entschieden werden."

Zudem seien "von den 24 Milliarden über vier Milliarden Euro bereits am 1. Januar in Form von verbesserten Familienleistungen in Kraft getreten", erklärte der bayerische Ministerpräsident.

Seehofer warb dafür, die Steuerreform in einem Gesamtpaket zu verabschieden, zu dem auch Einsparungen im Haushalt 2011, Mehrausgaben bei Bildung und Forschung sowie eine Neuverteilung der Mehrwertsteuer gehören sollen. "Das werden harte Verhandlungen, aber ich gehe davon aus, dass dies alles im Sommer in einem großen Paket gelöst wird. Wir brauchen jetzt ein überzeugendes Gesamtkonzept."

Zur Forderung aus der Union, auf Steuersenkungen zunächst zu verzichten, sagte Seehofer: "Ich rate uns dringend, Kurs zu halten und unsere Zusagen von vor der Wahl nach der Wahl einzuhalten. Denn auf Wortbruch steht bei den Bürgern die Höchststrafe - die Abwahl."

In diesem Punkt dürften Seehofer und Westerwelle einer Meinung sein, allerdings ärgert sich der FDP-Parteivorsitzende trotzdem über Unionspolitiker, die die umstrittene Steuerpolitik kritisieren. "Ich akzeptiere nicht, wenn schwarz-gelbe Erfolge zerredet werden", sagte Westerwelle dem Focus. Die Union habe vier Jahre lang mit der SPD regiert. "Das ging nicht ohne Folgen an ihr vorbei."

Seitenhieb auf Lammert

Die Kritik von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) an den Beschlüssen der Koalition für mehr Wachstum wies Westerwelle zurück: "Der Herr Bundestagspräsident misst mit zweierlei Maß", so der Vizekanzler.

"Gegen Entlastungen für den Mittelstand und die Tourismuswirtschaft mit vielen Ausbildungs- und Arbeitsplätzen zieht er lautstark zu Felde", sagte Westerwelle dem Focus. "Aber als es um deutsche Steuer-Milliarden für den US-Autokonzern General Motors ging, war nur leises Piano zu hören."

Kritik am Koalitionspartner CDU/CSU kam auch von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle. "In den Unionsreihen gibt es Stimmen, die manches, was vereinbart wurde, schon wieder quer diskutieren", sagte der FDP-Politiker dem Tagesspiegel.

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Neben den Steuern wird in diesen Tagen der Streit um Erika Steinbach neu befeuert. Die Vertriebenen wollen offenbar den Bundestag statt des Kabinetts über die Berufung ihrer umstrittenen Präsidentin in den Stiftungsbeirat "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" entscheiden zu lassen - und so das Nein der FDP umgehen.

Außenminister Westerwelle will das im Kabinett notfalls mit einem Veto verhindern, weil er die Beziehungen zu Polen nicht belasten will.

Fall Steinbach: CSU appelliert an Westerwelle

Mit Nachdruck forderte die den Vertriebenen nahestehende CSU den Vizekanzler nun zum Einlenken auf. Westerwelle solle die Vertriebenenpräsidentin und CDU-Bundestagsabgeordnete akzeptieren, sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich. Laut Gesetz habe der Bund der Vertriebenen (BdV) das Recht, seine Vertreter in der Stiftung zu benennen, sagte Friedrich im Deutschlandfunk. Sollte der Verband Steinbach nominieren, müsse sie nach Ansicht der CSU von der Bundesregierung bestellt werden.

Bei den Freidemokraten spielt man derweil auf Zeit: Die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger sagte der Deutschen Presse-Agentur : "Es liegt im Augenblick kein Antrag des Bundes der Vertriebenen vor. Deshalb gibt es auch nichts zu entscheiden." Sie bekräftigte die Ablehnung einer Berufung Steinbachs in die Stiftung.

Seehofers kleine Wende

Nach den Steuern und Steinbach tut sich ein weiteres großes Konfliktthema auf: Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. CSU-Chef Seehofer erklärte sich nun grundsätzlich bereit, über die Entsendung zusätzlicher deutscher Soldaten nach Afghanistan zu reden. Voraussetzung ist für ihn aber ein umfassendes Afghanistan-Konzept, wie Bayerns Ministerpräsident der Bild am Sonntag sagte. "Nur wenn es ein klares integriertes Konzept der militärischen, zivilen und gesellschaftlichen Ebene gibt, dann kann man auch über mehr Soldaten reden."

Anfang Dezember hatte er beim Thema Truppenaufstockung noch seine Skepsis in den Vordergrund gestellt: "Ich habe wenig Sympathie dafür."

Auf den Hinweis, dass das Konzept von US-Präsident Barack Obama die Entsendung von 2000 zusätzlichen deutschen Soldaten bedeute, sagte Seehofer nun: "Das ist mir durchaus bewusst. Aber ich hätte erhebliche Probleme, mehr Soldaten nach Afghanistan zu schicken ohne eine zivile Perspektive."

Es müsse klar sein, wo der Weg hinführe, welches Staatsgebilde in Afghanistan angestrebt werde und wie die selbst tragende Sicherheit aussehen solle. "Ich halte es auch für richtig, den Beginn des Abzugs zu nennen", fügte Seehofer hinzu. "Aber ich war immer dagegen, einen Endpunkt der Mission zu benennen. Das würde den Taliban in die Hände spielen."

Westerwelle will massiv in Innenpolitik mitmischen

FDP-Chef Westerwelle wollte nun im Focus lieber von einem möglichen Beginn des Bundeswehr-Abzuges vom Hindukusch sprechen, denn von mehr Truppen.

Westerwelle hatte kurz nach Weihnachten mit Äußerungen zur kommenden Afghanistan-Konferenz für Aufsehen gesorgt. Dem Stern sagte der Außenminister damals wörtlich: "Wenn die Afghanistan-Konferenz in London eine reine Truppenstellerkonferenz wird, fahre ich nicht hin".

Nun beeilte sich Westerwelle klarzustellen, dass er "nie mit einem Boykott der Konferenz gedroht" habe. Gleichwohl könne diese keinen Erfolg haben, wenn es nur um zusätzliche Truppen für Afghanistan gehe. Doch gerade den Aspekt Truppenaufstockung betont nun Seehofer.

Westerwelle kündigte außerdem an, sich weiter massiv in die Innenpolitik einzumischen. "Vielleicht hat sich mancher schon gefreut, dass ich als Außenminister nun viel im Ausland unterwegs bin. Aber wer hofft, dass ich nun nicht mehr in der Innenpolitik präsent bin, der täuscht sich gewaltig."

Sein politischer Duz-Freund Horst Seehofer wird diese Sätze aufmerksam registriert haben.

© sueddeutsche.de/dpa/APD/AFP/Reuters/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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