Kritik aus der CSU:"Die Kanzlerin muss Linie und Kurs vorgeben"

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Deutliche Worte kurz vor dem CSU-Parteitreffen in Wildbad Kreuth: Hans-Peter Friedrich, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, verlangt im SZ-Interview ein entschlosseneres Auftreten von Kanzlerin Merkel, wendet sich gegen Steuersenkungen um jeden Preis und will eine Aufstockung der Truppen in Afghanistan nicht voreilig ausschließen.

Stefan Braun

Hans-Peter Friedrich, 52, leitet seit zwei Monaten die Landesgruppe der CSU im Bundestag.

Kurz vor ihrem Parteitreffen in Wildbad Kreuth verlangen die Christsozialen ein entschlosseneres Auftreten von Bundeskanzlerin Angela Merkel. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Friedrich, die CSU fürchtet sich derzeit vor jeder neuen Umfrage. Was ist aus der stolzen CSU geworden?

Friedrich: In der CSU gibt es nach den nicht so guten Ergebnissen der Landtags- und der Bundestagswahl das dringende Bedürfnis, sich über sich selbst wieder klar zu werden. Wichtig dabei ist, dass wir uns bewusst machen, dass die CSU eine Volkspartei sein will und bleiben muss.

SZ: Die Partei aller Bayern!

Friedrich: Richtig! Aber unser Gestaltungsanspruch gilt nicht nur für Bayern, er gilt auch für den Bund und für Europa. Wenn wir das wirklich ernst nehmen, haben wir eine Chance, zu alter Stärke zurückzufinden.

SZ: Was verlangt das von der CSU?

Friedrich: Eine solide, seriöse, nachvollziehbare Sacharbeit zu machen. Wir vertreten nicht nur Wirtschaftsverbände, Unternehmer oder Gewerkschaften. Wir sind keine Klientelpartei, wir vertreten alle. Das bedeutet auch, einmal unangenehme Entscheidungen zu treffen und dazu stehen zu müssen. Das geht aber nur, wenn die Menschen uns auch das Vertrauen schenken, dass wir die Sorgen aller ernst nehmen und letztlich im Interesse aller handeln und entscheiden. Wir brauchen eine unaufgeregte, klare Linie mit einigen erfüllbaren Schwerpunktsetzungen.

SZ: Dazu passt nicht, dass die CSU alles zugleich verspricht: Steuern senken, Schulden zurückführen, Sozialabgaben nicht erhöhen - und den Hoteliers noch Extrageschenke machen. Die CSU will alles und ruiniert ihre Glaubwürdigkeit.

Friedrich: Dem widerspreche ich entschieden. Unsere Zielrichtung ist Entlastung der Bürger, also mehr Netto vom Brutto, ohne die öffentlichen Haushalte zu überfordern. Aber richtig ist, dass es in diesem Jahr 2010 zum Schwur über die Haushalts- und Steuerpolitik kommen wird. Dabei werden wir nach der Steuerschätzung im Mai tun, was wir an Entlastungen tun können - im Rahmen dessen, was finanzpolitisch verantwortbar ist. Wir sind keine Hasardeure.

SZ: Das Debakel bei der Landesbank hat die CSU viel Kredit beim Wähler gekostet. Das Ergebnis sind Milliardenverluste und dazu eine beschädigte wirtschaftspolitische Kompetenz, wie selbst der CSU-Chef einräumt. Steckt die CSU in der größten Krise ihrer Geschichte?

Friedrich: Ich glaube, dass die Krise der Landesbank nicht zu einer Krise der CSU führen wird. Die Landesbank ist ein Unternehmen, das in den letzten Jahrzehnten übrigens gute Gewinne erwirtschaftet hat, die auch dem bayerischen Staatshaushalt zugute kamen. Jetzt ist sie wie fast alle Banken von der Krise betroffen. Und da sie ehrgeiziger war als manche andere Bank, ist sie auch stärker gebeutelt worden.

SZ: Ist es normal, dass ein bayerischer Finanzminister prüfen lässt, ob CSU-Politiker schadensersatzpflichtig sind? Das klingt nach Super-GAU.

Friedrich: Sie übertreiben. In jedem Unternehmen, das in Schwierigkeiten gerät, würde es eine Untersuchung geben, ob es irgendwo Fehlentscheidungen gegeben hat. Das gilt für jede Aktiengesellschaft und hat nichts mit der CSU zu tun. Ich bin überzeugt, dass niemand wider besseres Wissen gehandelt hat. Deshalb mache ich mir auch keine Sorgen.

SZ: Sie wollen erklären, dass das alles nicht so schlimm ist?

Friedrich: Nein, natürlich nicht. Es ist schlimm, und viele Menschen sind irritiert. Die Erkenntnis für alle lautet: Politiker sind keine besseren Banker. Ein Plädoyer für Marktwirtschaft statt Staatswirtschaft also. Die wirtschaftspolitische Kompetenz der CSU stellt das aber nicht in Frage. Fest steht: Bayern ist heute das wirtschaftsliberalste Bundesland und die Investitionen sind hier deshalb besonders hoch.

SZ: Ist die CSU-Landesgruppe bei all dem Zaungast? Man spürt nicht, dass Sie in der Krise Orientierung geben.

Hans-Peter Friedrich ist seit zwei Monaten Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag. (Foto: Foto: dpa)

Friedrich: Wir sind doch keine Zaungäste. Es gibt eine CSU-Politik, und die hat auf den verschiedenen staatlichen Ebenen verschiedene Aspekte. Aber wir gehören alle zusammen und tragen gemeinsam die Verantwortung für unser Erscheinungsbild. Die Landesgruppe ist dabei die Speerspitze der CSU in der Bundespolitik.

SZ: Stehen Sie in der Afghanistandebatte bei Horst Seehofer, der eine Aufstockung der Truppen quasi ausschließt? Oder beim Verteidigungsminister, der sich die Option erhalten möchte?

Friedrich: Da werden Gegensätze aufgebaut, wo keine sind. Eines ist doch klar: Erst kommt die Erstellung der Strategie, dann eine Entscheidung darüber, was wir für die Umsetzung dieser Strategie benötigen. Wenn wir jetzt alles ausschließen, dann würden wir uns für die Afghanistan-Konferenz in London Ende Januar jede Verhandlungsoption nehmen. Das ist keine verantwortungsvolle Position. Sollten wir für eine beschränkte Zeit mehr Soldaten brauchen, werden wir dafür öffentlich eintreten. Brauchen wir nicht mehr Soldaten, dann bin ich sehr froh darüber. Wichtig ist, dass das Afghanistan-Engagement wie in der Vergangenheit von der großen Mehrheit des Parlaments getragen wird. Das haben unsere Soldaten verdient.

SZ: Das Erscheinungsbild der Koalition ist bescheiden. In der Steuerpolitik ist es ihr gelungen, Entlastungen zu beschließen und trotzdem in die Kritik zu geraten. Warum regiert Schwarz-Gelb schlecht?

Friedrich: Wir regieren nicht schlecht. Wir haben sehr schnell umgesetzt, was wir im Koalitionsvertrag versprochen haben. Leider sind dabei Randthemen in der öffentlichen Wahrnehmung zu Hauptthemen geworden. Im Mittelpunkt stehen Entlastungen für Unternehmen und Familien. Das ist sehr gute Politik.

SZ: Die durch Entlastungen für die Hoteliers konterkariert wurde.

Friedrich: Wir haben das vor der Wahl versprochen und im Koalitionsvertrag vereinbart, daran halten wir uns selbstverständlich.

SZ: Welche Rolle spielt die Kanzlerin in dieser Regierung? Bislang bestimmt die FDP mehr die Inhalte als die CDU.

Friedrich: Für das Erscheinungsbild sind alle drei Parteien verantwortlich. Richtig ist, dass der neue Partner FDP am Anfang leichter Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die Kanzlerin hat sich auf die neue Situation längst eingestellt. In der großen Koalition war für sie jeder Tag ohne Konflikt mit der SPD ein guter Tag. Also hatte sie sich die Rolle der obersten Vermittlerin gegeben. In der schwarz-gelben Koalition muss sie entschlossener Linie und Kurs vorgeben. Sie muss an zentralen Stellen klarmachen, was sie möchte. Auf die Unterstützung der CSU für eine konsequente Umsetzung des Koalitionsvertrags kann sie sich dabei weiter verlassen.

© SZ vom 02.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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