CSU und das BayernLB-Desaster:"Gefühlt: 30 plus X"

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Nach dem Milliarden-Desaster der BayernLB-Tochter Hypo Group Alpe Adria müht sich die CSU um Ruhe - doch intern zittern die Konservativen vor der nächsten Umfrage. Ein Stimmungsbild.

Oliver Das Gupta

Seit Horst Seehofer an die Hebel der Macht gelangte, drückt ihn das Thema Bayerische Landesbank (BayernLB) mächtig. Der neue CSU-Chef und Ministerpräsident musste im Herbst 2008 erkennen, dass das staatseigene Geldhaus Milliarden bei windigen Geschäften versenkte. Es sollte noch schlimmer kommen.

Führt seit mehr als einem Jahr eine Volkspartei, die sich in desolatem Zustand befindet: CSU-Chef Horst Seehofer (Foto: Foto: ddp)

Seit kurzem weiß die Öffentlichkeit, dass ein weiterer stattlicher Batzen Steuergeld vernichtet wurde: Der Fall der BayernLB-Tochter Hypo Group Alpe Adria (HGAA) ist ein Desaster im Desaster - der Freistaat muss Verluste von mindestens 3,75 Milliarden Euro in Kauf nehmen.

In Kreuth droht das nächste Ungemach

Neben dem Bank-Debakel musste die durch diverse Wahlniederlagen ohnehin arg lädierte CSU auch noch den Erfolg des Bürgerbegehrens zum Nichtraucherschutz verkraften. Und Mitte Januar dräut Seehofer das nächste Ungemach: Während der Klausursitzung in Wildbad Kreuth veröffentlicht der Bayerische Rundfunk (BR) die Umfrage zur politischen Stimmung im Lande - die CSU könnte unter 40 Prozent rutschen. "In Kreuth wird's nervös", prophezeit ein Landtagsabgeordneter.

Ein Bankfiasko, desolate Staatsfinanzen, aufmüpfige Bürger, ein weiteres drohendes Umfragetief, dazu eine in den Grundfesten erschütterte Partei, in der man es nach wie vor noch nicht ganz fassen kann, dass die Zeiten jenseits der 50-Prozent-Marke vorbei sind: Schwierigere Umstände dürfte wohl noch kein CSU-Vorsitzender erlebt haben. Horst Seehofers Lage ist beispiellos - seine Reaktion fiel ebenso aus.

Der Ministerpräsident lässt über seinen Finanzminister Georg Fahrenschon mögliche Schadensersatzklagen gegen prominente Parteifreunde prüfen, die einst im BayernLB-Verwaltungsrat saßen und den Kauf der maroden HGAA abnickten. Wie sueddeutsche.de erfuhr, soll diese Prüfung bereits im Sommer begonnen haben. Das Finanzministerium bestätigte inzwischen auf Anfrage, dass die Düsseldorfer Anwaltskanzlei Hengeler Mueller "Ende Juli/Anfang August" mit der Causa beauftragt wurde. Es handelt sich um jene Juristen, die Siemens bei der Aufarbeitung der Korruptionsaffäre halfen und eine Fünf-Millionen-Euro-Zahlung mit Ex-Chef Heinrich von Pierer aushandelten.

Zu den Betroffenen zählen Seehofers Amtsvorgänger, Ex-Parteichef Erwin Huber und Ministerpräsident a. D. Günther Beckstein, zudem Georg Schmid, der aktuelle Vorsitzende der CSU-Fraktion im Landtag - lauter prominentes Personal, lauter Köpfe der goldenen Stoiber-Jahre.

Ungehöriger Schachzug

Vor mehr als einer Woche berichtete die Süddeutsche Zeitung über den bemerkenswerten Fall, heute legte die Bild-Zeitung nach - und kolportierte wütende und sorgenvolle Stimmen aus der Vorstandsetage. In zwei Tagen ist Weihnachten - und in der CSU liegen bei manchem die Nerven blank.

Namhafte Parteifreunde Seehofers empfinden seinen Schachzug schlichtweg als "ungehörig". Der CSU-Chef versuche mit der Ära Edmund Stoibers zu brechen - um sich vom Ruch des BayernLB-Desasters zu befreien. Der "große Vorsitzende" versuche vorzubauen und eine "Monokausalität" zu konstruieren, falls die Umfrage im Januar "nicht gut ausgeht", argwohnt ein CSU-Parlamentarier im Gespräch mit sueddeutsche.de.

Die Bild-Zeitung zitiert aufgebrachte CSU-Vorstandsmitglieder, die gar von "Kulturrevolution" und "Bürgerkrieg" schwadronieren. Aus der Landtagsfraktion wird darauf hingewiesen, dass die damals Verantwortlichen ihre Betroffenheit geäußert hätten, selbst Stoiber habe "Fehler" eingestanden.

Öffentlich halten sich die betroffenen CSU-Granden weitgehend zurück, was die anwaltliche Untersuchung angeht. Huber will den Vorgang nicht kommentieren, Beckstein sagte der SZ vor ein paar Tagen lediglich, Fahrenschon prüfe alles, das sei schließlich "seine Pflicht".

BayernLB
:Stationen eines Milliarden-Debakels

Die BayernLB ist zum Milliardengrab geworden. Auch wenn die Bank die marode Tochter HGAA los ist - für die CSU ist die Geschichte nicht zu Ende. Eine Chronologie in Bildern.

Dafür ließ Theo Waigel seiner Entrüstung freien Lauf. "Man darf die Integrität von Parteifreunden nicht öffentlich infrage stellen", polterte der Ehrenvorsitzende auf der letzten Vorstandssitzung in Richtung Seehofer, "Sie muss gewährleistet sein. Sonst zerreißt das die CSU."

Horst Seehofer
:Kennedy der CSU

A Watschn für die CSU bei der Bundestagswahl - und damit auch für Ministerpräsident Horst Seehofer. Der war vor ziemlich genau einem Jahr angetreten, um die Christsozialen in eine neue Hochzeit zu führen...

Der frühere Bundesfinanzminister weiß, wovon er spricht: 1993 stellte das Stoiber-Lager die Integrität des Schwaben in Frage, als es um die Neubesetzung des Postens des Ministerpräsidenten ging.

Da wurde in der Presse lanciert, dass der damals noch mit seiner ersten Frau verheiratete Waigel eine andere Beziehung habe - zu seiner heutigen Gattin Irene. Das Ergebnis: Die CSU kürte nicht den Parteichef Waigel, sondern Innenminister Stoiber zum Landesvater.

Dass nun ausgerechnet Waigel wortgewaltig das Personal seines großen Rivalen in Schutz nehme, zeige den Ernst der Lage, betont ein namhafter Christsozialer, der anonym bleiben will.

Waigels harsche Kritik im Vorstand hat sich Seehofer postwendend verbeten. Allerdings dürfte der zornige Widerspruch coram publico dem "großen Vorsitzenden" zu denken gegeben haben.

In den Reihen der Parteifunktionäre wird auf jeden Fall registriert, dass Seehofers Generalsekretär Alexander Dobrindt an diesem Dienstag im Münchner Merkur gleich zweimal erwähnt, dass es der CSU-Führung nicht um "Schuldzuweisungen" gehe.

Dobrindt spricht nun nur noch vom "Zur-Verantwortung-Ziehen in der Finanzbranche" und wettert gegen New Yorker Spekulanten und Banker-Boni - von bayerischen Politikern ist nicht mehr die Rede.

Distanzierung von der Ära Stoiber

Ein Christsozialer, der stets nahe beim "Edmund" war, vermutet, dass Seehofer zwischenzeitlich mit dem Gedanken spielte, eine "altneue CSU" begründen zu wollen. Grundlage wäre eine Distanzierung von der Ära Stoiber, so wie die SPD mit der Hinterlassenschaft der Kanzler-Jahre Gerhard Schröders ringt.

"Das würde nicht funktionieren", sagt der erfahrene Konservative. "Wenn man ein Erbe antritt, kann man nicht nur die Werte nehmen und die Schulden liegen lassen."

Wenn man sich in diesen Tagen mit CSU-Mitgliedern, mit Abgeordneten und Veteranen unterhält, ist oft von der Sehnsucht nach Harmonie und Geschlossenheit zu hören. Nach dem "Seuchenjahr" 2008, will man das kaum bessere 2009 abschließen.

Bloß kein neuer Krach, auch keine Personaldiskussion. Es ist eine Stimmung, die Seehofer schützt. "Sich gegen den Horst auflehnen?", fragt einer und winkt ab: "Da hat doch keiner die Kraft dazu."

Ob die harmonischen Töne in der CSU auch noch über die Jahreswende hinaus reichen, könnte maßgeblich von der BR-Umfrage abhängen, die am 13. Januar veröffentlicht wird. Falls die Partei, die bei der Landtagswahl 2003 noch mehr als 60 Prozent der Stimmen erhielt, nicht die 40-Prozent-Marke erreichen sollte, dürfte es Seehofer recht heiß werden im verschneiten Kreuth.

In der Landtagsfraktion rechnet man mit dem Schlimmsten: "Jeder, der draußen unterwegs ist und sich mit den Leuten unterhält, weiß, was Sache ist", orakelt ein CSU-Parlamentarier. "Derzeit fühlt es sich nach 30 plus X an."

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