Schwarz-Gelb und Europa:Raus aus der Defensive

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Die CDU und die schwarz-gelbe Koalition können so weitermachen wie bisher und die Wahlen verlieren - oder sie können mit den Themen Europa und Euro-Rettung doch noch Profil gewinnen und Tritt fassen. Nun haben es drei führende Christdemokraten endlich gewagt, klare Positionen in der Debatte zu beziehen, und auch der Rest der Koalition wird sich entscheiden müssen: Es ist ihre letzte Chance.

Stefan Braun

Die CDU und die schwarz-gelbe Koalition können natürlich so weitermachen wie bisher. Sie können sich nach zwei schlechten Jahren noch zwei schlechte Jahre weiterschleppen. Sie können dabei über eine Pkw-Maut streiten, über eine Steuersenkung und eine Kabinettsumbildung. Anschließend werden sie die Wahlen verlieren - und niemand wird sich wundern. Knopf dran, so kommt das, selbst in den eigenen Reihen glauben viele, dass sich daran nichts mehr ändern wird.

Europaflagge vor dem Reichstag in Berlin: Die schwarz-gelbe Koalition muss sich mit den Themen Europa und Gemeinschaftswährung ein neues Profil geben, wenn sie noch einmal Tritt fassen will. (Foto: dpa)

Und doch, sie könnten auch anders. Sie könnten sich ein anderes Profil geben, sie könnten sich wieder Gewicht verschaffen - sofern sie Mut und Gespür für den Augenblick haben. Kein Thema wird das Leben in Deutschland auf Dauer mehr beeinflussen als die Zukunft des Euro. Keine Aufgabe ist wichtiger als die Sicherung einer gemeinsamen europäischen Zukunft. Konrad Adenauer verdankt das Land die Westbindung, Willy Brandt die Ostpolitik, Helmut Kohl die Wiedervereinigung und den Euro. Sollte es den schwarz-gelben Streitmeiern doch noch gelingen, sich als überzeugte Europäer zusammenzuraufen, dann könnte aus einem missratenen Bündnis doch noch eine Regierung mit Ziel und Profil werden.

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Koalition erklärt, wie sie sich Europa in Zukunft vorstellt. Sie müsste über Europas Rolle in der Welt reden, über seine Stärken und seine Verantwortlichkeiten. Sie müsste also tun, was sie bislang nicht geschafft hat. Sie müsste ein Bild vom großen Ganzen entwerfen und so dem Kampf für den Euro die richtige Begründung liefern.

Stattdessen geht es seit anderthalb Jahren fast ausschließlich um den Geldbeutel der Deutschen. Und das ist ein schweres Versäumnis. Griechenland und anderen Südländern der EU zu helfen, ohne anzufügen, wie viel Deutschland beim Handel mit Europa, also auch mit Griechen, Portugiesen und Spaniern verdient hat - das ist so ungeschickt wie falsch. Denn dadurch bleiben nur die Kosten, also die Lasten der Deutschen im Blick. Der Boulevard hat es genossen, aber die Debatte verläuft verhängnisvoll.

Ein löchriger Kahn

Viel zu lange haben Merkel und Co. zugelassen, dass kaum jemand noch an die Vorteile eines starken, vereinten Europa denkt. Die Euro-Rettung findet als Abwehrschlacht statt, sie wird defensiv geführt. Deshalb hat sich der Eindruck festgesetzt, die Bundesregierung werfe sich in einem löchrigen Holzboot von einem Leck zum nächsten, während dieser Kahn langsam vollläuft. Man muss die Finanzmärkte und ihre Mechanismen nicht gutheißen, um zu verstehen, dass das die Spekulationen gegen einzelne Euro-Staaten nicht beenden dürfte. Und man muss die Ängste eines Wolfgang Bosbach vor dem finanziellen Ruin nicht teilen, um zu kapieren, dass so die Unterstützung für die Hilfspakete in Deutschland weiter bröckelt.

Am Wochenende haben drei Christdemokraten endlich den Versuch unternommen, die Debatte zu wenden. Wolfgang Schäuble, Ursula von der Leyen und Norbert Röttgen haben offengelegt, wo sie hin möchten. Alle drei wollen die politische Union vorantreiben, sie wollen mehr Integration in Europa, sie wissen um mögliche Konflikte mit den Koalitionspartnern und sprechen trotzdem aus, was sie für nötig halten. Sie wollen keine Getriebenen mehr sein, sondern führen. Sie nehmen ein Risiko in Kauf, statt in der Defensive zu versinken.

Damit tun sie ihrer Partei einen größeren Gefallen als alle Kritiker, die im Sommer über zu wenig Profil, zu wenig CDU, zu wenig Kampfgeist geklagt haben. Wann, wenn nicht jetzt muss die Europapartei CDU aussprechen, wie sie sich ihr Europa vorstellt? Dabei fällt auf, dass die drei nicht mehr mit dem Frieden in Europa argumentieren, sondern mit der Globalisierung. Alle drei halten ein Mehr an Integration für zwingend, weil sie die Überzeugung teilen, dass nur ein starkes, vereintes, solidarisches Europa in einer Welt mit China, Brasilien, den USA oder Indien seinen Wohlstand und seine Werte verteidigen kann. Man muss diese Position nicht teilen. Aber man muss sich endlich mit ihr auseinandersetzen.

Wer sich ein starkes, vereintes Europa zum Ziel setzt, kann weder auf eine Rückkehr zur Mark noch auf eine Verkleinerung der Euro-Zone setzen. Es bleiben nur die Versuche, einen strikten Kampf gegen die Schulden zu führen; erst über Freiwilligkeit, und wenn das nicht reicht, auf dem Wege des Zwangs. Dass die gemeinsame Währung eingeführt wurde, ohne auch die Finanzpolitik zu vergemeinschaften, war von Anfang an ein Fehler. Dieses Problem muss behoben werden. Also ist es richtig, dass mit Schäuble, von der Leyen, Röttgen führende Christdemokraten die Diskussion mit klaren Positionen begonnen haben.

Damit werden sich auch Liberale und Christsoziale entscheiden müssen. Gerade in deren Reihen gibt es viele, die bislang vor allem über Geld reden und den Verlust von Kompetenzen ablehnen. Erste Reaktionen zeigen, dass vor allem die CSU mit den CDU-Zielen größere Probleme bekommen wird. Die Koalition steht wieder vor einem heißen Herbst: Europa und die Rettung des Euro ist ihre größte Aufgabe - und ihre letzte Chance.

© SZ vom 30.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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