Union:Merkel verliert an Macht

Union: Dass Kanzlerin Merkel den Absturz der Union bei der Bundestagswahl zunächst schöngeredet hat, hängt ihr nun um wie ein Mühlstein.

Dass Kanzlerin Merkel den Absturz der Union bei der Bundestagswahl zunächst schöngeredet hat, hängt ihr nun um wie ein Mühlstein.

(Foto: AFP)

Noch vor zwei Jahren galt die Kanzlerin in der CDU als Unfehlbare. Die Pleiten der CDU bei den Landtagswahlen 2016 haben bereits an diesem Nimbus gekratzt, jetzt hat sie ihn endgültig verloren.

Kommentar von Robert Roßmann

Es ist zwar nur ein Foto in einem Tweet, aber manchmal sagt ein Bild mehr als tausend Worte. Und so war es auch am Sonntagabend. Da twitterte Jens Spahn ein Foto von Sebastian Kurz und sich, bei der ÖVP-Siegesfeier. Kaum jemand hat sich stärker gegen Angela Merkel profiliert als Kurz. Der Kampf des ÖVP-Chefs gegen eine Flüchtlingspolitik à la Bundeskanzlerin hat maßgeblich dazu beigetragen, dass er jetzt selbst Kanzler werden kann. Und mit diesem Herrn feiert Spahn - der bekannteste Merkel-Antipode in der CDU - in Wien, während die Union in Hannover ihre Wunden leckt? Wenn das keine Kampfansage an die Kanzlerin ist.

Merkels CDU ist in Niedersachsen von der SPD überholt worden, obwohl sie in den Umfragen zeitweise 14 Prozentpunkte vor den Sozialdemokraten lag. Gleichzeitig hat die nach rechts gerückte ÖVP von Sebastian Kurz deutlich zugelegt und die SPÖ deklassiert. Spahn und andere in der CDU, die CSU sowieso, sehen darin einen Fingerzeig für den Kurs der Union in Deutschland: Merkel müsse endlich die rechte Flanke der Union schließen, nur so könne die CDU zurück zu alter Stärke finden. Der Richtungsstreit in der Union, den Merkel mit der Verständigung zur Flüchtlingspolitik vor einer Woche beilegen wollte, ist schon wieder ausgebrochen. Noch nie in ihrer langen Kanzlerschaft stand die CDU-Chefin derart unter Druck wie jetzt. Und selten hat sie so wenig Gespür für ihre Partei gezeigt wie in diesen Tagen.

Noch nie stand die Kanzlerin so unter Druck wie heute

Dass Merkel den Absturz der Union bei der Bundestagswahl zunächst schöngeredet hat, hängt ihr um wie ein Mühlstein. Es hat den Eindruck bei vielen in der CDU, die Kanzlerin lebe in einem eigenen Kosmos, noch verstärkt. Da hilft es Merkel auch nicht, dass sie die Äußerungen inzwischen relativiert hat. Geblieben ist der Eindruck, dass an der CDU-Spitze eine "Weiter so"-Kanzlerin sitzt, die ihrer Partei das "Ich habe verstanden" verweigert.

Auch die Antwort Merkels auf die Frage, wie man die AfD politisch niederringen könne, hat einen schalen Beigeschmack. Die Kanzlerin sagt im Prinzip, die Regierung müsse die Probleme der Bürger lösen, das sei das beste Rezept gegen Rechtspopulisten. Das stimmt zwar. Aber wer regiert denn seit zwölf Jahren? Und warum sind die Probleme nicht längst gelöst? Merkels Analyse ist deshalb auch das Eingeständnis schwerer Versäumnisse. Der Bundestagswahlkampf war für die Kanzlerin ein Rendezvous mit der Wirklichkeit. Merkel schien ernsthaft überrascht zu sein von den Zuständen in Pflegeheimen, den Sorgen vieler Rentner oder der Brisanz der explodierenden Mieten in Städten und der wegbrechenden Infrastruktur auf dem Land. Das ist ein Armutszeugnis für die CDU-Chefin.

Es ist gut, dass Merkel sich jetzt um all das kümmern will. Und es ist zu begrüßen, dass sie erklärt hat, ihre Partei müsse sich stärker sozialen Fragen widmen. Aber man würde gerne wissen, warum der Kanzlerin diese Erkenntnis erst jetzt kommt. Auch bei der Flüchtlingspolitik hat es zu lange gedauert, bis Merkel das Ordnen und Steuern genauso betont hat wie die Willkommenskultur. Diese Sturheit war ein Konjunkturprogramm für die AfD. Wenn Merkel Pech hat, wird sie in die Geschichtsbücher auch als die Kanzlerin eingehen, in deren Ära sich eine Partei rechts von der Union etabliert hat. Immerhin hat es die AfD in Niedersachsen gerade geschafft, zum 14. Mal in Folge in einen Landtag einzuziehen. Und im Bundestag stellt sie die drittstärkste Fraktion.

Einen Merkel-Herausforderer gibt es nicht

Es gibt zwar gute Argumente für Merkels Widerstand gegen eine Kursänderung. Das Ergebnis von Österreich zeigt ja, dass ein Rechtsruck kein Allheilmittel gegen den Rechtspopulismus ist. Die FPÖ ist doppelt so stark geworden wie die AfD in Deutschland. Und die ÖVP hat zugelegt, sie hat aber immer noch ein schlechteres Ergebnis erzielt als die Union bei der Bundestagswahl. Aber reicht das, um den Streit in der CDU zu befrieden?

Bis vor zwei Jahren galt Merkel in der CDU als Unfehlbare. Viele verstanden zwar ihre oft überraschenden Kurswechsel nicht, aber der Erfolg schien der Kanzlerin immer wieder recht zu geben. Diese Aura der Unfehlbarkeit hat Merkel spätestens seit den Pleiten der CDU bei den Landtagswahlen im Frühjahr 2016 verloren. Jetzt erodiert sogar ihre Macht. Wenn es in der CDU einen erfolgversprechenden Herausforderer geben würde, müsste Merkel anfangen, sich Sorgen zu machen. Aber so einen Herausforderer gibt es nicht. Es gibt ja noch nicht einmal einen groben Konsens über den nötigen Kurs. Das zeigt schon ein Blick auf die CDU-Ministerpräsidenten. Zwei von ihnen halten es inhaltlich eher mit Spahn und der CSU. Die anderen stützen Merkels Linie. Die CDU ist bis ins Mark verunsichert. Und schuld daran trägt auch die Vorsitzende.

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