Einigung beim EU-Gipfel in Brüssel:Europa tritt auf die Schuldenbremse

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Die EU verpflichtet sich zu striktem Sparen: Mit Ausnahme der Tschechen und Briten verständigen sich alle Mitglieder auf einen Fiskalpakt, der eine Schuldenbremse und automatische Sanktionen gegen Defizitsünder vorschreibt. Bundeskanzlerin Merkel lobt das Ergebnis als wichtigen Schritt hin zur Stabilitätsunion. Bei den Themen Wachstum und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bleibt der Gipfel jedoch hinter den Erwartungen zurück.

Martin Winter, Brüssel

Alle EU-Staaten außer Großbritannien und überraschend auch Tschechien haben am Montagabend einen Sparpakt für mehr Haushaltsdisziplin vereinbart. Die 25 Länder verpflichteten sich in diesem Fiskalpakt zum Sparen und zur Einführung einer Schuldenbremse. Unter dem Druck europaweiter Kritik hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel zuvor die Idee aus dem Berliner Finanzministerium fallengelassen, Griechenland einen Sparkommissar zu verordnen.

Nach Angaben des Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, werden neben den 17 Euro-Staaten auch acht der Länder, die die gemeinsame Währung noch nicht haben, den Fiskalpakt unterschreiben. Er konnte beschlossen werden, nachdem Nicht-Euro-Ländern wie Polen zugesagt worden war, dass sie mindestens einmal im Jahr an den Gipfeln der Euro-Gruppe teilnehmen können. Der Pakt soll mehr Haushaltsdisziplin und mehr wirtschaftspolitische Koordinierung in die Währungsunion bringen.

Die Staaten akzeptieren damit eine schärfere Haushaltskontrolle durch die EU sowie Maßnahmen gegen Schuldensünder. Kanzlerin Merkel lobte den Pakt als "einen wichtigen Schritt zu einer Stabilitätsunion". Tschechiens Regierung habe "verfassungsrechtliche Vorbehalte", sagte Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy.

Die EU-Staats- und Regierungschefs verständigten sich außerdem auf den permanenten Euro-Rettungsschirm ESM. Der Mechanismus trete von Juli an in Kraft, teilten EU-Vertreter am Montag mit. Der Vertrag werde später unterzeichnet. Der Fonds soll mit einer Kapazität von 500 Milliarden Euro ausgestattet werden und den bisherigen Rettungsschirm EFSF ablösen.

Die in einem Papier des deutschen Finanzministeriums verbreitete Idee, einen europäischen "Haushaltskommissar" mit direkten Eingriffsmöglichkeiten in Athen zu installieren, wurde in scharfer Form kritisiert. Griechenland müsse Bedingungen zwar erfüllen, sagte der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann. "Aber beleidigen muss man niemanden in der Politik." Allerdings müsse die Frage nach "zusätzlichen Überwachungsmaßnahmen" gestellt werden, wenn Athen seine Verpflichtungen gegenüber den Kreditgebern nicht erfülle, schränkte Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker seine Kritik an Berlin ein.

Sarkozy gegen Vormundschaft über Griechenland

Bis Mitte Februar soll das zweite Hilfspaket für Athen geschnürt werden. Sarkozy sprach sich dagegen aus, einem hochverschuldeten Land die Hoheit über seine Haushaltspolitik zu entziehen. Merkel hatte zuvor eingelenkt und gesagt, dies sei eine "Diskussion, die wir nicht führen sollten". Sorge bereitet auch das hochverschuldete Portugal, das wieder ins Visier der Anleger geraten ist.

Zu Beginn des Gipfels warnte der neue Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), vor einer "Spaltung der EU". Er forderte, dass das Parlament "gleichberechtigt mit den anderen Institutionen" an den Verhandlungen über die Euro-Krise beteiligt wird.

Beim Hauptthema des Gipfels, dem Wachstum und der Arbeitslosigkeit, blieben die Staats- und Regierungschefs hinter den Erwartungen zurück. Anders als in den vorab besprochenen Papieren vorgesehen, einigten sie sich nur ganz allgemein darauf, vor allem die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, das Wachstum zu fördern und europäische Strukturmittel gezielter zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen einzusetzen. Wie viel Geld dafür zur Verfügung stehen soll, blieb offen. Darüber soll erst auf dem nächsten Gipfel geredet werden, der am 1. März stattfindet.

© SZ vom 31.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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