Bundespräsident: Die Linke:Erst beleidigt, dann wütend

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SPD und Grüne keilen gegen die Linkspartei, weil die ihren Kandidaten Gauck verhindert hat. Die Linken reagieren wütend - selbst der pragmatische Linke Bodo Ramelow ist empört über die Vorwürfe.

Gökalp Babayigit

Nachher ist man ja immer schlauer. Sollen wir nun Joachim Gauck mitwählen oder nicht, hat sich die Linke wohl vor der Abstimmung am Mittwoch gefragt. Können wir - gemeinsam mit SPD und Grünen - für eine Überraschung sorgen und die schwarz-gelbe Koalition noch tiefer in die Krise stürzen, indem wir Wulff verhindern? Indem wir dem Mann unsere Stimme geben, der doch so hart mit uns ins Gericht gegangen war in den Wochen vor der Wahl?

Für Bodo Ramelow, den Fraktionschef der Linken im thüringischen Landtag, ist Joachim Gauck schlicht nicht wählbar gewesen. (Foto: dpa)

Alle Gedankenspiele waren am Ende ja doch vergebene Liebesmüh: Denn auch wenn die Linke im dritten Wahlgang der 14. Bundesversammlung geschlossen für Gauck gestimmt hätte: Es hätte immer noch nicht gereicht.

Aber so einfach ist die Sache nicht.

Die Entscheidung der Linken, sich im dritten Wahlgang zu enthalten und Gauck die Stimmen zu verweigern, wird eben nicht als wenig bedeutsame Fußnote dieser Wahl in die Geschichte eingehen. Die Linke, so der kopfschüttelnde Kommentar von SPD und Grünen, habe gestern eine Chance vertan, auf die möglichen Koalitionspartner zuzugehen.

Die Partei sei noch immer in ihrer Vergangenheit gefangen und von einer Gestaltungskraft auf Bundesebene weit entfernt, sagte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Die Entscheidung gegen eine "große Mehrheit der Bevölkerung kann ich nicht als Politikfähigkeit verstehen", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth. Ko-Chef Cem Özdemir erklärt im Video-Interview mit sueddeutsche.de: "Die Linke hat eine Chance verpasst".

Davon wollen die Linken aber nichts hören. Wenn sie in den vergangenen Wochen latent beleidigt geklungen hatten, weil SPD und Grüne keinerlei Gespräch über einen gemeinsamen Kandidaten der Opposition gesucht hatten, so klingen sie am Tag nach der Wahl - und nach den Anschuldigungen - nur noch wütend.

"Erst stellen sie einen Kandidaten auf, der mit uns überhaupt nicht besprochen ist, und dann meinen sie, dass wir über das hingehaltene Stöckchen springen", zürnt selbst der gemäßigte Linken-Politiker Bodo Ramelow im Gespräch mit sueddeutsche.de. Der Fraktionschef im Thüringer Landtag hielt die Bundespräsidentenwahl schlicht für nicht geeignet, die Annäherung an SPD und Grünen voranzutreiben. Das liegt nicht nur daran, wie Sozialdemokraten und Grüne den Kandidaten Gauck bestimmt haben, nämlich ohne ein Wort mit der dritten Oppositonspartei im Bundestag zu sprechen. Sondern das liegt auch an dem Kandidaten selbst.

Die Annäherung bleibt notwendig

Gauck habe immer gesagt, dass er kein Parteienvertreter sein wolle. "Die Linke aber hat er als überflüssige und reaktionäre Partei bezeichnet, die nicht im europäischen Haus der Demokratie angekommen sei. Wie ich das jedem dritten Wähler in Thüringen erklären soll, bleibt das Geheimnis von Herrn Gauck", sagt Ramelow. Vor drei Wochen, da hätte er sich Gespräche gewünscht. "Dann wäre ich gespannt gewesen, ob meine Delegation in geheimer Abstimmung einen gemeinsamen Kandidaten getragen hätte. Das wäre der Tauglichkeitstest meiner Partei gewesen." Aber diese Gespräche hätten ja erst zwischen zweitem und dritten Wahlgang stattgefunden. Zu spät.

Im linken Lager also nichts Neues? Hat sich die Linke mit ihrem Abstimmungsverhalten nun vollends der Oppositionsrolle verschrieben, wie manche in der SPD und bei den Grünen urteilen? Ramelow relativiert. Die Enthaltung im dritten Wahlgang sei keine Absage an die SPD in Gänze gewesen. Die Annäherung an die SPD ist für ihn lediglich verschoben.

Wenn man die polternden Kommentare mancher Linken-Politiker für einen Moment ausblendet, wird auch deutlich: In der Partei hat es während der Bundesversammlung auch mächtig rumort. Die Beratungen der Linken-Delegation zwischen zweitem und drittem Wahlgang haben von allen am längsten gedauert. "Es gab auch Vertreter, die gesagt haben, man müsse auch das Projekt Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün im Blick haben", sagt Ramelow. "Die Notwendigkeit einer Annäherung hat sich gestern deutlich gezeigt."

SPD und Grüne haben mit der Bundespräsidentenwahl und ihrem Kandidaten Gauck aber offensichtlich den falschen Ort und den falschen Mann dafür auserkoren.

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