Alexander Dobrindt:"CDU und CSU sind eine Schicksalsgemeinschaft"

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CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. (Foto: REUTERS)
  • Der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel warnt vor den Folgen eines Koalitionsbruchs.
  • Für CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sind CDU und CSU eine "Schicksalsgemeinschaft". Sein Parteichef Seehofer zeigt sich derweil "ratlos", was Kanzlerin Merkel angeht.
  • Wirtschaftsvertreter zeigen sich besorgt über den Asylstreit in der Koalition. BDI-Chef Dieter Kempf wünscht sich mehr "Teamgeist".

Die Spitzen von CDU, CSU und SPD kommen am Dienstagabend mitten im erbitterten Asylstreit zu einer Sitzung des Koalitionsausschusses zusammen. Eingerahmt vom EU-Sondertreffen am vergangenen Sonntag und dem EU-Gipfel am kommenden Donnerstag und Freitag wollen die Koalitionäre beraten. Bisher ist keine Lösung in den Streitfragen in Sicht.

Der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel warnt vor unkalkulierbaren Folgen für Deutschland und Europa, sollte es wegen des Asylstreits zum Koalitionsbruch kommen. "Man fragt sich: Sind die völlig wahnsinnig?", sagte Gabriel in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. "Ausgerechnet ich als Sozi sage: Ich kann nur hoffen, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt." Ihr Gespür für das deutsche Gewicht in Europa und das europäische Gewicht für Deutschland fehle anscheinend den meisten anderen.

"'Bavaria first' lautet der Slogan der CSU", sagte Gabriel mit Blick auf die bayerische Landtagswahl im Herbst und den Versuch, die AfD klein zu halten. "Das ist hochriskant, und die CSU wird nicht dafür belohnt, wenn sie diese Bundesregierung zerstört und Deutschland und Europa ins Chaos stürzt."

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Das sieht man womöglich auch in der CSU so. Von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kommen kurz vor dem Koalitionstreffen jedenfalls versöhnliche Töne. Er legte in Berlin ein klares Bekenntnis zum Fortbestand der Fraktionsgemeinschaft der Unionsparteien ab. "CDU und CSU sind eine Schicksalsgemeinschaft", so Dobrindt. Er habe dies immer so verstanden, und dies treffe auch heute noch zu, sagter er. Bei einer Sitzung der CSU-Landesgruppe am Montagabend habe er auch erklärt, die CSU werde den "politischen Fehler nicht wiederholen, dass wir einen Dissens offen im Raum stehen lassen".

Auf die Nachfrage, ob der Begriff Schicksalsgemeinschaft sich auch auf die Kanzlerin erstrecke, sagte Dobrindt: "Ich bilde persönlich maximal mit Horst Seehofer eine Schicksalsgemeinschaft."

CDU-Vize Armin Laschet hatte am Montag auf die Frage, wie schnell die CDU einen Landesverband in Bayern gründen könne, mit einem Wort geantwortet: "schnell". Als Reaktion darauf sagte Dobrindt am Dienstag: "Den Hinweis von Herrn Laschet, den habe ich überhört. Wenn er mich schrecken würde, hätte ich ihn nicht überhört."

Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer äußerte derweil sein Unverständnis über Merkel. Er verstehe nicht, dass die Kanzlerin seinen Masterplan Migration wegen eines "technischen Details" scheitern lassen könnte, sagte Horst Seehofer Focus Online. "Wir sind ja im Ziel einig, es geht lediglich um das Verfahren - mir erklärt sich der Widerstand nicht und macht mich ratlos." Einen baldigen Bruch der Regierungskoalition nannte Seehofer "weltfremd".

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder reagierte bei einer Pressekonferenz eher schmallippig auf die Frage, ob er im Flüchtlingsstreit zum Bruch des Bündnisses mit der CDU bereit ist. Er habe dazu alles gesagt, erklärt der CSU-Politiker.

Keine Rezession, aber Schwächung der Wirtschaft

Verdi-Chef Frank Bsirske fordert ein sofortiges Ende des Streits zwischen CDU und CSU. "Die sollen an ihre Aufgaben rangehen und regieren statt sich selbst zu zerfleischen", sagt der Gewerkschafter der Passauer Neuen Presse. "Das tut dem Land nicht gut." Vor allem kritisiert er den Bundesinnenminister. Seehofer solle aufhören, "Symbolpolitik zu betreiben".

Auch führende Wirtschaftsvertreter zeigen sich anlässlich des Streits in der Union beunruhigt. BDI-Chef Dieter Kempf sagte der Süddeutschen Zeitung: "Mich besorgt, dass in zentralen Fragen immer mehr Uneinigkeit zwischen den Koalitionären hervortritt." Gerade jetzt sei Teamgeist gefragt. Die Bundesrepublik, warnt Kempf, müsse strategie- und handlungsfähig sein, wenn sie beim EU-Gipfel mitverhandelt. "Die Weiterentwicklung der Europäischen Union ist für Deutschland sowohl politisch als auch wirtschaftlich von überragender Bedeutung." Schließlich gehe es um den "Heimatmarkt". Das sei die EU.

Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sagte, ein Regierungsbruch würde "nicht abschätzbare, schwerwiegende gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen" bergen. Eine neuerliche Phase der Ungewissheit und des politischen Stillstandes sei Gift für die Betriebe und die Wirtschaft insgesamt. Die Empfehlung des Handwerks ist eindeutig: sich zusammenreißen. "Macht- und parteipolitisches Taktieren darf nicht Oberhand gewinnen."

Eine Rezession ist allerdings aus Sicht von Ökonomen nicht das größte Risiko: "Ein Zusammenbruch der Bundesregierung würde sicherlich keine Rezession der Wirtschaft auslösen", sagt Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin. "Aber sie würde die deutsche Wirtschaft schwächen und viele der Probleme Europas blieben erst einmal ungelöst."

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