Zuzug:Landrat appelliert: Bürger sollen nicht gegen jeden Neubau protestieren

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Auf dem Milchhäusl-Grundstück an der Hauptstraße plant Münsing einen bis zu 14 Meter hohen Neubau mit zwölf sozial geförderten Wohnungen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Gemeinden müssen im Inneren höher und dichter bebaut werden, sagt Josef Niedermaier, um dem Zuzug gewachsen zu sein. Sonst müssten Grünflächen zubetoniert werden.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Das Muster wiederholt sich: Soll im Landkreis neuer Wohnraum im größeren Stil entstehen, Baulücken geschlossen, sprich verdichtet werden, regt sich Protest. Beispiel Münsing: Auf dem "Milchhäusl-Grundstück" an der Hauptstraße plant die Kommune einen bis zu 14 Meter hohen Neubau mit zwölf sozial geförderten Wohnungen plus Laden. Das alte Haus mit Gemüsegeschäft soll abgerissen werden. Die Nachbarn kritisieren die Dimensionen von Anfang an.

In der Münsinger Bürgerversammlung vom Dienstag meldete sich Bernhard Felsch zu einem weiteren umstrittenen Bauvorhaben zu Wort. Er kritisierte die Pläne der Volks- und Raiffeisenbank für einen Neubau der Filiale mit zwölf Wohnungen am Dorfplatz als zu hoch und zu wuchtig. Er sieht den ländlichen Charakter gefährdet: "Der Gemeinderat hat den Vorbescheid im Parforceritt durchgewunken."

Für Bürgerversammlungen, wie hier 2017, und Vereinsaktivitäten steht der Gemeindesaal vorerst nicht mehr bereit. (Foto: Hartmut Pöstges)

Landrat Josef Niedermaier (FW) nutzte den Abend, um an die Bürger zu appellieren. "Das Urwesen der Demokratie ist es, dass Mehrheitsentscheidungen auch umgesetzt werden." Das möge zwar nicht jedem gefallen, aber der Mehrheit. Es sei eine Untugend, dass oft juristisch versucht werde, gegen demokratische Entscheidungen vorzugehen. "Wenn es Wohnraum geben soll, werden die künftigen Häuser höher sein als bisher, wollen wir nicht alle freien Flächen zubetonieren", erklärte er. Der Landkreis sei gerade auch im Norden ein Zuzugsgebiet. Um den dringend benötigten günstigen Wohnungen anbieten zu können, brauche es andere Wohn- und Bauformen.

An zu wenig Wohnraum mangelt es aus Sicht von Landrat Niedermaier nicht. In Bayern sei die Fläche pro Kopf seit 1988 von damals 34 auf jetzt knapp 50 Quadratmeter angestiegen. Gleichzeitig sei die landwirtschaftlich genutzte Fläche um 20 Prozent zurückgegangen. "Die Kurven gehen auseinander. Das muss uns zu denken geben." Der Wandel sei jedenfalls gesetzt. Der Kreis werde sich verändern.

Worauf der Landrat anspielt, ist das Bevölkerungswachstum in den nächsten beiden Jahrzehnten: Bis 2035 soll die Einwohnerzahl laut Prognose des Statistischen Landesamts von derzeit 124 900 auf dann 136 900 zunehmen. Der Zuwachs entspricht den Dimensionen einer Ortschaft zwischen Lenggries und Bad Tölz.

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In der Münsinger Bürgerversammlung am Dienstag dominierte ein weiteres Bauvorhaben, gegen das Nachbarn vehement protestieren - das in Ambach geplante Seniorenstift des "Kuratoriums Wohnen im Alter" (KWA). Es ist das derzeit wohl umstrittenste Projekt in der Kommune. Erst kürzlich hat der Gemeinderat einen Grundsatzbeschluss gefasst, auf Basis einer Machbarkeitsstudie mit 80 Wohnungen weiter zu planen. Ostuferschutzverband und Initiative Ambach protestieren weiter - nicht zuletzt wegen der Dimensionen. Sogar ein Antrag von Fritz Noppes aus Degerndorf für einen Runden Tisch mit Kritikern, KWA und Gemeinderat fällt durch. Nur 34 von 95 Anwesenden sind dafür.

Die Reaktion von Münsings Bürgermeister Michael Grasl: Das bedeute nicht, dass der Gemeinderat die Idee verwerfen werde. Weder das KWA noch das Gremium hätten Probleme mit Gesprächen, wenn diese zur Annäherung führten. Sollte der Ratsbeschluss aufgehoben werden und es doch zu einem Architektenwettbewerb kommen, werde es eine Jury geben. "Dann entscheiden nicht die Nachbarn, Befürworter oder Gegner, sondern ein unabhängiges Gremium vor dem endgültigen Votum des Gemeinderats." Der Gemeinderat könne aber auch Varianten von KWA anfordern, bis eine gefalle. "Lassen Sie uns doch wirklich Zeit", appellierte Grasl - und kündigte auch ein Bebauungsplanverfahren an.

Gustav Neumeister vom Ostuferschutzverband fragte, ob ein solches Projekt, das sich nur alte Menschen mit genügend Geld leisten könnten, überhaupt das Richtige sei. Ob das Vorhaben in das Landschafts- und Ortsbild passe. Und wie sich das Vorgehen, ohne Not einen Bebauungsplan für Wohnraum im Außenbereich zu machen, damit vertrage, dass Einheimische große Schwierigkeiten hätten, zu bauen. Landrat Niedermaier widersprach vehement: "Das ist kein Außenbereich. Jeder, der etwas anderes sagt, sagt rechtlich etwas Falsches."

© SZ vom 01.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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