Asyl-Planungsstopp:Wolfratshausen fordert Schadenersatz

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Die Stadt droht auf einem sechsstelligen Betrag sitzen zu bleiben. Von Sonntag an müssen viele Flüchtlinge nach Geretsried umziehen. Die Sporthalle in Icking wird geräumt.

Von Benjamin Engel und Felicitas Amler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Nach der Kehrtwende des Freistaats bei der Unterbringung von Flüchtlingen fordert die Stadt Wolfratshausen Schadensersatz. Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) empört sich, dass der Freistaat künftig verstärkt auf Gemeinschaftsunterkünfte setzen will. Die Stadt habe zur Planung von dezentralen Unterkünften bereits einen sechsstelligen Betrag ausgegeben, erklärt er. Die Summe müsse der Stadt ersetzt werden. Darauf werde er pochen. Wolfratshausen habe bisher nur im Sinne der Regierung gehandelt. Derzeit lebten um die 200 Asylbewerber im Stadtgebiet in dezentralen Unterkünften. Probleme habe es nicht gegeben. Bei Gemeinschaftsunterkünften fürchtet Heilinglechner eine Gettoisierung.

Die Stadt selbst hat auf drei Grundstücken langfristige Projekte geplant. In Häusern mit Holzständer- oder Steinbauweise könnten für maximal zehn Jahre Flüchtlinge unterkommen. Danach war sozialer Wohnungsbau angedacht. Hinzu kommen zwei Areale, auf denen sogenannte Mobile Homes oder Containerlösungen bis zu drei Jahre lang Platz finden könnten. Heilinglechner betont, dass er die Projekte erst einmal auf Eis legen werde. Über das weitere Vorgehen werde er mit dem Stadtrat debattieren. Eventuell könnte eine Nutzung für sozialen Wohnungsbau vorgezogen werden. Die mobilen Unterkünfte kämen wohl nicht mehr infrage.

Der Wolfratshauser Bürgermeister kann nicht nachvollziehen, wie die Regierung vorgegangen ist. Erst habe sie großen Druck auf die Kommunen erzeugt, Unterkünfte zu schaffen, und Privatleute ermutigt, dies ebenfalls zu tun. Jetzt heiße es, das brauche man nicht mehr. Er kündigt an, nicht mehr mitspielen zu wollen, sollte Wolfratshausen irgendwann aufgefordert werden, wieder mehr Unterkünfte für Asylbewerber zu schaffen. "Das ewige Hü und Hott ist keine Lösung."

Das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen beginnt derzeit in Münsing, Königsdorf und Icking, die neuen staatlichen Maßgaben für die Unterbringung Asylsuchender umzusetzen. Die ersten Flüchtlinge werden schon in wenigen Tagen, am 8. und 9. Mai, ihre bisherigen Bleiben verlassen. Von den 23 Menschen, die noch im Münsinger Gemeindesaal wohnen, müssen acht nach Geretsried wechseln, wo ein Teil des ehemaligen Filigran-Gebäudes an der Blumenstraße bezogen wird, 15 werden an den Fasanerieweg in Münsing gebracht. Für die neue Geretsrieder Unterkunft stellt Suzan Jarrar, Ehrenamtskoordinatorin im Integrationsprogramm der Stadt, gerade den Helferkreis zusammen. Die Turnhalle des Ickinger Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums soll am 9., 10. und - mit einem Tag Pause - am 12. Mai geräumt werden. Die 51 Flüchtlinge werden von dort ebenfalls in das Gebäude an der Geretsrieder Blumenstraße wechseln.

"Das ewige Hü und Hott ist keine Lösung", sagt Klaus Heilinglechner. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Astrid Barbeau, Direktorin des Gymnasiums, sagt, nach dem Auszug der Flüchtlinge baue das Landratsamt die Halle noch zurück, so werde etwa der Messeboden entfernt. Ihr sei gesagt worden, zur Abitur-Feier am 24. Juni könne das Gymnasium die Turnhalle wieder nutzen. Sie sei sehr froh darüber, denn der Verzicht auf die Halle sei mit einem enormen organisatorischen Aufwand verbunden gewesen.

Noch 23 Asylbewerber sind derzeit in der Stockschützenhalle in Königsdorf untergebracht. In wenigen Tagen werden sie in eine Unterkunft am Roßmoosweg im Ort umziehen.

Eine Befürchtung, die am Montag im Kreisausschuss des Kreistags aufgekommen war, hat sich nicht bewahrheitet. Dort hatte Helga Happ, Leiterin der Abteilung Soziale Angelegenheiten im Landratsamt, davon gesprochen, die beiden Neubauten am Geretsrieder Schulzentrum für 250 Menschen seien der Regierung von Oberbayern als Erstaufnahmeeinrichtungen angeboten worden. Dies sei ein Versprecher gewesen, stellte Happ am Dienstag klar: Sie habe "Gemeinschaftsunterkunft" (GU) sagen wollen. Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen sei nämlich einer der ganz wenigen, die bisher keine einzige GU hätten. Diese steht immer unter der Verwaltung der Regierung. Nach außen hin, also für Bürger, würde sich dies kaum bemerkbar machen, sagt Happ, "auch die Regierung kommt nicht ohne ehrenamtliche Helfer aus". Aber für das Landratsamt wäre es eine kleine Entlastung, wenn eine Asyl-Unterkunft aus seiner Verwaltung genommen würde: "Dann hätten wir wenig damit zu tun." Ob es in Geretsried dazu komme, sei noch völlig offen.

© SZ vom 04.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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