Merkel im Bierzelt:Ein Prosit der Versöhnlichkeit

  • Ex-Präsident Obama, Nato, G7-Gipfel - und nun ein Bierzelt in München-Trudering: Angela Merkel muss in diesen Tagen nicht nur internationale Krisen bewältigen.
  • CDU und CSU wollen nach monatelangem Streit um die Flüchtlingspolitik die Geschlossenheit in der Union demonstrieren.
  • Zu dem Auftritt kommen mehr als 2300 Menschen - die Betreiber der Fahrgeschäfte beim Volkfest lässt das unbeeindruckt.

Von Tom Soyer und Wolfgang Wittl

Ein paar Menschen gibt es tatsächlich noch auf dem Truderinger Festplatz, die lässt der Trubel um Angela Merkel kalt. Sie sitzen im Schatten ihrer Kassenhäuschen und beobachten das Spektakel aus der Ferne. Dass die Bundeskanzlerin und CSU-Chef Horst Seehofer ihre Einigkeit nur wenige Schritte weiter zelebrieren, im Bierzelt nebenan? "Deshalb fahren bei mir hier auch nicht mehr Leute", sagt Kurt Geier, der Besitzer eines Autoscooters. Peter Lechner sieht es ähnlich. Weder leide sein Geschäft, noch profitiere er vom Besuch der Politiker. Und: "Irgendwo müssen sie ja Wahlkampf machen."

Andere sind aufgeregter. Für 13 Uhr ist Merkel am Sonntag angekündigt. Markus Blume, der örtliche Landtagsabgeordnete und stellvertretende CSU-Generalsekretär, marschiert bereits um kurz nach halb elf ins Zelt. Von einem "ganz wichtigen Zeichen" schwärmt Blume, "dass die beiden Spitzenkräfte der Union gemeinsam hier auftreten". Dass die Kanzlerin diese "Woche der Weltpolitik" mit Nato-Treffen, Kirchentag und G -7-Gipfel nun im Bierzelt in Trudering abschließe, damit beweise sie eindrucksvoll ihre "Erdung".

Bloß nicht abgehoben wirken, nah am Menschen sein zu wollen - das sind die Parolen, mit denen die CSU traditionell punkten will. Nichts wäre daher schlimmer als eine entrückte Kanzlerin, oder eine, die an den Sorgen der Menschen vorbei regierte, wie Merkel das aus CSU-Sicht in der Flüchtlingsfrage ja lange getan hat. Aber vergessen und geschenkt. "Schon eine gewisse Ehre" sei Merkels Besuch, lobt nun der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Stefinger. Dass sie zusammen mit dem Ministerpräsidenten auftritt, nennt Stefinger gar "historisch". Wobei: "Es war immer klar, dass wir zusammenkommen müssen."

Peter Lechners Fahrgeschäft heißt "Taumler", Kurt Geiers Autoscooter "Bayern Crash". Vor ein paar Monaten wären die Namen ideale Kronzeugen in der Beziehung zwischen CDU und CSU gewesen. Die Union taumelte im Flüchtlingsstreit, beim CSU-Parteitag 2015 kam es zum Crash zwischen Seehofer und Merkel.

Am Sonntag sitzen Lederhosenträger wie der Truderinger VdK-Vorsitzende Albert Maierhofer in der Sauna, die sich Bierzelt nennt, und sagen erfreut, Seehofer und Merkel hätten rechtzeitig die Kurve bekommen. Nötig sei der Streit gewesen, und Seehofer habe ja recht gehabt, findet der CSU-Mann Maierhofer, "aber die sollen sich jetzt wieder vertragen". Denn, mal ehrlich: "Wir haben doch keinen Besseren net als die Merkel."

"Klar für Merkel", "klar für Seehofer" steht auf Plakaten, die auf den Biertischen liegen und dankbar als Fächer zweckentfremdet werden. Immer wieder jubeln die 2300 Menschen im Zelt der Kanzlerin und dem CSU-Chef zu. Doch es gibt auch kritische Stimmen. Die Wahlen, na gut, sagt Karin Kotzian aus Trudering. Aber in Wahrheit werde sich zwischen Merkel und Seehofer wohl nicht mehr viel ändern, "dafür wurde zu viel Porzellan zerschlagen". Ihr Begleiter aus Nordrhein-Westfalen tadelt Seehofer für seinen Stil. Wie er Merkel "hochgenommen" habe, "das macht man nicht mit Frauen". Eineinhalb Jahre hätten die Bundeskanzlerin und der CSU-Chef jeweils auf die Fehler des anderen gelauert, so viel Streit habe in der Politik nichts zu suchen. Kotzian wünscht sich, die CSU müsse im ganzen Bundesgebiet antreten. "Sie hätte die Chance, stärkste Partei zu werden."

Und dann sind da noch jene, die lautstark gegen die Kanzlerin protestieren. Ein Grüppchen AfD-Leute hält am Wegesrand Schilder hoch, muss aber zur Kenntnis nehmen, dass Merkel lieber auf die andere Straßenseite aus dem Auto blickt. Als die Truderinger Böllerschützen zu Ehren der Kanzlerin mehrere Salven in die Luft jagen, skandieren die Demonstranten, darunter offenbar einige Islam-Gegner, den Slogan, der auch auf einem Transparent zu lesen ist: "Merkel muss weg." Die zuckt bei den Rufen aber so wenig wie bei den Böllerschüssen. Angelika Weiß, eine der Schützinnen sagt: Jeder mache mal Fehler, auch eine Kanzlerin. Doch Merkel habe "sehr gut gelernt, jetzt hat sie wieder alles im Griff".

Auch während Merkels Rede sind draußen Trillerpfeifen und "Hau-ab"-Rufe zu hören. Vier Personen werden laut Polizei des Zeltes verwiesen, eine von ihnen gehört vermutlich der "Identitären Bewegung" an. Merkel und Seehofer ignorieren die Störer, der Jubel für "die Anführerin der freien Welt" (Blume) übertönt die Pfiffe bei weitem.

Sogar der Münchner CSU-Chef Ludwig Spaenle zeigt sich beeindruckt. "Irgendwann hat der Spaß ein Loch", hatte Spaenle während der Flüchtlingskrise nach einem Merkel-Besuch geraunzt. Nun raunt er etwas von "grandios" oder "tadellos", so genau ist das im Trubel nicht zu verstehen - und zwinkert: "Aber wir haben es ja schon immer alle gesagt."

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