Peer Steinbrück bei "Maischberger":Kandidat auf der Couch

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SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und Moderatorin Sandra Maischberger (Foto: dpa)

Steinbrücks Beliebtheit ist im Keller, die von Kanzlerin Merkel dagegen erreicht Rekordwerte. Warum kämpft der SPD-Kanzlerkandidat eigentlich noch weiter? Im Interview nimmt Sandra Maischberger ihren Gast gehörig in die Mangel. Doch Steinbrück bleibt souverän - bis auf einen Moment.

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Als Sandra Maischberger die Tafel mit den Kurven hochhält, da merkt er wohl, dass er hier nicht allzu viel gewinnen kann. Er kneift die Augen zusammen, als wolle er auch gar nicht sehen, was da ohne größere statistische Grundkenntnisse auf Anhieb zu erkennen ist. Die Deutschen finden Angela Merkel klasse. Ihn, Peer Steinbrück, eher nicht so.

Steinbrücks Beliebtheit ist, gelinde gesagt, im Keller. Die von Merkel war nie so groß. Steinbrück könnte eigentlich einpacken, wenn es danach geht. Die Chance, dass er noch Kanzler wird, scheint Tag für Tag zu schwinden. Und Maischberger stochert in ihrem ARD-Talk ein ums andere Mal in dieser Wunde.

Ihm seien die Beliebtheitswerte egal, die Wähler würden auch auf Kompetenz und politische Inhalte schauen, wenn sie zur Wahl gehen, verteidigt sich Steinbrück tapfer. Maischberger lässt ihn nicht vom Haken. Sie könne die anderen Daten auch gerne rausholen, sagt sie. "Die sind nicht besser."

Kein Gedanke an die Niederlage

Also: Was motiviert Steinbrück da noch, bis zum 22. September weiterzukämpfen? Glaubt er wirklich, dass es noch reichen könnte für Rot-Grün, die einzige Konstellation, die ihn sicher zum Kanzler machen wird?

Das sind Fragen, die gestellt werden müssen. Aber Wahlkämpfer können darauf gar keine ehrliche oder irgendwie reflektierte Antwort geben. Sie sind im Wahlkampf-Modus. "Ich bin fixiert auf den 22. September", sagt Steinbrück. Auf Rot-Grün, auf nichts anderes. Und um nichts anderes will und wird er sich Gedanken machen. Nicht um eine mögliche Niederlage, nicht um die Zeit danach, nicht um eine große Koalition.

Diese Fokussierung auf den Wahltag, dieser Tunnelblick ist wohl meist auch der Grund, weshalb Wahlkämpfer selbst nach erwarteten Niederlagen oft in ein tiefes Loch fallen.

"Kalt wie ein Fisch"

Die Sache mit der Beliebtheit ist Steinbrück natürlich nicht egal. Als Maischberger ihn begrüßt hat, wünscht er erst seiner Gastgeberin einen guten Abend. Dann richtet er seinen Blick genau in die Kamera mit dem roten Licht und wünscht auch den Zuschauern einen guten Abend. Sein Lächeln ist dabei so mild und herzerwärmend wie ein warmer Sommerregen. Dieser Mann soll "kalt wie ein Fisch" sein, wie Steinbrück sein Image selbst kurz umreißt?

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Die eine macht gar nichts, die andere ein bisschen zu viel: CDU und SPD haben ihre Wahlplakate vorgestellt. Die Kampagnen sind in etwa so, wie auch ihre Spitzenkandidaten Merkel und Steinbrück auftreten.

Maischberger versucht, dahinter zu schauen. Sie nennt es den emotionalsten Augenblick in Steinbrücks Kandidatenkarriere. In Wahrheit war der einzige emotionale Augenblick, als Steinbrück Mitte Juni auf einer Veranstaltung der SPD tränenreich um seine Fassung kämpfte. Seine Frau saß da auf dem Podium neben ihm. Sie rechnete mit den Medien, der Öffentlichkeit ab, die nicht verstehen wollten, was ihren Mann treibe, dass er auf alles verzichte, um Kanzler zu werden.

Auf eine Nachfrage der Moderatorin konnte Steinbrück nicht antworten, seine Lippen bebten, Wasser stand in seinen Augen. Die beruhigende Hand seiner Frau wies er von sich. Weil er Sorge hatte, dass er dann seine Fassung gar nicht mehr wiedererlangen könnte, wie er Maischberger jetzt gesteht.

Seine Frau habe da "in meiner Seele genau den Punkt getroffen", sagt Steinbrück. Viel mehr will er da auch gar nicht hineininterpretiert wissen. Weder Säuernis, noch das Gefühl unverstanden zu sein, wie Maischberger mutmaßt, hätten diesen Augenblick geprägt.

Das soll dann aber genug der Gefühlsduselei sein. Er säße hier ja nicht bei Freud auf der Couch, sagt er. Steinbrück zeigt so, dass er im Zweifelsfall doch lieber mit dem Image des harten Hundes in Verbindung gebracht werden will. Genossen, vor allem jene vom linken Flügel, nannte er mal "Heulsusen", weil sie immer was zu bekritteln hätten an den Agenda-Reformen von Kanzler Gerhard Schröder. Als Heulsuse will Steinbrück nun wirklich nicht dastehen.

Andere Meinung, andere Zeiten

Maischberger testet seine Nehmerqualitäten. Akribisch listet sie zum Teil gar nicht so alte Zitate Steinbrücks auf. Sie belegen eine erstaunliche Wandlung Steinbrücks: einmal sagt er, er sei mit der Frage durch, ob er noch Kanzler werden will. Dann wendet er sich gegen eine Vermögenssteuer. Ein anderes Mal gegen den gesetzlichen Mindestlohn. Heute will er das alles: Kanzler werden, Mindestlohn und Vermögenssteuer.

Steinbrücks wichtigstes Argument: Das seien andere Zeiten gewesen. Und jetzt sei eben 2013. So leicht lassen sich alte Überzeugungen über Bord werfen.

Steinbrück ist auf all diese Fragen vorbereitet. Er braust nicht auf, wird nicht unwirsch, pariert jeden Seitenhieb gelassen. Sogar als er mal wieder auf die Vortragshonorare angesprochen wird.

Erst als die eingespielten Teilnehmer einer Straßenumfrage fast ausnahmelos berichten, sie fänden Steinbrück "unsympathisch", "zu proletenhaft", "hochmütig" und "immer ein Stück aggressiv", da erstarren für einen Moment seine Gesichtszüge. Da hätten auch andere Einspieler gezeigt werden können, befindet er, und bestraft Maischberger mit vorübergehender Missachtung. Die einzige Gegenwehr in einer Sendung, in der Maischberger nur ein Ziel zu haben scheint: Steinbrück zu einer neuen Ungeschicklichkeit zu verleiten.

Die Moderatorin zeigt Härte

Maischberger tut alles, um einem möglichen Vorwurf zu entgehen, sie habe den angeschlagenen Kandidaten zu sanft behandelt. Sie lässt sogar mit Thomas Selter einen Ex-Funktionär der Familienunternehmer und ausdrücklichen Nicht-SPD-Wähler live zuschalten. Der nichts anderes macht, als die Steuerkonzepte der SPD in Grund und Boden zu stampfen.

Steinbrück sagt was er immer sagt: Die Reichen würden immer reicher, die Armen immer ärmer. Also müssten die Reichen einen höheren Beitrag leisten. Er halte das für vertretbar.

Ein direkter Vergleich wäre jetzt nicht schlecht: Merkel bei Maischberger. Aber die Kanzlerin stellt sich nur sehr ausgewählten Fernsehformaten. Zuletzt war sie 2009 bei Maischberger - da ging es ganz unverfänglich um 60 Jahre Bundesrepublik Deutschland. Ob sie im Wahlkampf noch in dieses Talk-Studio findet, ist ungewiss. Merkel lässt sich lieber von den eigenen Leuten auf CDU-TV im Internet befragen. Steinbrück muss zunächst also weiter nur durch sich selbst überzeugen. Erst Anfang September trifft er im Kanzlerduell auf Merkel. Das dürfte seine letzte Chance sein, sich als den besseren Kanzler zu präsentieren. Vielleicht nutzt er sie ja.

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