"An einem Tisch mit Angela Merkel" auf RTL:Puff, Problem gelöst

Angela Merkel bei RTL-Aufzeichnung ·Deutschland fragt nach·

Angela Merkel im Gespräch mit Petra Nordling, einer Flüchtlingshelferin aus Vilsbiburg.

(Foto: dpa)

Im Gespräch mit Wählern lässt Angela Merkel bei RTL Politik ganz einfach aussehen - und wird mit einer Einladung zum Glühweintrinken belohnt.

Von Antonie Rietzschel, Berlin

Wenn Horst Seehofer in den kommenden Tagen einen Anruf von Bundeskanzlerin Angela Merkel bekommt, dann hat das vielleicht auch mit Petra Nordling zu tun. Die 58-Jährige engagiert sich in der bayerischen Stadt Vilsbiburg als Flüchtlingshelferin und ist frustriert. Nordling betreut Geflüchtete, die in Deutschland eine Duldung haben, mittlerweile gut deutsch sprechen und arbeiten wollen. Und sie kennt zahlreiche Betriebe, die diese Menschen ausbilden möchten. Doch der Freistaat Bayern macht es beiden Seiten schwer, weil er das Integrationsgesetz der Bundesregierung rigoroser umsetzt als andere Bundesländer. "Warum lassen die uns nicht arbeiten?", diese Frage hört Nordling immer wieder. Nun sucht sie die Antwort bei der Bundeskanzlerin.

In der RTL-Sendung "An einem Tisch" trafen normale Bürger bereits vergangenen Sonntag auf SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. In dieser Woche lässt sich Bundeskanzlerin Merkel zu den Themen innere Sicherheit, Integrationspolitik und soziale Gerechtigkeit befragen. Grundsätzlich kommt das Format eher jemandem wie Schulz zugute, der sich auch im Wahlkampf immer wieder als normaler Bürger zu inszenieren versucht. Merkel hingegen muss die Politik der vergangenen Jahre verteidigen, darunter auch in Bereichen, für die sie als Kanzlerin gar nicht zuständig ist.

Die eingeladenen Gäste wollen klare Ansagen von ihr, so wie Petra Nordling. Als Merkel sich bei ihr zunächst für ihr ehrenamtliches Engagement bedanken will, unterbricht sie die Bundeskanzlerin. Die vielen Flüchtlingshelfer "sind es leid, dass ihnen gedankt wird", sagt sie. Sie beschreibt das Problem in Bayern. Angela Merkel erklärt, sie habe bereits mit Horst Seehofer besprochen, dass man sich die Thematik noch einmal genauer anschauen müsse. Allerdings könne auch dann nicht jeder in Deutschland bleiben, wenn er eine Arbeitsstelle habe, so Merkel.

Während der Diskussion schaltet sich ein junger Iraner ein, der bereits seit acht Jahren in Deutschland lebt. Weil er bloß geduldet wird, hat er Widerspruch eingelegt. 2013 war das. Bisher habe er keine Rückmeldung bekommen. "Ungewöhnlich", sagt Merkel und verspricht, den Fall zu prüfen. Auch Petra Nordling will die Kanzlerin auf ein Versprechen festnageln. Ob sie sich darauf verlassen könne, dass das Integrationsgesetz künftig in ganz Deutschland einheitlich gelte, also auch in Bayern, fragt sie. Merkels Antwort: "Ich werde dem nachgehen."

Merkel entwaffnet mit Wahlversprechen

Es läuft gut für sie an diesem Abend. Sie schafft es nicht nur, eine recht aufgebrachte Petra Nordling zufriedenzustimmen, sondern auch Antworten auf die Fragen der anderen Gäste zu finden. Sie analysiert die einzelnen Geschichten, macht Zugeständnisse, wo sie kann, entwaffnet mit Wahlversprechen. Zum Beispiel bei Christina Weltermann, Mutter von drei Kindern. Die versteht nicht, warum sie als Alleinerziehende wie ein Single besteuert wird und nicht wie eine Familie. "Bin ich weniger wert?", fragt sie wütend.

Die Bundeskanzlerin scheint ihre Wut zu spüren, verscheucht kurzerhand eine zweite Moderatorin und setzt sich neben Weltermann. Sie ergreift das ihr hingehaltene Mikrofon. Das kriege sie schon alleine hin, so Merkel. "Zahlt der Vater Unterhalt?", fragt sie die alleinerziehende Mutter. Ja, aber darum gehe es ihr jetzt nicht, erwidert Weltermann. Und Merkel lenkt ein: Kinder würden im Steuerrecht nicht fair bewertet, sagt sie. Der Freibetrag müsse angehoben, das Kindergeld erhöht werden. Weltermann ist verblüfft. "Das wäre eine Hilfe. Muss ich jetzt mal so sagen." Und puff, Problem gelöst.

Merkel lässt Politik einfach aussehen an diesem Abend. Immer wieder sagt sie "wir müssen", "wir wollen", "wir werden". Nie erwähnt sie die CDU oder "das zuständige Ministerium", dass das umsetzen müsse. Merkel, die Macherin, so lautet ihre Rolle an diesem Abend. Die spielt sie mit Bravour - und bekommt dafür sogar noch eine Einladung zum Glühweintrinken an der Bude von Axel Kaiser. Der steht in der Vorweihnachtszeit mit seinem Glühweinstand auf dem Breitscheidplatz. Nach dem Terroranschlag im vergangenen Jahr wurden darin Verletzte verarztet. Gemeinsam mit ihm ärgert Merkel sich über die schlechte Ausstattung von Polizisten in manchen Bundesländern. Sie versichert ihm, dass alles getan werde, um das Land besser zu schützen. Am Ende sagt der Mann mit der Fliege, er würde das Gespräch sehr gerne an seinem Glühweinstand vertiefen. "Egal was die Wahl bringt, ich komme Sie besuchen", antwortet Merkel. "Ich nehme Sie beim Wort", sagt Kaiser. Er ist an diesem Abend nicht der Einzige.

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