Einfrieren von Eizellen:Gefrierschrank macht noch keine Gleichberechtigung

Kinderwunschbehandlung an Universitätsfrauenklinik Leipzig

Befruchtung einer Eizelle unter dem Mikroskop (Archivbild): Mithilfe eingefrorener Eizellen ist eine künstliche Befruchtung auch nach den Wechseljahren einer Frau möglich.

(Foto: dpa)

Apple und Facebook zahlen ihren Mitarbeiterinnen das Einfrieren von Eizellen. Ist das ein großzügiges Angebot? Oder doch eher ein Übergriff der Firmen auf die Familienplanung der Frauen?

Von Barbara Vorsamer

Tick-tack, tick-tack, tick-tack. Fast jede Frau, die ihren 30. Geburtstag hinter sich und weder Kinder noch die Kinderfrage endgültig mit Nein beantwortet hat, kennt dieses Geräusch: Die biologische Uhr tickt, die Fruchtbarkeit sinkt und Kollegen und Großtanten lassen es sich nicht nehmen, darauf mit schöner Regelmäßigkeit hinzuweisen. Dabei gäbe es so viele andere Möglichkeiten! Da ist vielleicht ein neuer Job, ein interessantes Projekt, eine Weltreise. Vielleicht passt auch der Kontostand noch nicht zum Kinderwunsch oder der passende Partner ist nicht in Sicht.

Es gibt viele Situationen, in denen Frauen über 30 ihren Kinderwunsch lieber aufschieben statt umsetzen und damit leben müssen, dass ihre Fruchtbarkeit mit jedem Jahr abnimmt. Das sogenannte Social Egg Freezing scheint hier ein Heilsversprechen zu sein: Frauen können ihre Eizellen einfrieren lassen und so unter Umständen noch Mutter werden, wenn ihr Fruchtbarkeitszeitfenster eigentlich schon geschlossen ist (wie das funktioniert und welche Risiken bestehen, erklärt Christina Berndt hier). Die Methode wurde ursprünglich für krebskranke Frauen entwickelt, denen Eizellen vor der Bestrahlung oder Chemotherapie entnommen werden, damit diese nicht durch die Behandlung zerstört werden. Daher spricht man vom Social Egg Freezing zur Unterscheidung vom medizinisch indizierten.

Facebook und Apple zahlen nun Mitarbeiterinnen, die ihre Eizellen einfrieren lassen wollen, bis zu 20.000 Dollar für die Behandlung. Ein großzügiges Angebot, finden manche, und ein probates Mittel, um den so geringen Anteil von Frauen in der Tech-Industrie anzuheben.

Hoffnungen auf die Befreiung der Frau

Jan Fleischhauer ging vor einigen Monaten sogar so weit, das Einfrieren von Eizellen als endgültige Befreiung der Frau zu feiern und dem Feminismus eine Nase zu drehen. Die Methode werde "mehr verändern als jede Debatte über Quote und Pay Gap", glaubt der Kolumnist von Spiegel Online, die Biologie sei nun mal stärker als jede Ideologie. "Mehr Freiheit" verspricht sich auch seine Kollegin Nicola Abé davon, die in einem Essay im Spiegel sehr offen darüber schreibt, warum ihre Eizellen nun in einer Plastikröhre bei minus 196 Grad in einer Münchner Klinik liegen.

In den sozialen Netzwerken hagelt es für Facebook und Apple dennoch Kritik. Viele befürchten, dass die Konzerne sich allzu sehr in die Familienplanung ihrer Mitarbeiterinnen einmischen und fragen sich, ob die 20.000 Dollar nicht besser in Kinderbetreuung und Frauenförderung investiert wären.

Der US-Korrespondentin der Welt, Nina Kaiser, zufolge tut man den Unternehmen mit diesem Vorwurf jedoch unrecht. Sie schreibt:

"Beide Firmen haben Betriebskindergärten. Facebook gewährt Müttern und Vätern vier Monate bezahlte Elternzeit und schenkt ihnen 4000 Dollar Kindergeld. Bei Apple bekommen Mütter 18 Wochen bezahlte Elternzeit, Väter erhalten immerhin sechs Wochen. Gesetzlich gibt es in den USA keinen Anspruch auf bezahlten Mutterschutz oder Elternzeit."

Apple und Facebook können ihren Mitarbeiterinnen vermutlich auch nicht verbieten, schwanger zu werden - auch dann nicht, wenn sie ihre Eizellen auf Kosten des Unternehmens einfrieren lassen. Ein Drittel aller Frauen, die ihre Eizellen einfrieren, tut dies lediglich als eine Art Back-Up und versucht gleichzeitig, auf natürlichem Weg schwanger zu werden.

Befürchtungen, dass eine weite Verbreitung von Social Egg Freezing den Druck auf Frauen erhöhen könnte, ihre Familienplanung ihrer Karriere und gesellschaftlichen Erwartungen anzupassen, gibt es jedoch schon länger. Schon vor einigen Monaten hat sich das Magazin Der Freitag des Themas sehr differenziert angenommen.

Social Egg Freezing zementiert gesellschaftliche Ordnung

"Es gibt einen klaren Widerspruch zwischen der gesellschaftlichen Ordnung und der weiblichen Biologie", stellt Autorin Millay Hyatt fest und geht der Frage nach, ob es Grund zur Freude ist, dass die Methode es erlaubt, diesen Widerspruch aufzulösen. Oder Grund zur Sorge, dass künftig von Frauen erwartet wird, mit 30 ihre Eizellen einzufrieren, sich bis 40 der Karriere zu widmen und dann mal eine Schwangerschaft zu erwägen. Sie schreibt:

"Social Egg Freezing verspricht eine Lösung dieses Problems, indem es einen Eingriff in die Biologie vornimmt - und die gesellschaftlichen Strukturen unangetastet lässt. Die Tatsache, dass die Unvereinbarkeit von Ausbildung, Beruf und Familie immer mehr Frauen dazu verleitet, die Familiengründung so lang aufzuschieben, bis es zu spät ist, ist aber nicht in erster Linie ein biologisches, sondern ein gesellschaftliches Problem.

Warum stellt ein Kind für eine Frau ein weit größeres Karriererisiko dar als für einen Mann? Doch nicht nur wegen des Mutterschutzes. Warum wird von Frauen erwartet, was nie von Männern erwartet wurde: Dass sie sich 100 Prozent dem Beruf und 100 Prozent der Familie widmen, während sie gleichzeitig mehr Kraft aufbringen müssen, um beruflich mit ihren männlichen Kollegen mitzuhalten? Warum werden Frauen sowohl ausgebuht, wenn sie mit kleinen Kindern voll arbeiten, als auch wenn sie sich entscheiden, mit ihnen zuhause zu bleiben, während das eine für Männer selbstverständlich ist, das andere dagegen Anlass für überschwängliche Lobeshymnen?

Diese Fragen lässt das Angebot von Social Egg Freezing unbeantwortet - ja, schlimmer noch, es zementiert diese Widersprüche sogar, indem es mit der Verheißung lockt, dass Frauen diesen unvereinbaren Erwartungen doch gerecht werden können."

Negativ sieht die Autorin die Methode aber nicht. Im Gegenteil, sie wünscht sich sogar, dass sie ihr im Alter von 27 zur Verfügung gestanden hätte.

Familienplanung oft reine Frauensache

Vermutlich lässt sich die Debatte um das Einfrieren von Eizellen so zusammenfassen: Die Methode kann ein Segen sein für jede Frau, die - aus welchen Gründen auch immer, wir sollten es uns verkneifen, hier medizinische, berufliche, psychische oder private Gründe gegeneinander aufzurechnen - ihre Familienplanung aufschieben will. Social Egg Freezing erweitert aus der Sicht dieser Frauen den Handlungsspielraum, den ihr Körper einschränkt.

Von einigen tiefgefrorenen Zellen zu erwarten, zementierte Geschlechterrollen ins Wanken zu bringen und endlich, endlich für Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu sorgen, ist jedoch mit Sicherheit übertrieben. Denn auch das Social Egg Freezing ist - wie leider oft das ganze Thema Familienplanung - reine Frauensache.

Und an dieser Stelle muss frau dann wohl, obwohl wir das Jahr 2014 schreiben, betonen: Mein Bauch gehört mir. Und jede Entscheidung, die damit zusammen hängt, fällt die betroffene Frau und niemand sonst.

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