Spendenaffäre:Verdacht in Regensburg: Ist der Ex-OB in die Spendenaffäre verstrickt?

Fortsetzung BayernLB-Prozess

Der frühere Oberbürgermeister Hans Schaidinger (CSU) kassierte als Berater des Bauunternehmers Tretzel 20 000 Euro im Monat und machte kostenlos Urlaub auf dessen Yacht.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • Nach der Verhaftung des Regensburger SPD-Oberbürgermeister Joachim Wolbergs ermittelt die Staatsanwaltschaft auch gegen seinen Vorgänger CSU-Politiker Hans Schaidinger.
  • Ein Bauunternehmer soll nach Ansicht der Justiz Wolbergs bestochen haben. Im Gegenzug soll dieser der Firma den Zuschlag für das Nibelungenareal verschafft haben.
  • CSU-Mann Schaidinger wurde ein halbes Jahr nach seiner Amtszeit Berater bei der Firma. Nun besteht der Verdacht, dass Schaidinger und Wolbergs den Prozess abgestimmt haben.

Von Andreas Glas, Christian Sebald und Wolfgang Wittl, Regensburg

Im Regensburger Rathaus hängen im zweiten Stock die Gemälde aller früheren Oberbürgermeister. Zu Hans Schaidingers Porträt gibt es eine nette Anekdote. Als das Bild angeliefert wurde, soll Schaidinger entsetzt gewesen sein von der Arbeit des Porträtmalers. Auf dem Gemälde trug Schaidinger keine Krawatte und sein Hemdkragen soll offen gestanden haben.

Es ist kein Geheimnis, dass Schaidinger ein eitler Mensch ist und dass ihm wichtig ist, welches Bild er nach seiner Amtszeit in der Stadt hinterlässt. Also soll er das Gemälde zurückgeschickt haben, und der Maler musste so lange nacharbeiten, bis Schaidingers Krawatte tadellos saß. Nun allerdings kann es sein, dass von Hans Schaidinger, der zum Jubiläum "350 Jahre Immerwährender Reichstag" sogar als Kaiser Leopold I. auf der Bühne stand, dennoch ein hässliches Bild in Erinnerung bleibt. Und zwar das Bild, das die Staatsanwaltschaft von ihm zeichnet.

Schon am Donnerstag war durchgesickert, dass die Justiz gegen Schaidinger (CSU) ermittelt. Es geht um den gleichen Verdacht wie bei seinem OB-Nachfolger Joachim Wolbergs (SPD), der seit dieser Woche in U-Haft sitzt: Bestechlichkeit. Am Freitag nun hat die Staatsanwaltschaft eine Mitteilung mit näheren Details herausgegeben. Doch statt Antworten liefert die Mitteilung immer mehr Fragen - und rückt einen ungeheuerlichen Verdacht in den Raum, den CSU-Stadtrat Christian Schlegl so zusammenfasst: "Ich traue Wolbergs und Schaidinger zu, dass sie den ganzen Prozess abgestimmt haben."

Den Prozess, den Schlegl meint, das ist die Vergabe des Baugrundstücks auf dem Nibelungenareal, das im Zentrum der Parteispendenaffäre um Joachim Wolbergs steht. Die Justiz wirft Wolbergs vor, auf illegale Weise dafür gesorgt zu haben, dass Bauunternehmer Volker Tretzel im Herbst 2014 den Zuschlag für das Areal bekam, das bis dato der Stadt gehörte - im Gegenzug soll Tretzel mehrere Hunderttausend Euro auf das Konto von Wolbergs' SPD-Ortsverein überwiesen und einen Millionenbetrag an den örtlichen Fußballklub SSV Jahn gezahlt haben. Liest man nun die Mitteilung der Staatsanwaltschaft, kann man sich tatsächlich die Frage stellen: Haben Joachim Wolbergs und Hans Schaidinger bei diesem zweifelhaften Geschäft gemeinsame Sache gemacht?

Fest steht: Im Oktober 2014, ein halbes Jahr nach Ende seiner 18-jährigen Amtszeit, trat Schaidinger einen Beraterposten bei der Firma Tretzel an. Monatliches Honorar: 20 000 Euro. In der Mitteilung der Staatsanwaltschaft heißt es nun, dass auch Schaidinger im Verdacht stehe, die Vergabe des Nibelungenareals unerlaubt beeinflusst zu haben. Demnach soll Unternehmer Tretzel dem früheren OB den Beratervertrag zu einer Zeit angeboten haben, als das Vergabeverfahren des Nibelungenareals bereits im Gange war: im Januar 2014.

Zu Tretzels Versprechen soll auch gehört haben, dem damaligen OB eine Segelyacht samt Skipper zur Verfügung zu stellen. Kostenlos. Angenommen hat Schaidinger dieses Angebot laut Justiz erst im Mai 2014, unmittelbar nach Ende seiner Amtszeit. Die Justiz vermutet zwar, dass es vorab bereits eine Vereinbarung zwischen Tretzel und Schaidinger gab - nur dann könnte Schaidinger wegen Bestechlichkeit belangt werden. Doch dafür gebe es derzeit nicht genug Beweise, sagt die Staatsanwaltschaft. Und doch stellt sich die Frage: Hat Schaidinger als Gegenleistung für ein üppiges Beraterhonorar mitgeholfen, der Firma Tretzel den Baugrund auf dem Nibelungenareal zu verschaffen?

Was Schaidinger und Wolbergs verbindet

Das klingt erst mal irritierend, denn die endgültige Vergabe ging erst unter OB Wolbergs vonstatten. Zwar gab es noch in Schaidingers Amtszeit eine erste Ausschreibung des Baugrunds, doch wurde diese nach Wolbergs' Amtsantritt wieder kassiert, die Vergabekriterien wurden geändert und das Projekt neu ausgeschrieben. Wie also, fragt man sich, hätte Schaidinger da Einfluss nehmen sollen? Der frühere OB, so die Antwort der Staatsanwaltschaft, habe am Ende seiner Amtszeit noch Einfluss auf die Vergabe der Nibelungenkaserne nehmen können, das Geschäft sei ja "in vielen kleinen Schritten" erfolgt, sagt Oberstaatsanwalt Theo Ziegler.

Spendenaffäre: Die neue Fußballarena des SSV Jahn ist ein teures Prestigeobjekt. Der Drittligaverein ist auf regelmäßige Geldspritzen von Tretzel angewiesen.

Die neue Fußballarena des SSV Jahn ist ein teures Prestigeobjekt. Der Drittligaverein ist auf regelmäßige Geldspritzen von Tretzel angewiesen.

(Foto: Stephan Rumpf)

CSU-Stadtrat Christian Schlegl äußert seine Theorie konkreter. Er kann sich vorstellen, dass Schaidinger die Baugrundvergabe auf Tretzels Wunsch hinausgezögert hat, bis Joachim Wolbergs am 1. Mai 2014 neuer OB wurde - der wiederum habe das Projekt dann in Tretzels Sinne neu ausgeschrieben. "Es sieht alles so aus, als ob Tretzel das Scharnier war zwischen Wolbergs und Schaidinger", sagt Schlegl. Im OB-Wahlkampf 2013/14 war Schlegl der Konkurrent des SPD-Oberbürgermeisterkandidaten Wolbergs, er verlor krachend. Dass Schlegl auch Schaidinger für seine Niederlage verantwortlich macht, ist kein Geheimnis - und hat unter anderem mit dem 6. Februar 2014 zu tun.

Damals hatte sich Schaidinger bei einem Pressegespräch überraschend vom Parteikollegen Schlegl distanziert und eines seiner Wahlkampfversprechen, ein Tunnelprojekt, öffentlich verteufelt. Nun, da bekannt ist, dass Schaidinger nur kurz davor das Tretzel-Angebot für den hoch dotierten Beratervertrag bekam, "komme ich schon ins Grübeln", sagt Christian Schlegl. Er hegt den Verdacht, dass Schaidinger ihn im OB-Wahlkampf fallen ließ, um die Vergabe des Nibelungenareals an die Firma Tretzel nicht zu gefährden und sich durch einen Wolbergs-Wahlsieg das Honorar als Tretzel-Berater zu sichern.

Vorerst gibt es nur Vermutungen - Schaidinger und Tretzel äußern sich nicht

Ein gemeinsames Interesse könnte Wolbergs und Schaidinger auch insofern verbinden, dass beiden etwas am SSV Jahn Regensburg liegt. Die 50-Millionen-Euro-Arena, die die Stadt für den Fußballklub bauen ließ, gehört zu den wichtigsten Hinterlassenschaften Schaidingers - und Bauunternehmer Tretzel ist der Mäzen, der den Klub mehrfach vor dem Konkurs bewahrt hat. Sollte der Klub wegen ausbleibender Tretzel-Zahlungen pleite gehen, würde auch die Arena zum Millionengrab und Schaidingers politisches Erbe wäre dahin.

OB Wolbergs dürfte daran ebenfalls kein Interesse gehabt haben, denn er ist Aufsichtsratsvorsitzender des Vereins und hat den Stadionbau während seiner Zeit als Dritter Bürgermeister mitangeschoben. Ebenfalls nicht gegen ein gemeinsames Interesse von Wolbergs und Schaidinger sprechen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, wonach Volker Tretzel als Gegenleistung für den Nibelungenareal-Zuschlag 1,7 Millionen Euro für den SSV Jahn in Aussicht gestellt haben soll.

Vorläufig bleibt es allerdings bei Vermutungen. Hans Schaidinger geht seit Tagen nicht ans Telefon, auch Tretzels Anwalt will auf Nachfrage nichts sagen. Dafür hat sich CSU-Chef Horst Seehofer geäußert, die Vorgänge in Regensburg als "Beschädigung aller, die in der Öffentlichkeit und in der Politik stehen" bezeichnet und Aufklärung gefordert. Die Landesanwaltschaft teilt derweil mit, Joachim Wolbergs über die Absicht informiert zu haben, ihn vorläufig seines Amtes zu entheben. Die Entscheidung über die Suspendierung soll in der kommenden Woche fallen.

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