Naturschutz:Im Rottal läuft die Holzernte noch mit Mensch und Pferd

Lesezeit: 3 min

Schwerstarbeit leisten Rückepferde bei der Holzernte. (Foto: Sebastian Beck)
  • Seit drei Jahren bewirtschaftet das katholische Bistum Passau seine insgesamt 1300 Hektar Kirchenforste nach ökologischen Richtlinien.
  • Statt Maschinen sind beim Holztransport Pferde im Einsatz.
  • Die Methode ist nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich nachhaltig.

Von Sebastian Beck und Katharina Schmid, Tann

Wer Branko Hug und Arpat bei der Arbeit zusehen will, der muss erst einmal lange nach ihnen suchen. Kaum ein Laut verrät, wo sich die beiden im Wald verstecken. 150 Kilometer östlich vom München, sanft gewelltes Bauernland. Ein schmaler Weg führt von der Hauptstraße hinein ins Holz, wie der Wald hier heißt. Irgendwo klirren Metallketten.

"Arpat!" schallt es zwischen den dicken Tannen hervor. Und dann kommt auch schon Arpat in Sicht. Ein mannshoher Ardennerhengst, dunkelbraun, muskelbepackt und schwitzend. Arpat zieht an. Hinter sich schleift er zwei meterlange Stämme über den gefrorenen Boden, als wären sie aus Styropor. Ein kurzer Ruf, und Arpat steht still, und zwar so still und regungslos, als ob ihm das alles hier ziemlich egal wäre.

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Ein Mann in orangefarbener Arbeitskluft öffnet den Karabinerhaken, der die Schleppkette zusammenhält. Er heißt Branko Hug, spricht mit Schweizer Zungenschlag und wirkt ungefähr so entspannt wie sein Ross. Dabei ist der Job, den er hier erledigt, brandgefährlich und anstrengend noch dazu. Wenn Arpat nur ein einziges Mal scheuen würde, ja dann.

Hug streckt drei Finger in die Luft und sagt: "Fünf Halbe Bier bitte!" Hug hat noch alle Finger an der Hand, denn Arpat ist zwar erst vier Jahre alt, aber schon ein Profi. Seit einigen Wochen ist Hug zusammen mit seinen Rückepferden hier im Einsatz. Zehn Hektar Kirchenholz der Diözese Passau müssen durchforstet werden, 300 Festmeter Holz werden Arpat und sein Vater Joe am Ende zu den Rückegassen gezogen haben, wo sie ein Greifer schließlich auf den Tieflader hebt.

Seit drei Jahren bewirtschaftet das katholische Bistum Passau seine insgesamt 1300 Hektar Kirchenforste nach ökologischen Richtlinien. Das Waldstück nahe der Gemeinde Tann sieht nur auf den ersten Blick wie jedes andere aus. Doch die Kirche könnte auch nur Maschinen durch den Wald schicken. Das wäre billiger, ginge schneller, würde aber den empfindlichen Boden beschädigen. Möglichst nachhaltig und nach dem Leitbild der "schöpfungsorientierten Waldnutzung" soll das Nutzholz gewonnen werden, so steht es in den Richtlinien.

Das Verfahren soll die Artenvielfalt steigern

Der Wald soll sich zugleich natürlich entwickeln. "Fünf Prozent der Fläche sind deshalb komplett der Natur überlassen, bevorzugt steile oder nasse Stellen", sagt Andreas Held, Forstwirt beim Bistum Passau. Zehn Biotopbäume pro Hektar Wald sollen zudem die Artenvielfalt steigern und liegen gelassenes Totholz die Fruchtbarkeit des Waldbodens. Ziel sei es, "einen möglichst artenreichen, mehrstufigen Mischbestand zu erhalten", also einen Wald, in dem verschiedene Baumarten unterschiedlichen Alters wachsen.

Arpat heißt der vierjährige Ardennerhengst von Branko Hug. (Foto: Sebastian Beck)

Dazu braucht es Arpat, Branko Hug und das "Kölner Verfahren". So nennt sich die Methode, die in dem Wald bei Zimmern in diesen Wochen angewendet wird. Mensch, Pferd und Maschine ernten arbeitsteilig das Holz. Der Wald wird gleich auf zweierlei Weise geschont. Zum einen wird weniger Boden verdichtet, weil Rückegassen nur noch alle 40 Meter notwendig sind, und nicht wie bei der rein maschinellen Holzernte alle 20 Meter. Zum anderen werden beim Abtransport der gefällten Stämme weniger nachwachsende Bäume verletzt. Die lehmigen Böden des niederbayerischen Hügellands sind empfindlich, hohen Bodendruck verkraften sie kaum.

Die Holzernte mit den Pferden sei eine uralte Methode, sagt Held. "Und trotzdem hat das Ganze nichts mit Nostalgie zu tun. Es zahlt sich auch wirtschaftlich aus." Auf den ersten Blick scheint das anders: Fünf Euro mehr pro Festmeter Holz muss die Diözese für den Einsatz bezahlen. Weil aber weniger Fläche für Rückegassen gebraucht wird, kann etwa zehn Prozent mehr Wald nachwachsen. Zudem fallen die Kosten für die Behebung von Bestands- und Bodenschäden durch das schonende Holzrücken mit dem Pferd geringer aus.

Branko Hug kann sich über mangelnde Aufträge nicht beklagen

Nebenbei legen Hug und andere Waldarbeiter im Kirchenwald bei Zimmern noch Versuchsflächen für ein Verbiss-Experiment im Rahmen des bundesweiten "BioHolz-Projektes" an. Dabei wird Totholz so platziert, dass es dem Wild schwerer gemacht wird, an die Knospen der nachwachsenden Bäume zu gelangen. Forscher wollen herausfinden, welcher Zusammenhang von zurückgelassenen Kronen und dem Verbiss an den nachwachsenden Bäumen besteht und ob das verrottende Totholz das Wachstum der jungen Bäume fördert. Branko Hug kann sich über mangelnde Aufträge nicht beklagen. Der gelernte Forstwirt hat seine Ardenner selbst ausgebildet und ist mit zwei von ihnen derzeit in ganz Bayern unterwegs.

Mindestens zwei Jahre Arbeit braucht es Hug zufolge, bis ein Rückepferd eingelernt ist und die Waldarbeit zuverlässig übernehmen kann. "Das Temperament des Pferdes und des Fuhrmanns müssen gut zusammenpassen, damit die Arbeit auch wirklich funktioniert", sagt Hug. Was für die Erntemaschine der Diesel ist, das ist für Arpat das Futter: Zwei Stunden vor Arbeitsantritt bekommt er Hafer, Heu und Wasser. Damit hält er einen halben Tag durch, dann wirken seine Schritte nicht mehr ganz so leicht und sicher. Von wegen "eine Pferdestärke": Auf bis zu 1,5 Tonnenzugkraft bringt es Arpat, wenn er sich richtig ins Zeug legt.

Es dämmert schon, als Arpat an diesem Tag die letzten Stämme aus dem Wald zieht. Hug führt ihn zum Anhänger, wo Arpats Vater Joe steht und sich noch von der Vormittagsschicht erholt. Arpat schnaubt kein einziges Mal, als er von seinem Geschirr erleichtert wird. Er schnuppert nur kurz an der Jacke von Branko Hug, mehr gibt das Tier von sich nicht preis. Feierabend. Forstmann Hug holpert mit seiner Belegschaft im Anhänger auf dem Feldweg davon, und im Kirchenwald bei Zimmern wird es still und dunkel.

© SZ vom 04.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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