Oberbayern:Bayerns erste Jagdschule für Frauen

Oberbayern: Karoline Hirsch ist eine Jägerin, die selten schießt.

Karoline Hirsch ist eine Jägerin, die selten schießt.

(Foto: Evi Lemberger)
  • Die 54-jährige Karoline Hirsch hat im Bayerischen Wald die erste Jagdschule für Frauen in Bayern eröffnet.
  • ​Hier geht es weniger ums Schießen, als vielmehr um Wildpflege.

Von Elisabeth Gamperl

Sie entsicherte das Gewehr, streckte die Hände aus und visierte ihr Ziel. Es war still um sie herum. Sie atmete aus, um nicht zu zittern. Sie wollte abdrücken. Da tippte ihr jemand auf den Arm. Sie klemmte ihren Hörschutz beiseite. Eine Männerstimme sagte: "Ich zeige Ihnen mal, wie das geht."

Karoline Hirsch wusste, wie das geht. Sie stand am Schießstand, an der 100-Meter-Bahn. Sie hatte da schon Dutzende Male gestanden. Es war Herbst 2013, und Hirsch bereitete sich auf ihre Jägerprüfung vor. Sie kannte ihren Nachbarn am Schießstand nicht. Hirsch sagte nichts, sie dachte sich aber: "Ich will Ruhe von solchen Männern."

Monate später, nach der Prüfung, mit dem blassgrünen Jagdschein in der Hand, sprach sie das aus, was lange in ihr brodelte: "Ich will meine eigene Jagdschule, eine speziell für Frauen." Karoline Hirsch, 54, langes Haar und braune Augen, gründete die "Jagdschule Hirsch", die erste Frauenjagdschule Bayerns. Ein Ruhepol vor der männlichen Jägerschaft, mit Sauna, Fitnesscenter und Schwimmbad im Angebot. Hirsch will mit ein bisschen Glamour und Wellness das Bild der Jagd entstauben. Ob das gelingt?

Es dämmert in Waldkirchen bei Passau. Der Weg ist eisig, der Nadelwald mit Schnee bedeckt. Jagdhund Quirin läuft voran, Karoline Hirsch und ihr Lebensgefährte Thomas Licht stapfen hinterher. Licht ist neben Hirsch zweiter Ausbilder in der Schule. Er trägt einen weißen Wuschelbart und unter dem Janker einen grünen Kapuzenpullover. Die beiden kennen jeden Strauch, jeden Baum, jedes Tier in ihrem Revier; etwa die Geiß mit den zwei Rehkitzen. Man muss hier leise sein. "Wir wollen keine Tiere aufscheuchen", sagt Licht. Schließlich sei Winter, und man müsse die Tiere schonen.

"Der Wald ist das Schönste, er ist Entspannung pur", sagt sie. Wald und Hirsch - das gehört zusammen. Ein Familienname als semantischer Wink des Schicksals. Karoline Hirschs Vater war schon Jäger. Sie war als Kind mit ihm auf Pirsch, saß neben ihm stundenlang auf dem Hochstand. "Da hatte ich ihn für mich alleine", sagt sie, "ich redete ihm manchmal ein wenig zu viel." Selbst Jägerin zu werden, das kam ihr lange nicht in den Sinn. "Geh, du als Frau willst den Jagdschein machen", blafften ihre beiden Brüder. Sie wuchs in den Siebzigerjahren im Bayerischen Wald auf, da musste man Gleichberechtigung noch im Duden nachschlagen.

Während der Vater das erlegte Tier nach Hause brachte, stand die Mutter in der Küche und verarbeitete das Wild zum Sonntagsbraten. Eine Frau als Jägerin, das passte nicht ins Bild. "Ich habe es mir selbst auch nicht zugetraut", sagte sie. Erst Jahrzehnte später, als sie ihren Freund Thomas Licht beim Lernen für die Jägerprüfung unterstützte, fragte er sie irgendwann: "Warum machst du die Prüfung nicht eigentlich auch?" Stimmt, warum eigentlich nicht? Hirsch buchte einen Kurs. Im Keller eines Wirtshauses saßen drei Frauen und zehn Männer.

Die Uhren der Jagdwelt tickten noch immer langsamer, als andernorts. Die Männer im Kurs bevormundeten sie, hinter dem Rücken der Frauen wurde gelästert. Etwa über die eine Teilnehmerin mit knallroten Haaren. "Das war ihnen zu wild." Die Männer im Kurs spielten sich als "Hilfslehrer" auf oder gaben ihr das Gefühl, weniger zu können als die Kollegen. "Mich hat das alles so genervt. Vielleicht betrachten manche Männer die Jagd immer noch als ihre Bastion", spekuliert Hirsch.

Doch Männer sind schon länger nicht mehr alleine im Gebüsch unterwegs. War Anfang der Neunzigerjahre nur ein Prozent der Jägerschaft weiblich, sind es mittlerweile schon zehn. In den Jagdkursen sitzen schon 20 Prozent weibliche Teilnehmerinnen. Damit verändert sich auch der Markt für Jagdbedarf. Es gibt kleinere Waffen für Frauenhände, schicke Jägerinnenmode und Accessoires, Lodenjacken mit pinken Verzierungen. "Es verändert sich gerade etwas", sagt Hirsch. Ihre Schule kommt zur rechten Zeit. "Frauen sind nicht besser oder schlechter als Männer, sie sind anders", sagt Hirsch.

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