Hauzenberg:Wenn 20 Minuten Sturm einen Landkreis verwüsten

Aufräumen nach dem Unwetter

Mittlerweile sind die Straßen geräumt und es gibt wieder Strom - doch die Aufräumarbeiten nach dem Unwetter sind noch lange nicht vorbei.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • Im Landkreis Passau sind nach den schweren Unwettern vom vergangenen Freitag noch zahlreiche verheerende Zerstörungen sichtbar.
  • Helfer werden voraussichtlich noch tagelang beschäftigt sein, beschädigte Häuser und kaputte Dächer notdürftig zu sichern.
  • Besonders schlimm betroffen sind auch die Landwirte und Waldbauern.

Von Andreas Glas und Christian Sebald, Hauzenberg

Der Sturm hat eine Schneise durch die Landschaft geschlagen, man kann ihren Weg über Kilometer hinweg verfolgen. Der Sturm hat Bäume niedergerissen, hat Baumstämme abgeknickt, als wären es Grashalme, hat Maisfelder plattgemacht. Drei Tage danach sind die Straßen wieder frei, aber wer nach links und rechts schaut, der kann ahnen, wie brutal er gewütet haben muss am späten Freitagabend.

Verbogene Leitplanken, umgeblasene Verkehrsschilder, abgedeckte Häuser. Am schlimmsten aber sehen die Wälder aus. Die Bäume liegen kreuz und quer, mancherorts stehen nur noch nackte Stämme. "Es ist verheerend", sagt Forstminister Helmut Brunner (CSU), der am Sonntagabend das Katastrophengebiet im Landkreis Passau besucht hat. "Solche Schäden habe ich noch nicht gesehen."

Keiner in der Region kann sich erinnern, je ein so schlimmes Unwetter erlebt zu haben. Zwar waren am Freitagabend auch für den Bayerischen Wald Gewitter und ein Wettersturz angekündigt. Aber dass es so heftig kommen würde, ahnte niemand. Dabei dauerte der Spuk keine halbe Stunde. Er traf ein Gebiet, das im Südwesten von Thyrnau, Büchlberg und Huthurm über Hauzenberg und Waldkirchen in der Mitte bis nach Neureichenau und Breitenberg im Nordosten reicht.

Das Unwetter zog von München über Landshut gen Nordosten. Gegen 23.30 Uhr erreichte es Passau. Kurz darauf setzte im Bayerischen Wald heftiger Wind ein, er baute sich zu Orkanböen mit Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 130 Kilometern pro Stunde auf. Parallel dazu gab es sintflutartigen Regen, Hagelschlag, Blitz und Donner. So plötzlich wie das Unwetter gekommen war, war es wieder weg. Nach 20 Minuten zog es nach Tschechien weiter.

"Das ist schon gigantisch", sagt Alois Fasser, der eigentlich nach Hauzenberg gekommen ist, um Gasleitungen zu verlegen. Doch statt zu graben, schaufelt sein Bagger am Montagmittag Schutt durch die Kussnerstraße, vor allem Dachziegel und Holzbalken. Die Schreinerei hinter ihm ist keine Schreinerei mehr, sie ist eine Ruine. Der Sturm hat den Dachstuhl weggerissen, der Rest des Hauses schaut aus wie ein offenes Puppenhaus. Fasser, der Baggerfahrer, wohnt ein paar Kilometer nordöstlich, in Sonnen, auch eine dieser Gemeinden, die das Unwetter besonders schwer getroffen hat. "Wie Sardinenbüchsen hat es die Dächer aufgerollt", sagt Fasser.

Allein der Schaden an Gebäuden geht in die Millionen

Die Schäden an Wohnhäusern, Bauernhöfen und Gewerbebauten sind immens. Vielerorts deckte das Unwetter Häuser ab, zertrümmerte Schuppen und Stadel. In den Wäldern sind Forststraßen und Wanderwege unpassierbar, weil Bäume auf sie gestürzt sind und sich zu meterhohen Barrieren türmten. Immerhin sind wieder alle Ortschaften am Stromnetz. Aber die Helfer werden noch tagelang beschäftigt sein, beschädigte Häuser zu sichern und kaputte Dächer notdürftig zu flicken. Das wahre Ausmaß der Gebäudeschäden wird sich freilich erst im Lauf der Woche herausstellen. "Wir haben erst heute die Gemeinden auffordern können, uns erste Schadensbilanzen zu übermitteln", sagt der Passauer Landrat Franz Meyer (CSU), der sofort Katastrophenalarm ausgelöst hat und seit Freitagnacht in Dauereinsatz ist. "Er geht sicher in die Millionen."

Besonders schlimm hat es die Landwirte und die Waldbauern getroffen. Robert Schnellhammer vom Amt für Ernährung Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Passau schätzt, dass allein im Landkreis Passau Maisfelder von einer Gesamtgröße von etwa 10 000 Hektar vernichtet worden sind. "Die Äcker sehen aus, als wäre eine gigantische Walze über sie hinweggefahren", sagt er. "Wir hoffen, dass auf vielen der Mais nur umgebogen ist, und sich womöglich wieder aufrichtet." Überall dort, wo der Sturm die hohen Pflanzen umgeknickt hat, hilft nur eins: Häckseln, damit die Ernte wenigstens zum Teil gerettet ist.

In den Wäldern sind die Schäden ungleich dramatischer als auf den Feldern. Überall ragen abgebrochene Fichten knochigen Fingern gleich in den Himmel. Am Boden türmen sich gekappte Baumwipfel und anderes Schadholz. Johann Geisbauer, der am Passauer AELF für den Forst zuständig ist, schätzt, dass das Unwetter allein in seiner Region 12 000 Hektar Wald niedergemacht hat. Im Landkreis Freyung-Grafenau kommen Hunderte weitere Hektar hinzu. "Der Sturm hat das Werk von Generationen von Waldbauern zerstört", sagt Geisbauer. "Es wird 80 bis 100 Jahre dauern, bis unsere Wälder wieder so aussehen wie vor dem Unwetter."

Die Hauzenberger Bürgermeisterin Gudrun Donaubauer (parteilos) hat seit Freitag kaum geschlafen, ihr Gesicht ist blass, ihre Augen gerötet. "Es ist wirklich eine Tragödie, wenn man sich unsere Landschaft anschaut", sagt sie. Auch Donaubauer sorgt sich besonders um die Wälder und die Forstwirte, die um ihre Existenz fürchten. "Die Holzpreise sind durch den Borkenkäfer eh enorm unter Druck, jetzt kommt noch mehr billiges Holz auf den Markt. Ich frage mich, wie sich die Holzwirtschaft noch rentieren soll."

In einem Brief, den sie Landrat Meyer geschickt hat, nennt Donaubauer das Landschaftsbild "eine apokalyptische Szenerie" und bittet ihn um schnelle Hilfe. Die hat nicht nur Meyer bereits zugesagt. Sondern auch die Staatsregierung. Forstminister Brunner lässt bereits ein erstes Paket mit Hilfsmaßnahmen ausarbeiten. Bis Montagabend waren die ersten Aufräumarbeiten so weit fortgeschritten, dass immerhin der Katastrophenalarm aufgehoben werden sollte.

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