Stromleitungen:Unterirdische Autobahnen statt Monster-Trassen

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Die künftigen Stromautobahnen im Freistaat sollen ausschließlich als Erdkabel verlegt werden. Die Betreiber fügen sich damit den Wünschen der Bevölkerung. (Foto: Roland Weihrauch/Picture Alliance/dpa)

In Bayern ist der Widerstand gegen Strommasten und -leitungen groß. Nun legen die Betreiber neue Vorschläge vor - und gehen weit über die Vorgaben hinaus.

Von Christian Sebald, München

Wirtschaftsstaatssekretär Franz Josef Pschierer (CSU) ist ein liebenswürdiger und leutseliger Schwabe, der 60-jährige Mindelheimer pflegt selbst mit den härtesten politischen Gegnern einen betont freundlichen Umgang.

Wenn es freilich um die beiden Stromautobahnen geht, die nach der Abschaltung des letzten Atomkraftwerks 2022 in Bayern Unmengen Windstrom aus Norddeutschland in den Freistaat transportieren sollen, nimmt Pschierers sanfte Stimme einen sehr entschiedenen Klang an. "Die neuen Höchstspannungsleitungen werden kommen, das ist nicht verhandelbar, Schluss, Aus, Amen", sagt er dann. Gleich darauf fährt er wieder sehr viel milder fort: "Aber über alles andere, ihre Abstände zu Siedlungen etwa, werden wir natürlich reden."

In den kommenden Wochen wird Pschierer sehr viel zum Reden haben. Denn ab Montag präsentiert der Netzbetreiber Tennet seine Vorschläge für die Tassenkorridore des Süd-Link und des Süd-Ost-Link, wie die beiden Stromautobahnen in den Freistaat offiziell heißen. Und Pschierer ist der Mann in der Staatsregierung, der dafür zu sorgen hat, dass nun keine Zeit mehr verloren wird, bei Planung, Genehmigung und Bau der beiden Höchstspannungsleitungen. Schließlich sind sie sogar nach Überzeugung der Grünen unverzichtbar dafür, dass die Stromversorgung in Bayern nach dem Abschalten des letzten Atomkraftwerks 2022 sicher ist.

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Zwar will Tennet seine Pläne zunächst Ministern, Abgeordneten und Kommunalpolitikern vorstellen, erst Ende September sollen sie öffentlich werden. Aber Umrisse sind schon bekannt. So werden die Trassen möglichst geradlinig von ihren Ausgangpunkten im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel und Wilster und im sachsen-anhaltinischen Lauchstädt zu ihren Endpunkten in Süddeutschland verlaufen - entsprechend der Vorgabe der Bundesnetzagentur.

Außerdem planen Tennet und Co. die Stromautobahnen ausschließlich als Erdkabel - und gehen damit weit über Vorgabe des Bundes hinaus, dass Erdkabel Vorrang vor Freileitungen haben sollen. Aus Unternehmenskreisen heißt es dazu, dass man damit den Wünschen der Bevölkerung entsprechen wolle, die "klar für die komplette Verlegung als Erdkabel ist". Ansonsten rechnen Beobachter damit, dass die Netzbetreiber pro Stromautobahn zwischen zwei und vier Varianten präsentieren, ein jeder Korridor wird ungefähr tausend Meter breit sein.

Was den Süd-Link anbelangt, gehen sie im Wirtschaftsministerium davon aus, dass es von den beiden Anfangspunkten Brunsbüttel und Wilster bis weit nach Hessen eine gemeinsame Trasse geben wird. Erst dort werde ein Strang zu dem Endpunkt im unterfränkischen Grafenrheinfeld abzweigen, heißt es. Der andere werde weiter ins baden-württembergische Großgartach führen.

Der entscheidende Punkt für Bayern ist, wo einmal in Hessen die Verzweigung liegen wird. Denn davon hängt nicht nur ab, auf welche Länge der Süd-Link durch Unterfranken führen wird. "Sondern auch, ob er über die Rhön verlegt werden muss", wie sie im Wirtschaftsministerium sagen. Dort hat die Bevölkerung schon Widerstand angekündigt.

SZ-Karte; Quelle: Wirtschaftsministerium (Foto: fd)

Der Süd-Ost-Link wird von Bad Lauchstädt nach Landshut führen. Er ersetzt die vormalige Gleichstrompassage Süd-Ost, die einst nahe dem schwäbischen Atomkraftwerk Gundremmingen enden sollte. Die Umplanung bedeutet, dass nun vor allem die Oberpfalz und Niederbayern von dem Projekt betroffen sind, statt wie früher Franken und Schwaben.

Für Beobachter ist die spannende Frage, wie Tennet im Großraum Regensburg plant. "Denn wenn der Netzbetreiber die Vorgabe einer möglichst geradlinigen Trasse befolgt, würde der Süd-Ost-Link den Großraum Regensburg glatt durchschneiden", sagt ein Experte, der nicht genannt werden will. "Das wäre nicht nur sehr aufwendig, sondern würde massive Proteste hervorrufen."

Wie auch immer: Die Trassenkorridore die Tennet und Co. nun präsentieren, sind noch keine fixen Planungen, sondern Vorschläge. Bis ins Frühjahr 2017, so hat es Tennet-Chef Lex Hartman schon einmal in der Vergangenheit gesagt, werde man diese Vorschläge mit der Bevölkerung, Interessensverbänden, Kommunen und Politikern besprechen. Eine Entscheidung für eine konkrete Trasse wird in dieser Phase noch nicht getroffen.

Diese Festlegung beginnt erst mit der Eröffnung des formellen Genehmigungsverfahrens im Frühjahr 2017. Es gliedert sich in zwei Abschnitte, der sogenannten Bundesfachplanung und dem Planfeststellungsverfahren. Endgültig festgelegt ist die jeweilige Trasse erst, wenn der Planfeststellungsbeschluss für sie ergangen ist. Das wird laut Wirtschaftsministeriums frühestens im Jahr 2020 der Fall sein. Viele Experten halten diese Prognose aber für viel zu optimistisch.

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Wirtschaftsstaatssekretär Pschierer lobt die Netzbetreiber für ihr Konzept und den Zeitplan. "Bürger, Kommunalpolitiker, Landwirte und Grundstückseigner werden schon weit vor dem offiziellen Verfahren informiert und können ihre Belange und Einwände einbringen", sagt er. "Aber auch wir werden die verschiedenen Varianten genau ansehen und daraufhin überprüfen, ob unsere Vorgaben umgesetzt sind: Die Leitungen gehören unter die Erde und besonders schützenswerte Gebiete müssen ausgenommen sein."

Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU), die für die Energiewende in Bayern zuständig ist, betont, dass Tennet die alten Pläne komplett überarbeitet habe. "Mit den neuen Vorschlägen können wir das Wort Monstertrassen aus unserem Sprachgebrauch streichen", sagt sie. "Wir haben 450 Kilometer neue Freileitungen mit 1500 bis 2000 neuen Masten quer durch Bayern verhindert."

In der Umweltszene sind die Reaktionen gespalten. Die Grünen hoffen nun auf schnelle Fortschritte. "Wichtig ist jetzt, dass wir die Bevölkerung mitnehmen und die Akzeptanz für die Stromautobahnen steigern", sagt der Chef der Landtagsfraktion Ludwig Hartmann. "Denn wir brauchen den sauberen Windstrom aus dem Norden hier bei uns im Süden."

Beim Bund Naturschutz (BN) und einigen Bürgerinitiativen formiert sich dagegen Widerstand. "Wir lehnen den Süd-Link und den Süd-Ost-Link weiter ab", sagt BN-Chef Hubert Weiger. "Denn sie transportieren nur schmutzigen Kohlestrom nach Bayern. Wir setzen weiter auf eine dezentrale, bürgernahe Energiewende, bei der der Strom für Bayern in Bayern erzeugt wird."

© SZ vom 23.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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