Bundestagswahl:Diese Lehren zieht die Bayern-SPD aus dem schlechten Wahlergebnis

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SPD-Landeschefin Natascha Kohnen will einen Schwenk nach links. (Foto: dpa)
  • Bei der Bundestagswahl hat die SPD in Bayern 15,3 Prozent der Stimmen geholt - ein historisch schlechtes Ergebnis.
  • Die Bayern-SPD sieht die Ursachen vor allem in der Berliner Politik.
  • Landeschefin Natascha Kohnen will trotzdem eine neue Strategie für die Landtagswahl kommendes Jahr. Sie fordert einen Ruck nach links.

Von Lisa Schnell, Miesbach

Das hatte ihnen gerade noch gefehlt: Bis Mitternacht diskutierten sie bei der SPD über das schlechte Wahlergebnis, und dann gab es an der Hotelbar erst mal kein Bier. Zum Wahlfrust kam noch der Durst. Solidarisch teilten sich die Genossen das langsam gereichte Bier, solidarisch versuchen sie der Krise zu begegnen.

Der Ort, an dem der Bayern-SPD-Vorstand am Wochenende sein historisch schlechtes Bundestagswahlergebnis von 15,3 Prozent aufarbeitete, ist schön gelegen: ein Hotel in der Tegernsee-Region. Neben einer fröhlichen Hochzeitsgesellschaft mit Blumenkindern standen die Genossen: verknitterte Gesichter und Augenringe. Sie haben einen Wahlkampf hinter sich, in dem sie kurz gen Himmel schwebten, um dann in die Hölle zu stürzen. Wieso, weshalb, warum, das ist in den Köpfen noch nicht geordnet. Die Klausur endet mit einer Bestandsaufnahme des Scheiterns und einer noch vagen Vorstellung, wie es besser werden könnte. Auch im Hinblick auf den Landtagswahlkampf.

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In den wollen die Genossen geschlossen gehen. Schuldzuweisungen sparen sie sich. Anstatt aufeinander loszugehen, verweisen die meisten in ihren Erklärungen auf Berlin, die Bundeskampagne, die Medien. In denen seien die schlechten Umfragewerte der SPD behandelt worden, aber nicht ihre Themen. Oder aber die Plakate. "Mehr Zeit für Gerechtigkeit" - viel zu unkonkret. Das zeige auch eine Wahlanalyse, nach der 80 Prozent in Deutschland meinen, die SPD sage nicht genau, was sie für soziale Gerechtigkeit tun will. Viel zu konkret sei dagegen das Wahlprogramm gewesen. Bei all den Details zum Steuerkonzept hätten sich nicht mal SPD-Mitglieder ausgekannt. Auf den Spitzenkandidaten Martin Schulz aber will niemand schimpfen, dafür auf die große Koalition.

In ihr sieht Landeschefin Natascha Kohnen den Hauptgrund für die Niederlage. Der Vorstand beschloss einstimmig eine Absage an die große Koalition "ohne jedes Hintertürchen". Nur so könne die Sozialdemokratie für die Menschen wieder erkennbar werden. Nur so ihre Glaubwürdigkeit zurück gewinnen. Dass sich die SPD um soziale Gerechtigkeit sorgt, glauben im Bund nur noch 38 Prozent, so wenig wie nie. Damit das anders wird, soll die Zeit der Kompromisse vorbei sein. Kohnen will weg aus der Mitte, nach Links.

Die Jusos freuen sich. Endlich besinne sich die SPD wieder auf ihre Kernklientel, sagt ihre bayerische Vorsitzende Stefanie Krammer. Auch vor dem Hintergrund, dass die Linke in Bayern mit 6,1 Prozent diesmal so stark war. Welche Forderungen hinter dem angekündigten Linksruck stecken, ist noch nicht ganz klar. Generalsekretär Uli Grötsch fiel die Rente ein. Da hätte man weiter gehen müssen. In die Knie gegangen sei die Partei auch, als sie der Vorratsdatenspeicherung oder dem Handelsabkommen mit Kanada, Ceta, zugestimmt habe, sagte Kohnen. Oder der Staatstrojaner. "Das geht so nicht. Unser Grundsatz ist Freiheit." Es sind wohl einige der Impulse, die Kohnen mit anderen Landesverbänden nach Berlin senden will.

Berlin, dort muss sich vieles ändern, damit die Bayern-SPD profitiert. So sieht das Kohnen und ein Großteil der Partei. Der nächste Wahlkampf aber findet in Bayern statt, das nächste Wahlergebnis wird allein der Bayern-SPD angerechnet. Was tun, damit es nicht ähnlich schief läuft?

"Wir haben so Politik gemacht, als wenn ganz Bayern drauf warten würde, was die SPD macht", sagt Florian Ritter, Landtagsabgeordneter und Chef der Oberbayern-SPD. Dass dem nicht so sei, habe man insgeheim schon gewusst, aber keine Konsequenzen gezogen. Jetzt brauche es konkrete Maßnahmen, wie man die Leute wirklich erreicht. "Die Distanz von der theoretischen Politik hin zum Leben ist zu groß geworden", sagte Kohnen. Annähern will sie sich durch eine neue sozialdemokratische Erzählung, einen Gesellschaftsentwurf der SPD fürs 21. Jahrhundert, geleitet von der Frage: Wie will ich in Bayern leben? Die Antwort will sie der Partei nicht überstülpen, sondern Mitglieder und Nicht-Mitglieder einbeziehen.

Die SPD will ein Gegenentwurf zur CSU sein

Bei der SPD erwarten sie einen "dreckigen Wahlkampf" mit einer CSU, die weiter nach rechts will und Angst um ihre absolute Mehrheit hat. Hier will die SPD ein klarer Gegenentwurf sein, aber auch um AfD-Wähler kämpfen. Nicht alle seien beinharte Rechtsextremisten, sondern von der Politik Enttäuschte, sagte Grötsch, der den Wahlkampf leiten wird. Die Erfahrung hat der Nürnberger SPD-Oberbürgermeister Ulrich Maly auch bei der Bundestagswahl gemacht.

Um den Teil der AfD-Wähler, die sich als soziale Verlierer fühlen, müsse man sich kümmern. "Es ist ein Hilferuf, auf der Strecke zu bleiben, und den müssen wir hören", sagt Maly. Mehr über Flüchtlinge zu reden, das aber sei falsch. Dadurch würde der Eindruck, die Politik kümmere sich allein um sie, nur verstärkt. Die richtige Antwort sei eine gute Sozialpolitik und eine "Umverteilung von Respekt", sagt Maly, der als einer der wenigen von der Bayern SPD weiß, wie es ist zu regieren. Für alle, nicht nur die bei der AfD, gelte: "Die Leute wollen, dass wir uns ihnen zuwenden." Wie man das macht? "Hingehen, sich sehen lassen, die Sorgen ernst nehmen."

Nah am Volk waren einige auf der Heimreise, im Zug zwischen singenden Wiesn-Pilgern. Für ein Gespräch mit dem Bürger waren sie diesmal zu müde. Es war ein anstrengendes Wochenende.

© SZ vom 02.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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