BMW i3 im Alltagstest:Wenn sich die Batterie des E-Autos spontan entlädt

BMW i3 beim Aufladen an einer Ladesäule vor der BMW Welt.

Dank neuer Batterie soll der BMW i3 nun eine Reichweite von 300 Kilometern schaffen - unter idealen Bedingungen.

(Foto: BMW Group)

Heizung aus, Navi aus - und dann ständig der Blick auf die Reichweitenanzeige. Was ein Elektroauto-Neuling mit seinem Stromer im eisigen Winter erlebt.

Von Andrian Kreye

Es passiert einem als Normalbürger ja nicht so oft, dass man an der Ampel angestarrt wird, weil man in einem so aufsehenerregenden Auto sitzt. Schon gar nicht in München, wo es schon im Parkhaus am Flughafen so aussieht wie vor dem Beverly Hilton. Schon gar nicht in einem Ersatzwagen der Werkstatt. Aber der ist ein BMW i3. Selbst die Söhne bitten darum, das Elektro-Auto zum Angeben vor den Klassenkameraden ausnahmsweise direkt vor dem Schultor zu parken. Dabei interessieren sie sich doch eigentlich gar nicht mehr für Autos, sondern für Raumschiffe.

Womit man schon beim Thema wäre. Nun erinnert der i3 mit seiner bionischen Beulenform zwar nicht gerade an einen Sternenzerstörer, sondern eher an eines der fliegenden Taxis aus "Das fünfte Element". Auch im LED-Gleißen des Inneren gibt es eher niedlichen Retrofuturismus mit einem Armaturenbrett, das mit Hellholzfurnier auf Aluminiumkurven umgehend das Gefühl vermittelt, man sei Caren Miosga am Tagesthementisch. Was einem als überzeugter Erstanwender aber endlich beweist, dass man in der Zukunft lebt, ist der Druck auf den Startknopf.

Statt des landwirtschaftlichen Dieselns vernimmt man ein leises Surren, das im elektrischen Glissando einen "Ready-for-lift-off"-Astronautenoptimismus signalisiert. Und ja, der erste Tritt aufs - wie nennt sich das Gaspedal hier eigentlich? Aha - Fahrpedal. Da kommt jedenfalls das legendäre Drehmoment der Elektromobilität zum Einsatz, das auf ein paar Hundert Metern gerader Vorstadtstrecke auch beim i3 so viel g-Kraft erzeugt, dass die Jungs auf der Rückbank freudig quietschen.

Zugegeben, das einzig andere Elektro-Fahrerlebnis war während einer Reportage im Silicon Valley, bei der ein sehr junger Beinahe-Milliardär vorführte, was passiert, wenn man beim Tesla den sogenannten Wahnsinnsknopf drückt, der eine Schubkraft von geschätzten 750 PS erzeugt (bei den 127 kW des i3 liegt der Vergleichswert um die 170 PS). Womit wir beim zweiten Thema wären: Im Silicon Valley gibt es nämlich die idealen Fahrbedingungen für Elektroautos. Da herrschen das ganze Jahr über Zimmertemperaturen, und Menschen sämtlicher Gehaltsstufen leben in Häusern mit Doppelgarage.

Winter ist in der E-Mobilität nicht vorgesehen

Der entscheidende Unterschied sind die Temperaturen. Ein bayerischer Winter ist in der Elektromobilität nicht vorgesehen. Bei zweistelligen Minusgraden ergeht es dem i3 jedenfalls so ähnlich wie einem Smartphone: spontane Entladung.

Man startet also mit vollem Akku, für den der Bordcomputer eine Reichweite von 103 Kilometern errechnet. Fast unhörbar surrt der Wagen aus der Garage, wobei die Rampe offensichtlich schon zwei Kilometer misst. Oben dann ein leichtes Frösteln. Also die Heizung zwei Grad nach oben. Das kostet zehn Kilometer, wobei man fünf zurückgewinnt, wenn man die Heizung einfach abstellt. Überhaupt kostet Funktion so einiges. Licht? Zwei. Navi? Drei. Der kurze Weg zum Supermarkt? Acht. Auf der ersten Fahrt in die Innenstadt verschiebt sich dann das Raum-Zeit-Kontinuum vollends, weil man nun auf einmal im Stoßverkehr 30 Kilometer in zehn Minuten hinter sich gebracht hat. Oder waren es doch nur drei?

Ein Auto mit eingebauter Zukunftsangst

Der größte Stromfresser ist allerdings das Parken. Eine Nacht Ruhe im Freien macht 40 Kilometer. Was tun? Einen Blick in die digitalen Selbsthilfegruppen für Elektrofahrer werfen. Sitz- statt Innenraumheizung empfehlen sie, Wischen statt Entfrosten, Kartenlesen statt Navi, nicht beschleunigen, niemals auf die Autobahn, Klassikradio statt Radio Energy (okay, das hat wohl ein Witzbold gepostet).

So gehört zum neuen Fahrgefühl bei Strecken von mehr als zwei, drei Kilometern ein ständig banger Blick auf die Reichweitenanzeige. Philosophisch betrachtet ist auch das Futurismus, es handelt sich sozusagen um ein Auto mit eingebauter Zukunftsangst. Wie lange wird die Energie noch reichen? Was kann man sich leisten? Bleibt man bald auf der Strecke? Wie wird es weitergehen? So viel Zeitgeist gibt es selten beim Autofahren.

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