Umwelt - Stuttgart:Land muss Verkehr an Schmutzkreuzung reduzieren

Stuttgart (dpa/lsw) - Nach einer erneuten Schlappe für das Land im Rechtsstreit um Stuttgarts miese Luft könnte es nun doch zu punktuellen Fahrverboten in der Autostadt kommen. Um die Schadstoffe an Deutschlands schmutzigster Straßenkreuzung zu reduzieren, muss der Verkehr dort an Tagen mit hoher Belastung zur Not mit Fahrverboten reduziert werden, wie das Verwaltungsgericht Stuttgart am Mittwoch entschied. Bleibt das Land wie angekündigt bis Ende April 2018 untätig, droht ein sogenanntes Zwangsgeld in Höhe von 10 000 Euro. Weitere Strafen könnten folgen. Das Land kann gegen die Entscheidung noch Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof einlegen.

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Stuttgart (dpa/lsw) - Nach einer erneuten Schlappe für das Land im Rechtsstreit um Stuttgarts miese Luft könnte es nun doch zu punktuellen Fahrverboten in der Autostadt kommen. Um die Schadstoffe an Deutschlands schmutzigster Straßenkreuzung zu reduzieren, muss der Verkehr dort an Tagen mit hoher Belastung zur Not mit Fahrverboten reduziert werden, wie das Verwaltungsgericht Stuttgart am Mittwoch entschied. Bleibt das Land wie angekündigt bis Ende April 2018 untätig, droht ein sogenanntes Zwangsgeld in Höhe von 10 000 Euro. Weitere Strafen könnten folgen. Das Land kann gegen die Entscheidung noch Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof einlegen.

Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sieht im neuerlichen Dringen des Verwaltungsgerichts Stuttgarts auf Fahrverbote in Stuttgart ein weiteres Argument für die Einführung einer Blauen Plakette. Die nächste Bundesregierung müsse diese Möglichkeit schaffen. Mit der Blauen Plakette könnten ältere, schmutzigere Autos aus den Umweltzonen ausgeschlossen werden.

Saubere Luft sei "ein zentrales Ziel" der Landesregierung, betonte Hermann. Ein Baustein hätten erste Verkehrsbeschränkungen von 2018 an sein sollen. "Die Landesregierung sieht jedoch keine rechtmäßige Maßnahme zur Umsetzung von Verkehrsbeschränkungen in dem Umfang, wie sie im Vergleich angestrebt waren", sagte Hermann. Er hoffe auf Klarheit durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu einem grundsätzlichen Fahrverbotsurteil aus Stuttgart aus dem Sommer.

Im April vor zwei Jahren hatte das Land zwei Anwohnern des Neckartors in einem Vergleich versprochen, den Verkehr dort an Tagen mit extrem hoher Schadstoffbelastung um 20 Prozent zu reduzieren, sollten die EU-Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide 2017 immer noch gerissen werden. Das ist zwar der Fall, das Land blieb aber dennoch untätig. Das Argument: Jede Verkehrsreduzierung am Neckartor führe zu höherer Belastung anderorts, was laut Luftreinhalterecht verboten sei. Offenbar wolle sich das Stuttgarter Gericht darüber hinwegsetzen, sagte Regierungspräsident Wolfgang Reimer.

Richter Wolfgang Kern kennt das Verbot. "Dies führt aber nicht dazu, dass das Land am Neckartor untätig bleiben darf", heißt es in der Mitteilung des Verwaltungsgerichts. Auch auf möglichen Ausweichrouten seien die Grenzwerte für Stickstoffdioxid überschritten. "Deshalb ist das Land gesetzlich verpflichtet, auch dort entsprechende Maßnahmen zur Reduzierung der Stickstoffdioxidbelastung zu ergreifen."

Das im Vergleich zugesagte Verkehrsverbot sei in der Umweltzone Stuttgart rechtlich zulässig, betonte das Gericht. Auch eine entsprechende Beschilderung sei "in rechtlich zulässiger Weise umsetzbar". Die vom Land zuletzt noch vorgebrachte nahezu unmögliche Kontrollierbarkeit der Fahrverbote sei kein Argument. Zumindest stichprobenartige Kontrolle seien immer möglich.

Wiederholt hat das Verwaltungsgericht mit seinen Entscheidungen den Gesundheitsschutz der Bürger vor die Interessen der Autofahrer gestellt. Auf Klage der Deutschen Umwelthilfe DUH hatte es im Juli geurteilt, dass die vom Land für Stuttgart vorgesehenen Maßnahmen nicht reichten, um die verschmutzte Luft nachhaltig zu verbessern. Einzig Fahrverbote etwa für ältere Diesel seien geeignet, die zumindest für den Stuttgarter Talkessel erlassen werden müssten.

Die grün-schwarze Landesregierung ging gegen dieses Urteil vor, legte eine sogenannte Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht ein. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) begründete die Sprungrevision mit schwierigen Rechtsfragen und Rechtsunsicherheiten, die höchstrichterlich geklärt werden müssten. Mit einer Entscheidung in Leipzig ist aber nicht vor Mitte nächsten Jahres zu rechnen.

Die DUH hält das Verhalten von Grün-Schwarz für "schäbig". "Dass in der Stadt von Daimler und Porsche es nicht möglich ist, die Umweltbelastung durch Autos zu reduzieren, ist unfassbar", sagte DUH-Chef Jürgen Resch "Heilbronner Stimme" und "Mannheimer Morgen".

Der Umweltverband BUND hält die Entscheidung für die Anwohner des Neckartors vom Mittwoch für "wegweisend", wie Landeschefin Brigitte Dahlbender sagte. "Auch das Neckartor ist nicht länger ein rechtsfreier Raum, in dem der Verkehr fortlaufend gegen das Umweltrecht verstoßen darf." Fahrverbote in der Umweltzone für besonders dreckige Dieselfahrzeuge seien unvermeidlich.

Nach Ansicht der FDP-Fraktion hätte des Land den Vergleich nie eingehen dürfen, die SPD-Fraktion sprach von einem Eigentor des Landes. "Es zeugt von einem Akt politischer Dummheit und Verantwortungslosigkeit, wenn man in einem Vergleich Dinge verspricht, die man weder tatsächlich noch rechtlich erfüllen kann", sagte Fraktionschef Andreas Stoch. Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn erneut derweil seine Erfolgsmeldungen: Die Luft in Stuttgart werde nachweisbar besser, man sei aber noch lange nicht am Ziel.

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