SZ-Klimakolumne:Hurra, der Herbst ist da

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Der Herbst hat auch seine schönen Seiten - etwa am Döhrener Turm in Hannover. (Foto: Moritz Frankenberg/dpa)

Der Herbst war für unsere Autorin früher nur der Vorbote für einen zu langen, dunklen Winter. Doch mit der Klimakrise ändert sich das grundlegend.

Von Nadja Schlüter

Der heutige Klimafreitag beginnt in meinem Badezimmer. Um genau zu sein beim abendlichen Zahnputz-Ritual meiner kleinen Tochter. Die darf beim Schrubben nämlich immer ein Kinderlieder-Video auf dem Handy anschauen - und einer ihrer aktuellen Lieblingssongs heißt "Hurra, der Herbst ist da!" In dem kommt unter anderem diese Zeile vor: "Es war so heiß im Juli und August / Bin fast geplatzt, zum Rausgeh'n keine Lust".

Immer, wenn ich dieses Lied mit anhöre, erwische ich mich bei zwei Gedanken. Erstens bei der Frage, ob es so eine Zeile in einem Kinderlied vor zwanzig oder dreißig Jahren auch schon gegeben hätte - oder der Text sozusagen eine Folge der Klimakrise ist? Und zweitens bei der Feststellung, dass ich mich in diesem Jahr sehr auf den Herbst freue.

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Das ist neu. Herbst war für mich eigentlich immer nur der Vorbote für einen zu langen, zu dunklen Winter. Ich war immer ein Sommer-Kind, das Hitze mag und diese Nächte, in denen man überall hingehen kann, ohne einen Pulli mitzunehmen. Aber spätestens seit diesem Jahr ist aus dem Sommer eine Jahreszeit der Sorgen und Ängste geworden.

Denn die schlechten Nachrichten sind ja über Wochen einfach nicht abgerissen: Hitzewellen, Waldbrände, Starkregen mit Überschwemmungen. Juni, Juli und August 2023 waren die wärmsten Monate seit Beginn der Aufzeichnungen. Vor ein paar Wochen, zum Ende des meteorologischen Sommers, haben meine Kollegen die Extreme der zurückliegenden Monate zusammengefasst. Und mussten kurze Zeit später schon von einem neuen Rekord berichten: Auch der September war der wärmste je gemessene in Deutschland. Im Text dazu gibt es auch ein interaktives Dashboard, mit dem Sie herausfinden können, inwiefern das Wetter im September in Ihrem Wohnort vom langjährigen Mittel abgewichen ist. Bei mir in München war es zum Beispiel 3,5 Grad wärmer. Auch weltweit war es der heißeste September seit Beginn der Messungen. Was dahinter stecken könnte und warum Klimaforscher besorgt auf den Winter schauen, erklärt mein Kollege Benjamin von Brackel hier.

Diese Woche ist es in Deutschland endlich etwas abgekühlt - und ich hoffe, dass uns eine Verschnaufpause vergönnt ist. Wir mal durchatmen können in der kühleren Herbstluft. Denn ich bin mir sicher, dass das unsere Zukunft ist: Sich nicht nur im November fragen, wie man den langen Winter überstehen soll, sondern sich auch im April schon vor dem kommenden Sommer fürchten.

Meine Tochter liebt das eingangs erwähnte Lied übrigens gar nicht unbedingt, weil auch sie sich besonders auf den Herbst freut, sondern vor allem, weil die Tiere im Video dazu Tretroller fahren. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie verstehen wird, was gerade mit unserer Welt passiert. Und klar: Damit auch sie in Zukunft noch die Möglichkeit hat, zu verschnaufen, darf der Herbst nicht dazu führen, dass wir vergessen, was im Sommer passiert ist. Dass wir in dem Gefühl verharren, dass eigentlich alles gar nicht so schlimm ist - und wir deswegen auch nicht handeln müssen. Denn der Klimawandel macht natürlich auch im Herbst keine Pause.

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

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