Sibirien:Die Hitze und das Gas

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Ein Freiwilliger überwacht 2021 im russischen Gorny ein Gegenfeuer, das die Ausbreitung des Feuers westlich von Jakutsk eindämmen soll. (Foto: Ivan Nikiforov/dpa)

Eine langanhaltende Hitzewelle in Sibirien könnte große Mengen Methan aus dem Untergrund freigesetzt haben, berichten Geologen. Doch an den Messungen gibt es Zweifel.

Von Christoph von Eichhorn

Eine nie dagewesene Hitze erfasste Sibirien im vergangenen Jahr. Schon im Frühling ging es mit ungewöhnlich warmen Temperaturen los, im Juni meldete das Dorf Nischnjaja Pjoscha nördlich des Polarkreises 30 Grad Celsius. Die Hitzewelle begünstigte Insektenplagen und Brände, die Wälder auf einer Fläche von mehr als 250 000 Quadratkilometern verheerten.

Einen anderen Effekt könnte die Hitze dagegen im Untergrund gehabt haben. Wie drei Geologen im US-Fachmagazin PNAS berichten, haben die hohen Temperaturen womöglich zu einer erheblichen Freisetzung von Methan geführt, einem besonders potenten Treibhausgas. Sollte sich die These bewahrheiten, könnte das auf eine bislang kaum beachtete Quelle für Emissionen hindeuten, die umso stärker ins Gewicht fällt, je weiter die Temperaturen steigen. Allerdings bestehen derzeit Zweifel, ob die in der Studie verwendeten Daten korrekt interpretiert wurden.

Sollte sich der Fund bestätigen, käme ein bisher unbekanntes Problem auf die Region zu

Die Messungen der Geologen Nikolaus Froitzheim, Jaroslaw Majka und Dmitry Zastrozhnov beziehen sich auf die Taimyrhalbinsel ganz im Norden Sibiriens, wo 2020 mit einem durchschnittlichen Plus von sechs Grad Celsius im Vergleich zum langjährigen Mittel besonders extreme Temperaturen beobachtet wurden. Dort entdeckten die Forscher mit einem Satelliten während der Hitzewelle stark erhöhte Methanwerte, vor allem über langgestreckten Kalksteinformationen in der Region.

Dieser Fund wäre verwunderlich. Zwar besteht schon länger die Sorge, dass der tauende Permafrostboden in Sibirien zu einer Freisetzung von Methan führen könnte. Allerdings geht es dabei meist um Methan aus organischen Quellen: Wenn der Boden und darin enthaltene pflanzliche Stoffe sich erwärmen, können diese von Mikroorganismen zersetzt werden, dabei entstehen Treibhausgase. Dagegen sind die beiden untersuchten Kalksteinfelsen kaum von Erdreich bedeckt. "Hier liegt der nackte Kalkstein auf der Erdoberfläche", sagt Nikolaus Froitzheim, der an der Uni Bonn forscht. In der Studie äußern die Autoren die Vermutung, dass die hohen Temperaturen sogenanntes thermogenes Erdgas freigesetzt haben, das zuvor zusammen mit Eis im Schiefergestein gebunden war. Diese Erdgaslagerstätten könnten demnach undicht geworden sein, weil die Hitze das Eis wegschmelzen ließ.

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"Wenn alles so stimmt, wie es die Studie präsentiert, ist es durchaus ein umfangreicheres Problem, das noch nicht auf dem Schirm war", sagt der Permafrost-Forscher Guido Grosse vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI). Allerdings werfe die Studie Fragen auf: So seien die Methanwerte vor der Hitzewelle 2020 unbekannt, es gebe also keinen Vergleichszeitraum. Zudem sei nicht modelliert worden, bis in welche Tiefe die Hitze in die Gesteine habe vordringen können. Es sei bemerkenswert, wie klar die Gesteinsformationen in den Satellitendaten hervorstechen, so der Klimaforscher Hinrich Schaefer vom National Institute of Water & Atmospheric Research in Neuseeland. "Das könnte allerdings auch ein Hinweis darauf sein, dass die erhöhten Methanwerte auf Fehlinterpretationen der Rohdaten beruhen." Einflüsse wie örtliche Geologie und Mikroklima könnten die Ergebnisse verfälschen.

Mittlerweile räumt auch Froitzheim ein, dass es sich um ein "Artefakt" in den Satellitendaten handeln könnte. "Kalksteine sind etwas heller, das kann zu einem Signal führen, das örtlich als erhöhte Methankonzentration ausgegeben wird." Darauf hätten ihn Kollegen nach Veröffentlichung der Studie aufmerksam gemacht, dies werde nun untersucht. In jedem Fall besteht zur Frage, wie sich die Erderwärmung auf den Permafrost auswirkt, großer Forschungsbedarf: Das in Eis gebundene Erdgas enthält geschätzte 20 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, ein Auftauen könnte den Klimawandel also deutlich beschleunigen.

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