Artenvielfalt:Jeder vierte Käfer ist gefährdet

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Laut einer neuen Roten Liste des Bundesamts für Naturschutz geht es den Käfern ähnlich schlecht wie anderen Insekten. Hunderte Arten sind bereits verschollen oder ausgestorben.

Von Thomas Hummel

Karl der Käfer wurde bereits 1983 fortgejagt. Die Musikgruppe Gänsehaut wies unter anderem in der ZDF-Hitparade mit ihrem Lied auf die um sich greifende Naturzerstörung durch den Menschen hin, der Karl der Käfer zum Opfer fiel. Fast 40 Jahre später sieht es für Karls Nachkommen kaum besser aus. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat am Donnerstag eine neue bundesweite Rote Liste veröffentlicht, darin untersuchte es 6750 Insektenarten, der weitaus größte Anteil davon Käfer. Ergebnis: 26,2 Prozent sind ihrem Bestand gefährdet.

Unter den vielen unterschiedlichen Käfern haben es vor allem diejenigen schwer, die an bestimmte Habitate oder Wirtspflanzen gebunden sind. Wenn ihnen zum Beispiel der Mensch oder die Veränderungen durch den Klimawandel diese Lebensräume nimmt, haben sie wenig Möglichkeit, dem Druck auszuweichen. So geht es nach Angaben des BfN etwa einem kleinen Dungkäfer namens Chilothorax pictus schlecht. Die Meldungen seien seit Jahrzehnten rückläufig, viele Vorkommen seien verschwunden, die Art sei vom Aussterben bedroht. Als mögliche Ursache nennt das Bundesamt die Veränderungen in der Landwirtschaft von kleinbäuerlicher Bewirtschaftung hin zu industrieller. Zudem die "Zerstörung ökologischer Nischen durch Maßnahmen der Flurbereinigung". Da ein großer Teil der Gesamtpopulation des Käfers in Deutschland heimisch ist, trage das Land eine große Verantwortung zum Erhalt der Art, so das BfN.

Dabei ist der Chilothorax pictus nur ein Beispiel von vielen. In der neuen Untersuchung geht das Bundesamt für Naturschutz davon aus, dass 249 Arten (3,7 Prozent) bereits ausgestorben oder verschollen sind. Bei lediglich 190 Arten stellten die insgesamt 130 Autorinnen und Autoren der Studie eine Zunahme der Population fest.

Besonders stark unter Druck sind auch Arten, die auf Gewässer angewiesen sind

Schon die große Koalition hatte ein Aktionsprogramm Insektenschutz und neue Regeln für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln beschlossen. Auf Drängen der Europäischen Union gab es auch Einschränkungen für das Ausbringen von Gülle und Kunstdünger auf den Feldern, aufgrund weiterhin zu hoher Nitratwerte im Grundwasser droht hier allerdings eine weitere Verschärfung. Das alles erregt den Ärger von Landwirten, die um ihre Erträge bangen, es rollten schon mehrere Traktor-Demonstrationen durch Berlin. Allerdings musste selbst die bayerische CSU, die traditionell den Bauernverbänden nahesteht, einsehen, dass die Bevölkerung massiv beunruhigt ist ob des Insektenrückgangs. Das Volksbegehren "Rettet die Bienen" war 2019 das erfolgreichste in der Geschichte des Freistaates.

Besonders betroffen sind nach der neuen Roten Liste viele Arten und Unterarten der Blattkäfer (41,1 Prozent im Bestand gefährdet), Rüsselkäfer (39 Prozent) oder Blatthornkäfer (32,8 Prozent). Zu diesen gehören bekannte Exemplare wie der Kartoffelkäfer, der Mistkäfer oder der Maikäfer. Noch stärker unter Druck sind nach Zählung des BfN Steinfliegen (46,4 Prozent) und Eintagsfliegen (40,5 Prozent), die sich gerne im Umfeld von Gewässern aufhalten. Andauernde Verschmutzung wie der Ausbau oder die Begradigung von Seen, Flüssen und Bächen führten seit Jahrzehnten zu einem Rückgang der Arten. Zwar habe sich die Wasserqualität in der jüngeren Vergangenheit oftmals erheblich verbessert, doch hätten sich viele Bestände noch nicht erholt. "Der hohe Anteil bestandsgefährdeter Arten unter den aquatischen Insekten zeigt dringenden Handlungsbedarf", erklärt BfN-Präsidentin Sabine Riewenherm. Man müsse Gewässer naturnäher gestalten sowie ihre Uferbereiche erhalten.

Der Biologe und Autor Klaus Enting stellte im Auftrag des BfN fest, dass die extrem seltene Steinfliege Isoperla silesica in Thüringen vom Aussterben bedroht ist, weil die einzige Population in dem Bundesland durch einen "Gewässerausbau zur Anlage einer Skipiste" verdrängt worden sei. Dies zeige, dass auch ein zunehmender Freizeitdruck auf die Natur ein Problem für die Artenvielfalt sein kann. Bei zwei weiteren Steinfliegen-Arten verschärfe sich die Lage, weil diese vor allem in den höchsten Mittelgebirgslagen vorkommen und dort aufgrund der heißen und trockenen Sommer unter Wasserentzug leiden. Diese Arten fallen damit unter die Kategorie Opfer des Klimawandels.

Die aktuelle Rote Liste ist Band fünf von acht geplanten Werken zur Situation von Tier-, Pflanzen- und Pilzarten unter Federführung des BfN. Und gleichzeitig der dritte und letzte Band einer 2009 begonnenen Untersuchung zu wirbellosen Tieren. "Die neue Rote Liste bestätigt den negativen Trend", erklärt Riewenherm. Schon die beiden vorherigen Bände ergaben ähnliche Gefährdungslagen. Fast 30 Prozent der betrachteten Arten landeten demnach in den Kategorien "Vom Aussterben bedroht", "Stark gefährdet", "Gefährdet" oder "Gefährdung unbekannten Ausmaßes".

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