Biologie:Gackern mit Gefühl

Lesezeit: 2 min

Es ist anzunehmen, dass sich Hühner freuen, wenn sie gefüttert werden. Menschen können Emotionen der Tiere aber auch nur an ihren Geräuschen erkennen. (Foto: imago stock/imago/Westend61)

Menschen können hören, ob sich Hühner freuen oder ob sie frustriert sind. Die Forschung könnte dabei helfen, die Haltungsbedingungen zu verbessern.

Von Nicolas Killian

Es klingt wie eine Sendung von "Wetten, dass ...?" Thomas Gottschalk läuft federnd über die Bühne. Eine Kandidatin steht neben einem Haufen Hühner, die Augen mit einer Brille aus Plastikeiern abgedeckt. Sie wettet: Nur anhand des Gackerns könne sie erkennen, ob die Tiere aufgeregt oder frustriert sind. Top, die Wette gilt!

Auf ähnliche Weise lief ein Experiment von Forschenden um die Verhaltensforscherin Nicky McGrath von der University of Queensland in Brisbane, Australien. Wie sie nun in der Fachzeitschrift Royal Society Open Science berichten, können Menschen aus dem Gackern von Hühnern erstaunlich gut heraushören, wie sich die Tiere fühlen.

Ihr Experiment war natürlich keine Wette für eine Samstagabend-Show, sondern hatte einen ernsten Hintergrund: Das Haushuhn ist das häufigste Nutztier der Welt. Jedes Jahr werden nach Schätzungen der Vereinten Nationen mehr als 70 Milliarden Hühner geschlachtet. Die Fähigkeit, emotionale Informationen aus den Rufen der Tiere zu erkennen, könnte deren Wohlbefinden in Mastbetrieben steigern, sagt Joerg Henning, Veterinär-Epidemiologe an der University of Queensland und Mitautor der Studie, laut einer Mitteilung. Denn damit ließe sich leichter überwachen, in welcher Verfassung sich die gehaltenen Tiere befinden. Zukünftig könnten dabei auch Systeme mit künstlicher Intelligenz eingesetzt werden.

Menschen können auch den Gemütszustand von Schweinen und Laubfröschen deuten

Das Forscherteam spielte in seinem Experiment 192 menschlichen Versuchsteilnehmern Tonaufnahmen von zwölf weiblichen Haushühnern vor. Diese erwarteten entweder eine Belohnung oder eine Enttäuschung - und gackerten. Die Aufnahmen stammten aus einem früheren Experiment. Die Hennen hatten gelernt, Geräusche - etwa das Klingeln eines alten Telefons, oder das Tröten einer Autohupe - mit verschiedenen Folgen zu assoziieren. Je nach Ton wartete auf die Hühner etwas anderes hinter einer Tür. Entweder eine Belohnung: Schüsseln voller Mehlwürmer, normales Futter oder ein Staubbad für die Federn. Oder eine herbe Enttäuschung: eine leere Schüssel. Wenn die Hennen sich auf volle Schüsseln freuten, gackerten sie entweder schneller oder höher. Letzteres wird auch Futterruf genannt. Zu hören ist er etwa in diesem Video:

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Auf eine bevorstehende Enttäuschung reagierten die Hühner dagegen mit Wimmern oder weinerlichem Gackeln. Einen Eindruck davon verschafft diese Tonspur:

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Das Ergebnis des Experiments: 69 Prozent der Personen konnten heraushören, ob die Hühner sich freuten oder ärgerten. Das sei bemerkenswert, wird Joerg Henning zitiert. Es sei ein weiterer Beleg dafür, dass der Mensch den emotionalen Kontext der Rufe verschiedener Tierarten erkennen könne. Bisherige Forschungsarbeiten haben bereits gezeigt, dass viele Tiere Gefühle auf ähnliche Weise ausdrücken und Menschen deren Laute zuordnen können. Möglicherweise sei das schon für frühe Primaten eine überlebenswichtige Fähigkeit gewesen, die sich deshalb evolutionär durchgesetzt habe. Frühere Studien zeigten etwa, dass Menschen den Gemütszustand von Säugetieren erkennen können, etwa von Hunden und Schweinen, aber auch Elefanten und Elchen. Besonders die Stimmlage verrät die Stimmung der Tiere: Ängstliche Tiere geben tendenziell hohe Laute von sich, während aggressive Tiere tiefer und rauer klingen. Doch Menschen können auch die Stimmung entfernterer Verwandter deuten, etwa von Reptilien und Amphibien. Eine Studie zeigte, dass sie anhand der Laute von Laubfröschen und Alligatoren erkennen können, ob diese sich bedroht oder gestört fühlen.

Bei den australischen Hühnern zeigte die Studie sogar: Vorerfahrung mit Hühnern spielt keine Rolle bei der Fähigkeit, aus dem Gackern Frustration oder Freude herauszuhören. Angestellte in der Geflügelindustrie schnitten nicht besser ab als andere.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSchönheit und Biologie
:Warum sind Menschen eigentlich nicht bunt?

Schönheit liegt im Auge des Betrachters, heißt es. Doch der Ursprung der ästhetischen Wahrnehmung liegt in der Evolution der Geschlechter, sagt Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard. Ein Gespräch über Körper, Kommunikation und Kultur.

Interview: Markus C. Schulte von Drach

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: