Geschichte - Weimar:Historiker: Putin zieht Leid der Rotarmisten in den Dreck

Deutschland
Jens-Christian Wagner, Historiker und Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Weimar (dpa/th) - Der Historiker Jens-Christian Wagner sieht das Andenken der einst für die Befreiung Europas vom Nationalsozialismus kämpfenden Sowjetsoldaten durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine beschmutzt. Mit der Behauptung, die Ukraine "entnazifizieren" zu wollen, signalisiere Russlands Präsident Putin, "den Zweiten Weltkrieg zu Ende zu führen", sagte der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora der Deutschen Presse-Agentur. "Damit zieht er das Leid der Menschen, die Europa befreit haben, in den Dreck." Der Tag der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands im Zweiten Weltkrieg am 8. Mai 1945 jährt sich am Sonntag zum 77. Mal.

In mehreren Orten sind Gedenkveranstaltungen geplant. In Weimar etwa sollen nach Angaben der Stadtverwaltung aus Ton gebrannte Friedenstauben auf sowjetische Soldatengräber gelegt werden. In Erfurt soll der Vorsitzende der jüdischen Landesgemeinde in Thüringen, Reinhard Schramm, die Gedenkrede halten.

Der 8. Mai sei einer der ganz wesentlichen Tage für die deutsche und europäische Geschichte und für das Erinnern an die Befreier immens wichtig, sagte Wagner. Angesichts des Ukraine-Kriegs sei das Gedenken in diesem Jahr aber ein Balance-Akt. "Es sollte nach Möglichkeit verhindert werden, dass russische Regierungsvertreter diese Veranstaltungen für ihre Zwecke kapern." Vielmehr sollten Geflüchtete aus der Ukraine eingeladen werden. In der Roten Armee hätten Soldaten nicht nur aus Russland, sondern aus der Ukraine, Belarus und anderen Teilrepubliken der Sowjetunion gekämpft. Ukrainische Rotarmisten hätten immense Opfer gebracht, um ihre Heimat zu befreien.

Wagner verwies darauf, dass in Russland bereits seit Jahren eine Umdeutung des Gedenktages zu beobachten sei. Er habe sich gewandelt von einem Tag der Freude über den Sieg gegen das nationalsozialistische Deutschland in ein "faschistoides Ritual expansionistischer Ideologie" und diene der Re-Stalinisierung Russlands.

Am 8. Mai 1945 endete mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht der von Hitler-Deutschland entfesselte Zweite Weltkrieg in Europa. Er kostete je nach Schätzung zwischen 55 und mehr als 60 Millionen Menschen das Leben. Die Sowjetunion zählte 27 Millionen Tote - mehr als jedes andere Land.

© dpa-infocom, dpa:220505-99-162856/2

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