Intelligenz bei Tieren:Wie schlaue Falken Rätsel lösen

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Falklandkarakaras sind extrem einfallsreich und schlau. (Foto: MARTIN ZWICK via www.imago-images.de/imago images/UIG)

Raubvögel wie die Falklandkarakaras galten bislang nicht als besonders intelligent. Dabei können sie es durchaus mit den superschlauen Papageien und Rabenvögeln aufnehmen.

Von Tina Baier

Wer das Verhalten wild lebender Tiere beobachten will, muss normalerweise viel Geduld haben: Allein bis sich die Tiere an die Anwesenheit eines Menschen gewöhnt haben, braucht es viel Zeit. Erst danach kommen Biologinnen und Biologen erstens nahe genug an ihre Forschungsobjekte heran, und zweitens zeigen die Tiere auch dann erst ihr natürliches Verhalten.

Katie Harrington hatte dieses Problem nicht. Als die Verhaltensökologin von der Veterinärmedizinischen Universität Wien die Intelligenz von Falklandkarakaras testen wollte, musste sie sich die Geierfalken, die nur an den Küsten der Falklandinseln und auf Feuerland vorkommen, oft geradezu vom Leib halten. Auch ihre Ausrüstung musste sie immer wieder in Sicherheit bringen - die Falken, die zu den seltensten Raubvögeln der Welt gehören, wollten die unbekannten Geräte unbedingt untersuchen.

Diese große Neugier der Karakaras, die auch Johnny Rook genannt werden, war der erste Hinweis, dass die Vögel etwas Besonderes sind. Denn nur wer neugierig ist und neue Dinge ausprobiert, ist innovativ. Und Innovation, also zum Beispiel die Fähigkeit, eine neue Lösung für ein Problem zu finden, ist für Verhaltensbiologinnen und Verhaltensbiologen ein Maß für die Intelligenz eines Lebewesens.

Tatsächlich fand Katie Harrington heraus, dass die Johnny Rooks zu den Superhirnen in der Vogelwelt gehören. Ihren Ergebnissen zufolge, die die Forscherin kürzlich im Wissenschaftsjournal Current Biology veröffentlicht hat, können es die Karakaras durchaus mit der Intelligenz der viel gepriesenen Papageien aufnehmen, von denen manche die menschliche Sprache lernen können und gezielt Werkzeuge benutzen. Oder der von Rabenvögeln, von denen man weiß, dass einige Arten sogar versteckte Zusammenhänge begreifen und abstrakt denken können.

Die Johnny Rooks zogen Drähte, schoben Türchen zur Seite und rüttelten an Bolzen, um an ihre Belohnung zu kommen

Harrington testete 15 Johnny Ro0ks in ihrer natürlichen Umgebung auf den Falklandinseln mithilfe einer "Innovationsbox", die ursprünglich entwickelt wurde, um die Intelligenz von Goffinkakadus zu testen, einer Papageienart, die als äußerst schlau gilt. Die Box ist achteckig, besteht aus Plexiglas und ist in acht Kompartimente unterteilt. Jedes Kompartiment enthält eine für die Vögel sichtbare Belohnung, für die Karakaras legte Harrington kleine Fleischstückchen hinein. Um die Belohnung zu bekommen, müssen die Versuchstiere erst eine Aufgabe lösen, und zwar für jedes der acht Kompartimente eine andere.

In Harringtons Experiment mussten die Karakaras etwa mit dem Fuß oder dem Schnabel an einer Art Bolzen rütteln, bis das Fleischstückchen herunterfiel. Andere Aufgaben waren, an einem Draht zu ziehen, sodass sich ein Fenster öffnete und die Belohnung freigab; ein Türchen zur Seite zu schieben, oder gar ein Papier zu zerreißen, das ein Fenster verklebte, hinter dem die Belohnung war.

Zehn der 15 Johnny Rooks, die Harrington testete, schafften es, alle acht Aufgaben zu lösen und an die Belohnung heranzukommen. Keines der Tiere scheiterte komplett, alle fanden zumindest die Lösung für eine Aufgabe und das, obwohl es sich um wilde Tiere handelte, die noch nie in ihrem Leben so ein merkwürdiges Ding wie eine "Innovationsbox" gesehen hatten. Am schwersten sei es den Falken gefallen, das Papier zu zerreißen, schreibt Harrington in ihrer Studie. Außerdem eine Aufgabe namens "twig", bei der die Tiere ein kleines Holzstück entfernen mussten, sodass sich ein Brettchen absenkte und die Belohnung herunterfiel.

Insgesamt schnitten die Karakaras genauso gut ab, wie die Goffinkakadus, die in einem anderen Experiment vor genau dieselben Probleme gestellt worden waren. Manche Aufgaben lösten sie der Untersuchung zufolge sogar besser.

Doch während die Intelligenz von Papageien schon länger bekannt ist, sind die kognitiven Fähigkeiten der Geierfalken eine Überraschung. Die gut einen halben Meter großen Tiere sind zwar mit Papageien und Krähen verwandt, doch bislang galten Raubvögel unter Verhaltensforscherinnen und -forschern grundsätzlich nicht als besonders schlau oder einfallsreich.

Harrington glaubt, dass der Einfallsreichtum der Johnny Rooks mit ihrem kargen Lebensraum zu tun hat. Im Sommer können sich die Falken immer wieder Mal ein Tier aus einer der Seevogel-Kolonien greifen, die auf den Falklandinseln nisten. Doch im Winter sind die Seevögel nicht da. Und die Karakaras müssen sich etwas einfallen lassen, um nicht zu verhungern.

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