Archäologie:Zu großer Körper, zu kleines Gehirn

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Ein Europäischer Waldelefant (auch: Eurasischer Altelefant) bei einer Ausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Säbelzahnkatzen, Beutellöwen und andere ausgestorbene Tiere der Urgeschichte hatten vergleichsweise kleine Gehirne. Womöglich hatten sie gerade deshalb keine Chance gegen den Menschen.

Von Jakob Wetzel

Der Europäische Waldelefant war ein Koloss. Bullen erreichten eine Schulterhöhe von mehr als vier Metern und wogen bis zu elf Tonnen, die Tiere wurden also um etwa ein Drittel größer als heutige Elefanten und zwei bis drei Mal so schwer. Fossilien dieser Giganten sind in ganz Europa und in Vorderasien gefunden worden, auch in Deutschland, etwa im Geiseltal in Sachsen-Anhalt. Die Tiere lebten im eiszeitlichen Pleistozän, und sie kamen auch mit Kälte zurecht, dann wuchs ihnen vermutlich ein Fell. Doch sie hatten einen Nachteil - und Wissenschaftlern zufolge könnte der mit ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass der Europäische Waldelefant ausgestorben ist, seine kleineren Verwandten in Asien und Afrika aber nicht, zumindest noch nicht. Gemessen an ihrer Gesamtgröße war ihr Gehirn klein.

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Forscherinnen und Forscher aus Tel Aviv und Neapel haben sich nicht nur mit dem Europäischen Waldelefanten befasst, sondern mit 50 Arten großer Tiere, die in den vergangenen 120 000 Jahren ausgestorben sind, darunter Riesenfaultiere und Amerikanische Mastodonten, Säbelzahnkatzen und australische Beutellöwen. Diese Tiere gingen allesamt in Kaltzeiten zugrunde, wegen des Klimas, weil sie von anderen Tieren verdrängt wurden oder weil sie von Menschen gejagt und schließlich ausgerottet wurden. Doch warum starben gerade sie aus, während andere Großtiere überlebten, Elefanten und Nashörner etwa, Flusspferde und Leoparden?

Um diese Frage zu beantworten, verglichen die Wissenschaftler die Proportionen der ausgestorbenen Tiere mit 291 überlebenden Spezies ähnlicher Größe. Und wie sie nun in der Zeitschrift Scientific Reports berichten, stellten sie dabei fest: Die überlebenden Arten hatten erheblich mehr Platz in ihren Schädeln.

Je größer eine Tierart war, desto eher starb sie aus

"Wir haben herausgefunden, dass die überlebenden Arten im Schnitt um 53 Prozent größere Gehirne hatten als evolutionär eng verwandte, ausgestorbene Arten mit ähnlicher Körpergröße", sagt der Zoologe Shai Meiri von der Universität Tel Aviv, Mitautor der Studie. Die Aussagekraft der Analyse hinsichtlich einzelner Spezies ist zwar begrenzt, weil fossile Funde oft spärlich sind. Doch über alle Tierarten hinweg zeigte sich dasselbe Bild. Der dominierende Faktor, der über die Zukunft einer Spezies entschied, war demnach zwar deren Körpergröße: Je größer eine Tierart war, desto wahrscheinlicher starb sie aus - große Tiere pflanzen sich langsamer fort. Aber Arten mit relativ großem Gehirn überlebten dennoch, trotz ihrer Größe.

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Mehr graue Zellen hätten sich auch als Nachteil erweisen können: Je größer das Gehirn, desto mehr Energie braucht ein Tier, und umso länger dauert es, bis ein Jungtier reift und fortpflanzungsfähig wird. Beides erhöht eigentlich das Risiko auszusterben. Doch ihr vergleichsweise großes Gehirn habe den Tieren wohl einen Vorteil verschafft, vermutet der Hauptautor der Studie, der Zoologe Jacob Dembitzer, der gerade in Neapel promoviert. Speziell für das Aussterben großer Tiere sei oft der Mensch verantwortlich. Tiere mit größeren Gehirnen aber hätten sich auf dessen Angriffe wohl besser einstellen können.

Diese Ergebnisse könnten laut Dembitzer womöglich auch dabei helfen, ein weiteres Rätsel zu lösen: Warum ist in Südamerika und in Australien nahezu alles ausgestorben, was größer war als ein Vicuña oder ein Rotes Riesenkänguru, während anderswo auch größere Tiere überleben konnten? Das Klima habe sich auf den beiden Kontinenten besonders drastisch verändert, und der Mensch habe dort heftig gewütet, heiße es bislang. Doch offenbar gab es einen weiteren Faktor: Die dortigen Großtiere hatten auch noch relativ wenig im Kopf.

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