Archäologie:Beste Freunde in der Steinzeit

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Diese Ringfragmente wurden wohl gezielt auseinandergebrochen. An Schnüren aufgefädelt trug man sie um den Hals. (Foto: Marja Ahola)

Schon vor 6000 Jahren zeigten sich Menschen mit zerbrochenen Anhängern ihre Verbundenheit. Diese erinnern fast an heutige Freundschaftsanhänger.

Von Jakob Wetzel

Es gibt sie in allen möglichen Formen. Einige sind aus Silber oder Gold, andere aus Holz. Oft ist so etwas wie "Beste Freunde" eingraviert. Manche Anhänger sehen aus wie geteilte Herzen, andere wie ineinander passende Puzzleteile, wieder andere formen zusammen Yin und Yang. Und sie sind kein moderner Trend: Schon in der Steinzeit vor etwa 6000 Jahren haben Menschen in Nordosteuropa wahrscheinlich Freundschaftsanhänger hergestellt. Das berichten finnische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Journal of Archaeological Method and Theory. Demnach verschenkten die Menschen damals entzwei gebrochene steinerne Ringe, um sich ihrer Zusammengehörigkeit zu versichern.

Bisher hatte man diese Ringe für gewöhnliche Schmuckstücke gehalten. In Nordosteuropa waren sie besonders in der sogenannten Kammkeramikkultur im vierten Jahrtausend vor Christus verbreitet. Die Menschen betrieben damals bereits ansatzweise Landwirtschaft, lebten aber hauptsächlich noch als Jäger, Fischer und Sammler. Sie fertigten Keramik, die sie mit unterbrochenen Linien verzierten; vermutlich benutzten sie dafür kammartige Werkzeuge, daher der Name. Und sie hinterließen eben jene Schmuckringe aus Stein.

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Alleine bei Ausgrabungen im heutigen Finnland sind in den vergangenen Jahren 35 intakte Ringe und mehr als 200 Fragmente aus Schiefer- und Tuffitgestein gefunden worden, viele davon mit gebohrten Löchern. An Freundschaftsanhänger dachte dabei zunächst niemand. Dass viele Ringe zerbrochen waren, schien einzig der Zeit geschuldet zu sein. Die Stücke lagen schließlich mehrere Jahrtausende im Boden; das meiste, was Archäologen ausgraben, ist nur in Bruchstücken erhalten. Die Löcher in den Ringteilen hatte man sich wiederum mit Reparaturversuchen erklärt: Die betreffenden Ringe seien wohl schon in der Steinzeit versehentlich zu Bruch gegangen, die Menschen hätten sie deshalb durchbohrt und versucht, die Teile wieder zusammenzubinden.

Die Materialien wurden über größere Entfernungen gehandelt

Nun aber haben sich Wissenschaftler der Universitäten von Helsinki und Turku 197 dieser Ringe und Fragmente näher angesehen. Dabei fanden sie an einigen Bruchkanten deutliche Spuren von Werkzeugen. Jemand hatte die Ringe demnach gezielt zerbrochen. In den Löchern wiederum fanden sie Reibespuren - ein Hinweis darauf, dass die Anhänger an Stricken um den Hals getragen wurden.

Der Rest glich einem Puzzlespiel. Die Archäologen sortierten die Fragmente nach Größe, Farbe und Form, sie untersuchten zudem die chemische Zusammensetzung der Schmuckstücke. Das Material vieler Ringe stammte demnach aus der Region um den Onegasee im Nordwesten des heutigen Russlands. Die Ringe oder zumindest die Steine wurden also offensichtlich über größere Entfernungen gehandelt.

Und die Forscher fanden tatsächlich einzelne Stücke, die zusammenpassten. Ein Paar fügte sich besonders gut ineinander; hier hatten Archäologen den einen Teil des Rings in Nikkarinmäki östlich von Helsinki gefunden und den anderen in Hietaniemenkangas, mehr als 100 Kilometer Luftlinie weiter nordöstlich. Die zwei Teile wurden, einmal getrennt, unterschiedlich bearbeitet. Die Forscher schließen daraus, dass sie im Besitz verschiedener Menschen gewesen sein könnten. "Vielleicht trugen sie die Schmuckstücke als Symbol ihrer Verbindung", sagt die Archäologin Marja Ahola von der Universität Helsinki, die Erstautorin der Studie.

Die Freundschaftsringe aus der Steinzeit waren unterschiedlich groß. Manche hatten einen Durchmesser von drei Zentimetern, andere waren fünf Mal so groß. Einige waren hellbraun bis grau, andere grün; manche hatten einen eckigen Querschnitt, andere einen ovalen. Und die meisten waren einfach glatt poliert.

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