Umweltschutz:Zusammen gegen die Katastrophe

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Naturverträgliche Landwirtschaft, hier auf der Seiser Alm in Südtirol, gilt als zentral, wenn man Arten- und Klimaschutz vereinbaren will. (Foto: Luca Renner/imago images/imagebroker)

Erstmals haben der Klimarat IPCC und der Biodiversitätsrat IPBES gemeinsame Vorschläge gemacht, wie man Natur und Klima zugleich schützen kann. Doch die Zeit dafür läuft ab.

Von Thomas Krumenacker

Klimakrise und Artensterben sind zwei der größten globalen Probleme. In der heißen Vorbereitungsphase zu entscheidenden UN-Umweltgipfeln gewinnt derzeit die Idee deutlich an Schwung, beide Menschheitsgeißeln auch gemeinsam zu bekämpfen - schließlich haben sie mit einer Übernutzung des Planeten durch menschliche Aktivitäten auch dieselbe Ursache. Das Schlagwort dazu lautet "Nature-based Solutions" oder "naturbasierte Lösungen".

Der Gedanke dahinter lässt sich auf die Formel bringen: Naturschutz als Beitrag zum Klimaschutz. Intakte Ökosysteme wie Wälder, Moore, Grünland, Savannen, Salzmarschen oder Seegraswiesen sind einerseits wichtige Lebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten. Gleichzeitig sind sie in der Lage, Kohlenstoff in großem Umfang abzubauen und zu speichern. Damit könne der zum Stopp des Artensterbens dringend nötige Erhalt und bessere Schutz dieser Lebensräume auch einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Erderwärmung und die Minderung ihrer Folgen leisten, lautet die Philosophie. Der Zuspruch zu diesem Konzept ist in den vergangenen Monaten deutlich gewachsen.

So hat die Generalsekretärin der Klimakonvention, Patricia Espinosa, gerade angekündigt, den naturbasierten Ansatz zu einem Schwerpunkt des im November anstehenden Klimagipfels in Glasgow zu machen; die Regierungen in London und Paris legten Milliardenprogramme für kombinierten Natur- und Klimaschutz auf und auch die G-7-Umweltminister bekannten sich bei ihrem jüngsten Treffen zu dem Konzept, die Freisetzung von Treibhausgasen durch den Schutz von Ökosystemen zu verringern. "Die Natur ist unsere beste Verteidigungslinie im Kampf gegen den Klimawandel", schwärmte der US-Klimagesandte John Kerry kürzlich bei seinem Berlin-Besuch.

Klima- und Artenschutz werden oft als Gegenspieler betrachtet - zu Unrecht

Einen weiteren Schub dürften die Naturlösungen nun auch durch einen am Donnerstag in Bonn vorgestellten Bericht bekommen. In dem gut 300 Seiten starken Report analysieren Weltklimarat IPCC und Weltbiodiversitätsrat IPBES das Zusammenspiel von Klimawandel, Naturzerstörung und deren soziale Folgen. Es ist das erste Mal, dass die beiden führenden UN-Wissenschaftsorganisationen eine gemeinsame Analyse für die Regierungen ihrer mehr als 190 Mitgliedstaaten vorlegen. Denn obwohl Klima- und Ökokrise eng miteinander verbunden sind und sich gegenseitig noch verschärfen, wurden sie erstaunlicherweise bislang politisch, aber auch wissenschaftlich meist getrennt voneinander behandelt oder sogar als Gegenspieler dargestellt. Dabei bedroht der Klimawandel bereits immer stärker Arten und ihre Lebensräume, sodass die Natur nicht nur zum Klimaschutz beitragen kann, sondern auch ihrerseits auf ein stabiles Klima angewiesen ist.

In ihrem "Workshop-Report" plädieren 50 führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beider UN-Organisationen dafür, naturbasierte Lösungen viel stärker als bisher zu nutzen und machen konkrete Vorschläge für Bereiche, in denen besonders viele Synergien gehoben werden können.

So sei der Schutz der verbliebenen artenreichen Moore, Wälder und Küstenökosysteme sowie die Renaturierung bereits zerstörter Gebiete von höchster Bedeutung dafür, den Klimawandel abzuschwächen, die Artenvielfalt zu bewahren und einen großen Teil der Naturleistungen für Menschen zu erhalten. Dazu zählen die Forscher beispielsweise Küstenschutz, Bestäuberleistungen von Insekten oder das Verhindern von Bodenerosion. Allein eine spürbare Verringerung des Holzeinschlags und die Renaturierung geschädigter Wälder könnten nach einigen Berechnungen bis zu einem Zehntel der Menge an Treibhausgasen einsparen, die weltweit jährlich ausgestoßen werden.

Die Wissenschaftler warnen vor Etikettenschwindel, etwa Mais- oder Rapsplantagen für Bioenergie

Als einen weiteren zentralen Bereich mit einem sehr hohen "Win-win"-Potenzial nennt der Report die Landwirtschaft. Ein Umbau zu einer ökologischeren und nachhaltigeren Agrarwirtschaft bringe kombinierte Verbesserungen für die menschliche Gesundheit, den Klimaschutz und die Bewahrung der biologischen Vielfalt, analysieren die Autoren. So kann etwa ökologische Bewirtschaftung dazu führen, dass Böden mehr Kohlenstoff speichern, Erosion verhindert wird und keine Pestizide in die Umwelt gelangen.

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Die Wissenschaftler warnen aber auch vor Etikettenschwindel durch nur auf den ersten Blick "grüne" Klimaschutzmaßnahmen. So seien Mais- oder Rapsplantagen zur Gewinnung von Bioenergie "ein Musterbeispiel dafür, was wir nicht machen sollten", sagt Ko-Autor Josef Settele. Auch großflächige Aufforstungen, vor allem an nicht zuvor mit Wald bestandenen Gebieten, seien oft nicht mit dem Grundsatz naturbasierter Lösungen zu vereinbaren, dass sie neben dem Klimaschutz gleichzeitig dem menschlichen Wohlbefinden und der biologischen Vielfalt zugutekommen sollten, warnt der Report. "Klimaschutz ist nicht unbedingt Umweltschutz, sollte es aber sein", fasst Ko-Autorin Almut Arneth vom Karlsruher Institut für Technologie das Problem zusammen. Vor allem innerhalb des Weltklimarats werde der "Klimaschutz oft ohne Artenvielfalt gedacht", sagt Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (Awi), selbst Mitglied im IPCC und wissenschaftlicher Ko-Vorsitzender des gemeinsamen Workshops. Dies müsse sich ändern.

Wenn man das Potenzial der Natur als Vorwand für Nichtstun sieht, drohen böse Überraschungen

So sehr die Experten für einen kombinierten Natur- und Klimaschutz werben, so deutlich warnen sie zugleich davor, das Potenzial der Ökosysteme für den Klimaschutz zu überschätzen und als Vorwand für geringere Anstrengungen bei der Treibhausgasreduktion zu nehmen. "Das Wichtigste ist, die Pariser Klimaziele einzuhalten", sagt Pörtner. Dies sei die Voraussetzung dafür, auch beim Schutz von Natur und menschlicher Gesundheit voranzukommen. "Wer meint, die Nutzung fossiler Brennstoffe noch ein bisschen länger betreiben zu können, weil die Natur uns aus der Patsche hilft, der hat das Ganze nicht verstanden - Warten geht nicht mehr."

Pörtner verweist darauf, dass die Ökosysteme durch Übernutzung und Klimawandel bereits stark in ihrer Fähigkeit geschwächt seien, Treibhausgase im Schach zu halten. So sei der Amazonas auf dem Weg, mehr Kohlenstoff auszuscheiden, als binden zu können. Erst kürzlich berichteten Forscher, dass das beim brasilianischen Amazonas in den vergangenen zehn Jahren bereits der Fall gewesen sei. Auch daher hält Pörtner die Annahme für überschätzt, dass Öko-Lösungen gegenwärtig fast 40 Prozent der nötigen Treibhausgas-Einsparungen bringen könnten. "Das geht nur, wenn die Ökosysteme intakt sind, sagt er. "Wenn wir die Natur für den Klimaschutz einsetzen wollen, müssen wir erst mal die Emissionen mächtig runterfahren, damit sie dazu auch in der Lage ist."

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