Barcelona:Das irre Krabbeln

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Besonders lange Fühler und lange Hinterbeine zeichnen die eingewanderte Ameisenart aus. (Foto: RealityImages/Zoonar.com/IMAGO)

Weil eine exotische Ameisenart Barcelona erobert, berichten spanische Zeitungen über "Panik". Wie gefährlich sind die Insekten?

Von Patrick Illinger, Madrid

Sie treten in Massen auf. Sie irren hektisch durch die Gegend. Sie nisten sich überall ein, wo sie Wohnraum finden. Nein, die Rede ist nicht von Touristen, die mit Frühlingsbeginn wieder in großer Zahl nach Barcelona kommen. Diese Invasoren heißen Paratrechina longicornis, landläufig auch: "verrückte Ameisen". Ursprünglich nicht auf der iberischen Halbinsel beheimatet, wurden die ersten Exemplare vor drei Jahren im Hafengelände der katalanischen Hauptstadt entdeckt. Die Behörden reagierten mit einem radikalen Ausrottungsprogramm. 2022 hieß es, die irren Krabbler seien ausgerottet.

Aber wie das so ist mit einem Insekt, das zum widerstandskräftigsten gehört, das die Natur zu bieten hat: So leicht obsiegt der Mensch nicht. Nun sind ist Paratrechina longicornis wieder da: auf dem Hügel von Montjuïc und auf der Plaça de Catalunya am Nordende der Ramblas, von der sie mindestens einen halben Hektar bevölkern, wie jüngst bekannt wurde. Auf den Kanaren sind die Tiere bereits heimisch, auch an einigen Stellen der spanischen Südküste wurden sie gesichtet.

Plaça de Catalunya bei Sonnenuntergang. (Foto: Alexander Spatari/Getty Images)

Zumindest in Barcelona habe er den Krieg gegen diese Spezies verloren gegeben, schrieb der örtliche Schädlingsbekämpfer Carlos Pradera in einem Web-Artikel. Aber von "Panik" zu schreiben, wie es einige spanische Zeitungen in dieser Woche taten, ist unangebracht. Die "irre Ameise" liefert mit ihrer hyperaktiven Bewegungsweise zwar einen beeindruckenden Auftritt, vor allem, wenn Hunderte oder Tausende Tiere auf einem Fleck wuseln. Aber sie beißen nicht und stellen kein Gesundheitsrisiko dar, wie die Experten versichern. Im Kampf gegen andere Kleintiere können sie einen Schuss Säure aus dem Hinterteil auf die Gegner abfeuern. Woher die Spezies stammt, ist nicht ganz klar, manche sagen Asien, andere Senegal. Jedenfalls könne sie ihr Nest in jeder Art menschengemachtem Bauwerk aufschlagen, schreibt Pradera. Sie isst fast alles, von Kleintieren über Aas bis zu Honigtau, Samen und Früchten.

Das ist einer der Gründe, warum diese Ameisenart in Wohnungen lästig werden kann. Zudem besteht die Befürchtung, dass sie einheimische Arten verdrängt. Andererseits gehören invasive Spezies zur Lebenswirklichkeit der globalisierten Welt: Auf den Balearen zum Beispiel ist die häufigste der 60 dort bekannten Ameisenarten eine invasive Art, die Argentinische Ameise. "Sie kam schon in den 1950ern auf die beliebten Ferieninseln", sagte Miguel Ángel Miranda, Dekan der zoologischen Fakultät der Balearen-Universität, der deutschsprachigen Mallorca-Zeitung. Sie bildet Superkolonien mit Millionen Individuen und hat mehrere Königinnen.

Die zwei bis drei Millimeter lange "irre Ameise" unterscheidet sich von anderen Arten nicht nur durch ihre hektischen Bewegungen, sondern auch aufgrund besonders langer Fühler und langer Hinterbeine. Und dass sie sich auf der Plaça de Catalunya wohlfühlt, hat dann doch mit Touristen zu tun: Das sei ein idealer Ort für diese Spezies, schreibt Schädlingsbekämpfer Pradera. Dort gibt es zwar weniger natürliche Nahrung, wohl aber Essensreste. Es sind die Überbleibsel einer anderen invasiven Art: Zweibeiner aus aller Welt, die ähnlich erratisch durch Barcelona pesen wie die irren Ameisen.

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