Wohnungsmangel:Am Bau herrscht Stau

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Der Wohnungsbau steckt aus vielerlei Gründen in der Krise, derweil fehlen bundesweit Hunderttausende Wohnungen. (Foto: Rupert Oberhäuser/IMAGO)

Auch in diesem Jahr werden weniger Wohnungen gebaut als eigentlich geplant, gesteht die Bauministerin ein. Die Branche rechnet schon mit einem Jahrzehnt des Wohnungsmangels.

Von Stephan Radomsky

Auf der Baustelle läuft es selten so, wie es im Plan steht. Und vor allem läuft es nicht so, wie es im Zeitplan steht. Eine Erfahrung, die gerade auch Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) macht. Deren Plan sah eigentlich vor: 400 000 neue Wohnungen pro Jahr, davon 100 000 als Sozialwohnungen. So hat es sich die Bundesregierung vorgenommen und dafür eigens wieder ein separates Bauministerium samt Milliardenetat geschaffen. Trotzdem aber klappt es nicht mit dem Neubau-Ziel, nicht im abgelaufenen Jahr und wohl noch weniger im gerade begonnenen. Das gesteht nun auch Geywitz ein: "Ich gehe nicht davon aus, dass die Zahl von 400 000 Wohnungen in den Jahren 2022 und 2023 erreichbar ist", sagte sie dem Internetportal Web.de in einem Interview. Das Ziel bleibe aber "2024 und 2025 an diese Zahl heranzukommen".

Zwar fehlen in Deutschland Hunderttausende Wohnungen, vor allem größere und bezahlbare in den Ballungsräumen. Dennoch wird viel zu wenig gebaut. Das Problem werde sich auch mit "mehr Milliarden für den Wohnungsbau allein" nicht lösen lassen, wie Geywitz weiter eingesteht. "Wir brauchen eine stärkere Digitalisierung der Baubranche und mehr industrielle Vorfertigung, wie man sie schon aus dem Autobau kennt", sagte die Politikerin und fügte hinzu: "Wir brauchen natürlich auch mehr Fachkräfte." Geywitz erkennt damit auch politisch an, was bereits seit Monaten landauf, landab immer deutlicher wird: Der Wohnungsbau steckt tief in der Krise.

So haben sich die Zinsen für Baufinanzierungen im vergangenen Jahr fast vervierfacht, zugleich zogen die Baupreise weiter unvermindert an. So war es Ende 2022 fast 17 Prozent teurer, ein Haus zu bauen, als noch ein Jahr zuvor. Hinzu kommt, dass die Mindestanforderungen beim Neubau auf den Effizienzhaus-55-Standard verschärft wurden. Das dürfte erst einmal zusätzliche Kosten verursachen. Zugleich wird immer deutlicher, dass die Trendwende bei den Kaufpreisen für Wohnimmobilien inzwischen da ist: Bereits zwischen Juli und September fielen die erzielten Preise im Vergleich zum zweiten Quartal - es war der erste Rückgang seit Anfang 2010. Und zum Jahresende könnte sich diese Abwärtsbewegung noch verstärkt haben.

Steigende Kosten, höhere Anforderungen, tendenziell fallende Erlöse - für Bauprofis sind das wenig verlockende Aussichten. Entsprechend sinkt die Zahl der Baugenehmigungen seit Monaten, genauso wie die preisbereinigten Auftragseingänge in der Bauindustrie. Was dagegen immer weiter wächst, ist der sogenannte Bauüberhang, also die Zahl der Wohnhäuser, die zwar genehmigt, aber nicht gebaut sind. So sinkt vor allem die Zahl der verfügbaren Sozialwohnungen immer weiter. Gerade noch 1,1 Millionen waren es zuletzt noch bundesweit - vor 20 Jahren lag der Bestand noch bei rund 2,6 Millionen Wohnungen.

Düstere Stimmung in der Immobilienbranche

Dass sich daran schnell etwas ändert, daran schwindet in der Immobilienbranche inzwischen der Glauben. War die Begeisterung bei Immobilien- und Bauunternehmen anfangs noch groß, dass die Ampel-Koalition wieder ein eigenes Bauministerium schuf und das Thema damit politisch aufwertete, herrscht inzwischen Ernüchterung. Die Bundesregierung tue zu wenig, um ihr Wohnungsziel zu erreichen, sagte beispielsweise bereits am Wochenende der Präsident des Großvermieter-Verbands GdW, Axel Gedaschko. "Die Wohnungsnot wird daher noch mindestens zehn Jahre lang dauern." Länder und Kommunen sollten deshalb alle bebaubaren Grundstücke zur Verfügung stellen, und der Bund müsse mit Zuschüssen und zinsgünstigen Darlehen den Bau fördern.

Wie düster die Stimmung inzwischen ist, illustrierte zuletzt bereits eine interne Umfrage des Bundesverbands freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW). Anstatt der geplanten rund 150 000 neuen Wohnungen wollten die mittelständischen Mitgliedsfirmen in diesem Jahr wohl nur etwa 65 000 in Angriff nehmen, 2024 werde die Zahl wohl bis auf gut 50 000 fallen. Nach eigenen Angaben stehen die Unternehmen im BFW für etwa die Hälfte des gesamten Wohnungsbaus im Land.

Dabei hat Deutschland schon jetzt ein massives Wohnraum-Problem, vor allem in den wirtschaftlich starken Ballungsräumen: Besonders für Familien und Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen wird es hier zunehmend schwer, eine passende und vor allem für sie bezahlbare Wohnung zu finden. Bereits 2021 gab nach Daten des Statistischen Bundesamts etwa jeder achte Mieterhaushalt mehr als 40 Prozent seines Nettoeinkommens fürs Wohnen aus - und war damit finanziell überfordert. Neuere Daten liegen zwar noch nicht vor, es ist aber anzunehmen, dass sich die Lage 2022 weiter verschärft hat.

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