Heizen und Kochen mit Wasserstoff, das scheint noch ganz weit weg. Man kann sich heute kaum vorstellen, dass das klimafreundliche Gas in Privathaushalten eine große Rolle spielen kann. Doch ein Versuch des Verteilnetzbetreibers Netze BW zeigt, dass die Zukunft gar nicht so weit weg ist.
Das Tochterunternehmen des Energiekonzerns EnBW, das in weiten Teilen Baden-Württembergs Strom und Erdgas in Haushalte und Industriestätten bringt, hat in Öhringen, einer Kleinstadt östlich von Heilbronn, eine Wasserstoffinsel geschaffen. Dafür trennte der Verteilnetzbetreiber sein dortiges Firmengelände und 26 angrenzende Haushalte vom Erdgasnetz ab, um das entstandene Inselgebiet separat versorgen zu können. Dem etwa 500 Meter langen Verteilnetz, durch das normalerweise reines Erdgas fließt, wurde dann schrittweise Wasserstoff beigemischt, bis zu einem Anteil von 30 Prozent. Das grüne Gas kam aus einem Elektrolyseur, der Wasser mithilfe von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet. Perspektivisch soll dafür überschüssiger Wind- und Solarstrom genutzt werden.
Und tatsächlich: Die angeschlossenen Gasheizungen und Gasherde, eigentlich für den Betrieb mit reinem Erdgas konstruiert, arbeiteten auch mit dem Mischgas einwandfrei. "Die 30-prozentige Beimischung von Wasserstoff hat problemlos funktioniert", sagt Martin Konermann, Geschäftsführer Technik bei Netze BW. Weder in der Netzinfrastruktur noch in den Haushalten seien dafür aufwendige Anpassungen notwendig gewesen.
"Die Kunden haben keinen Unterschied gemerkt."
Um Bedenken zu zerstreuen, die einige Anwohner anfangs hegten, hatte die Netze BW zunächst nur ihre eigene Betriebsstätte in Öhringen, an der sie eine Werkstatt, Verwaltungsgebäude und ein Ausbildungszentrum unterhält, mit dem Mischgas versorgt. Erst als das problemlos lief, schloss sie die 26 Haushalte an. Die Anwohner bekamen im Projektzeitraum ihre Gasrechnung erlassen, auch das half, Vorbehalte gegenüber dem Experiment zu entkräften.
"Wir hatten keine Minute Versorgungsunterbrechung", sagt Projektleiterin Heike Grüner. Um kurzzeitige Ausfälle wegen "Kinderkrankheiten in der Anlage" zu überbrücken, hatte ihr Team einen Bypass eingebaut, über den die Wasserstoffinsel mit reinem Erdgas versorgt werden konnte. Dieser kam allerdings nur in 260 von insgesamt 20 000 Stunden zum Einsatz. "Die Kunden waren sehr zufrieden. Sie haben keinen Unterschied gemerkt", sagt Grüner. Mittlerweile bekommen die 26 Haushalte wieder reines Erdgas, der Versuch ist beendet.
Im nächsten Schritt werden Grüner und ihr Team den Wasserstoffanteil in der Gasversorgung ihrer Öhringer Betriebsstelle nach und nach auf 100 Prozent erhöhen. Gerade arbeiteten sie noch daran, alle Geräte wasserstofftauglich zu machen. Um Erdgas in Zukunft komplett ersetzen zu können, müssten überall Heizungen und Herde ausgetauscht werden - ein Riesenaufwand.
Doch dafür bleibt Zeit. Die Netze BW rechnet damit, dass erst von 2040 an reiner Wasserstoff durch die bestehenden Erdgasnetze fließen wird. Dann könnte das grüne Gas die Wärmeversorgung aus Wärmepumpen und Nah- und Fernwärme ergänzen. Ob der Gas-Wasserstoff-Mix eine etwas klimafreundliche Übergangslösung sein könnte, ist noch offen. Noch ist Wasserstoff dazu ein zu knappes Gut.