Autoindustrie:Das sind die Baustellen bei VW

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Viel Plus, aber auch viele Fragezeichen: VW-Konzernchef Blume erläutert die Ergebnisse des Jahres 2023 für VW und gibt einen Ausblick auf das Jahr 24. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Deutschlands größter Autobauer ist noch einigermaßen gut durch das vergangene Jahr gekommen. Doch bald wird sich zeigen, ob Konzernchef Blume die richtigen Entscheidungen getroffen hat.

Von Christina Kunkel, Berlin

Wenn ein Geschäftsjahr nicht wirklich katastrophal gelaufen ist, aber auch nicht gerade brillant, dann sprechen Firmenchefs gerne von einem "robusten" Ergebnis. In Schulnoten übersetzt wäre das am ehesten eine drei minus, also noch befriedigend. Auch Deutschlands größter Industriekonzern Volkswagen tituliert seine aktuelle Jahresbilanz als robust. Und bei all den Problemen, die sich beim Wolfsburger Autobauer in der jüngsten Vergangenheit angehäuft haben, ist das wohl das Maximale, was rauszuholen war aus 2023. "Ich halte nichts davon, bei etwas Gegenwind sofort alles infrage zu stellen", stellte Konzernchef Oliver Blume klar, der für 2023 eine Vergütung von 9,71 Millionen Euro erhielt.

Und doch bleibt die Frage: Wann wird es endlich nicht nur befriedigend, sondern wieder richtig gut laufen bei VW?

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Doch zunächst zum Rückblick: VW machte 2023 mehr Umsatz und mehr Gewinn als im Vorjahr. Das Ergebnis nach Steuern zog von 15,8 Milliarden Euro im Vorjahr auf 17,9 Milliarden Euro an, ein Plus von rund 13 Prozent. Der Umsatz stieg um 15,5 Prozent auf 322,3 Milliarden Euro, verkauft wurden rund zwölf Prozent mehr Fahrzeuge. Das operative Ergebnis ging allerdings unter anderem wegen Kosten für die Rohstoffabsicherung nur um gut zwei Prozent auf 22,6 Milliarden Euro nach oben. Die Umsatzrendite sank von 7,9 auf sieben Prozent. Bis 2027 soll diese Zahl konzernweit auf bis zu zehn Prozent steigen. Doch selbst das liegt noch unter dem, was etwa die Konkurrenz aus dem Stellantis-Konzern, wie VW stark im Massengeschäft, schon jetzt erwirtschaftet.

Die Renaissance des Verbrenners hilft VW nur kurzfristig

Spannend wird es, wenn man sich die vielen Marken bei VW einzeln anschaut. Der Konzern teilt diese in Gruppen ein, so werden zum Beispiel die Marken VW, Škoda, Seat und VW Nutzfahrzeuge (VWN) zusammengefasst. Diese Gruppe steigerte ihre Rendite von 3,6 Prozent auf 5,3 Prozent, was vor allem dem Umsatzanstieg zu verdanken sei, hieß es. Allerdings ist das noch weit entfernt von den Zielen, die Blume den Massenmarken vorgegeben hat. Am deutlichsten zeigt sich das an der Marke VW selbst. Die schaffte vergangenes Jahr eine Umsatzrendite von 4,1 Prozent. Bis 2026 soll sie auf 6,5 Prozent steigen. Helfen soll dabei ein radikales Effizienzprogramm, bei dem die Marke VW zehn Milliarden Euro einsparen soll, unter anderem durch Stellenabbau, schon in diesem Jahr lautet das Einsparziel vier Milliarden Euro.

Allerdings sollen nicht nur die Kosten sinken, sondern auch mehr Geld in die Kassen kommen. Dabei befindet sich der Konzern gerade in einer Zwickmühle. Denn die schwache Nachfrage nach Elektroautos hilft der Profitabilität, bringt aber auch große Probleme mit sich. Weil die Menschen wieder mehr Verbrenner kaufen, bei denen die Gewinnmarge deutlich höher ist als bei den E-Autos, sieht es mit der Profitabilität aktuell recht gut aus. Andererseits muss VW den Verkauf seiner E-Autos schnell ankurbeln, um die Flottengrenzwerte der EU für 2025 zu erreichen - sonst drohen hohe Strafzahlungen. Auch Fabriken, die bereits auf Elektroantriebe umgestellt haben, bekommen zunehmend Probleme, wenn es für die Menschen dort zu wenig Arbeit gibt. Immer wieder werden Schichten gestrichen oder die Verträge von Leiharbeitern beendet. Das Ergebnis: VW drückt seit Jahresbeginn Elektromodelle mit hohen Rabatten in den Markt, was für das Ergebnisprogramm nicht gerade zuträglich ist.

Konzernchef Oliver Blume (rechts) und Finanzvorstand Arno Antlitz stehen neben einem alten Golf - ein Massenmodell für den E-Markt gibt es noch nicht. (Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP)

Dazu kommt: Ein echtes Elektro-Massenmodell hat VW auch in diesem Jahr noch nicht im Angebot. Der Einstiegsstromer für rund 25 000 Euro kommt frühestens Ende 2025 und die große Produktoffensive mit mehr als 30 Modellen, die der Konzern für 2024 ankündigt, dürfte vor allem Verbrennerfans freuen. Darunter ist unter anderem die Neuauflage des VW-Bestsellers Tiguan, aber auch Updates für den Passat oder den Golf.

Deshalb liegen die größten Hoffnungen im Elektrosegment bei Audi und Porsche, wo dieses Jahr endlich - mit zwei Jahren Verspätung - der elektrische Macan und der Q6 ausgeliefert werden sollen. Auch die beiden Premiumhersteller profitierten im vergangenen Jahr besonders von der Verbrenner-Renaissance. Für 2024 hat Porsche seine Erwartungen allerdings bereits zurückgeschraubt, auch Audi dürfte bei der Bilanz kommende Woche keine großen Renditesprünge versprechen.

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Die Hoffnungen, die auf den zahlreichen neuen Modellen liegen, gehen auch einher mit der Sorge, ob diesmal die Software für alle Modelle wirklich rechtzeitig fertig wird und fehlerfrei funktioniert. Denn die kommt von einer weiteren großen Baustelle im Konzern, der Softwaresparte Cariad, die unter dem neuen Chef Peter Bosch noch mitten in der Restrukturierung steckt. Für 2023 stand bei Cariad erneut ein operativer Verlust von 2,4 Milliarden Euro. Das Problem für 2024: Viele Modellanläufe bieten auch viele Gelegenheiten, bei denen es haken kann.

Dann ist da noch China, VWs wichtigster Markt. Dort hat BYD die Wolfsburger im vergangenen Jahr erstmals als Marktführer überholt. Mitterweile hat VW seine Ansprüche so weit heruntergeschraubt, dass man nur noch der "größte internationale Autohersteller" in China sein möchte. Zwar hat es VW immerhin geschafft, seine Verkaufszahlen auch in der Volksrepublik 2023 leicht zu steigern, doch das anteilige operative Ergebnis aus den dortigen Joint Ventures ging von 3,3 auf 2,6 Milliarden Euro zurück, nachdem es bereits im Vorjahr um 20 Prozent eingebrochen war. Mit neuen Modellen, insbesondere aus der Partnerschaft mit Xpeng, will VW gegensteuern. Doch der dortige Markt bleibt wohl auch in diesem Jahr die größte Baustelle des Konzerns.

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