Verbrenner-Aus:Wagenknecht fordert "neue Verbrennergeneration"

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Sie will den Abschied vom Verbrenner am liebsten verhindern: Sahra Wagenknecht. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Das BSW stellt sich an die Seite von FDP und Union und wettert gegen das Verbrenner-Aus. So werde nur die Industrie und damit auch Wohlstand "vernichtet". SPD und Grüne widersprechen vehement.

Von Vivien Timmler, Berlin

Von der FDP ist man es gewohnt, auch aus der Union kennt man solche Töne. Nun steigt auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ein in die Diskussion um das Verbrenner-Aus in der Europäischen Union ab 2035. "Das BSW wird im Europawahlkampf die Rücknahme der Beschlüsse und mehr Forschung in verbrauchsärmere Verbrenner fordern", kündigte Parteigründerin Wagenknecht am Wochenende an. Das geplante Verbrenner-Aus habe "dem Siegeszug chinesischer Batterieautos in Europa den Weg bereitet" und sei "ein schwerer wirtschaftspolitischer Fehler, der eine Schlüsselindustrie und viel Wohlstand in Deutschland vernichten wird".

Wagenknecht hat auch schon eine Idee, wie der Verbrenner bei gleichzeitigem Einhalten der europäischen Klimaziele überleben kann. "Deutschland sollte zum Hotspot einer neuen Verbrennergeneration werden, die alle Effizienzrekorde bricht", sagt Wagenknecht. Sie ist der Überzeugung, mit einer "dauerhaften Produktion von spritsparenden Autos" ließen sich hierzulande Hunderttausende Arbeitsplätze retten.

Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion Stefan Gelbhaar widerspricht. "Mehr Effizienz beim Verbrennen von Öl wird das Problem nicht lösen - das haben die letzten Jahrzehnte zur Genüge bewiesen", sagt er der Süddeutschen Zeitung. Wirtschaft und Forschung seien längst weiter, als Wagenknecht und andere verstanden hätten. "Deren Kleben am Verbrenner ist hohl", so Gelbhaar. Ähnlich sieht es auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Detlef Müller. "Die Forderung des BSW nach einer Revidierung der Entscheidung der EU, ab 2035 keine Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr zuzulassen, ist reiner Populismus", sagt er. Eine solche Entscheidung gefährde Arbeitsplätze, etwa in Zwickau, wo mehr als 10 000 Jobs an der E-Auto-Produktion von VW hingen, so Müller. Was die Industrie brauche, sei ein klarer und verlässlicher Handlungsrahmen - und den gebe die aktuelle Regelung. "Hersteller und Zulieferer müssen sich auf diesen Kurs verlassen können, da sie entsprechende Investitionen getätigt haben oder planen", sagt Müller. "Ein politisches Mäandern in dieser Frage aus wahltaktischen Gründen ist eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort."

Tatsächlich hat sich die Automobilindustrie längst zum Verbrenner-Aus bekannt. Konzerne wie VW, BMW und Mercedes investieren seit Jahren viele Milliarden Euro in den Ausbau der Elektromobilität, international sieht es nicht anders aus. Dass E-Autos die Zukunft gehört, ist in der Branche unumstritten - genauso wie die Tatsache, dass Klimaneutralität im Verkehr selbst mit extrem sparsamen Verbrennern kaum zu erreichen ist. "Wir befinden uns in einer kritischen Situation", sagt der Autoexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM). Die Politik müsse klare Orientierung geben. Hersteller und Zulieferer würden mit dem Verbrenner-Aus von 2035 an rechnen. Alle Entwicklungen, die die Sicherheit diesbezüglich wieder ein Stück weit infrage stellen, seien daher Gift, so der Experte.

Stimmen die Rahmenbedingungen?

Die EU-Staaten und das Europaparlament hatten sich im vergangenen Jahr auf ein Aus für alle Neuwagen mit Verbrennungsmotor von 2035 an geeinigt. Von diesem Zeitpunkt an dürfen in der EU nur noch Fahrzeuge zugelassen werden, die kein CO₂ ausstoßen, so wie es beim Verbrennen von Benzin und Diesel nun einmal entsteht. Insbesondere Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte sich aber für eine Ausnahmeregelung für Autos eingesetzt, die ausschließlich mit sogenannten E-Fuels betrieben werden können. Das sind synthetische Kraftstoffe, die in ihrer Gesamtbilanz klimaneutral sein können. Dafür sind allerdings enorme Mengen grüner Energie notwendig, weshalb eine Produktion relevanter Mengen in Deutschland nicht möglich und auch weltweit angesichts des enormen Bedarfs unrealistisch ist.

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Vor Wagenknecht hatten diese Woche bereits der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber ("schwerer industriepolitischer Fehler") und FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai ("wirtschaftspolitisches Harakiri") das Verbrenner-Aus scharf kritisiert. Beide Positionen wurden bislang aber weniger als komplette Absage an den Verbrenner-Ausstieg sondern vielmehr als ein offensives Werben für die Ausnahme für E-Fuels interpretiert - und als Profilschärfung im Europawahlkampf. Ohnehin wollen die verantwortlichen EU-Gremien 2026 eine erste Bilanz der Antriebswende ziehen und gegebenenfalls die einzelnen Zwischenschritte bis zum Verbrenner-Aus noch einmal korrigieren.

Dabei wird es beispielsweise um die Frage gehen, ob der Ausbau der Ladeinfrastruktur zügig genug vorangeht und wie es um die Zulassungszahlen auf EU-Ebene steht. Auch Autoexperte Bratzel weist darauf hin, dass das Verbrenner-Aus nur dann funktioniere, wenn sich die Rahmenbedingungen wie Ladepunkte, Autopreise und Betriebskosten rasch in die richtige Richtung entwickelten.

Das ist jedoch nicht der Fall: Der Anteil von Elektroautos an neu zugelassenen Fahrzeugen nimmt seit Monaten ab, im März waren es nur noch 11,9 Prozent. 37,8 Prozent der Neuzulassungen entfielen hingegen auf Autos mit Benzinantrieb, 18,3 Prozent auf Dieselfahrzeuge. Einer Umfrage der Targobank zufolge würden bei einem Autokauf nach wie vor 68 Prozent der Befragten einen Verbrenner einem E-Auto vorziehen; 2023 waren es 72 Prozent. Insgesamt sind hierzulande aktuell etwa 1,41 Millionen reine Elektroautos zugelassen. Bis zum Ziel der Bundesregierung, bis 2030 15 Millionen E-Autos auf die Straßen zu bekommen, ist es also noch ein weiter Weg.

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