Urheberrecht:Geld, Filter und Zensurvorwürfe

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Das EU-Parlament stimmt über Upload-Filter und Leistungsschutzrecht ab. (Foto: dpa)
  • Am Donnerstag stimmt das Europaparlament über Upload-Filter und das Leistungsschutzrecht ab. Beide Vorhaben sind sehr umstritten.
  • Die Erfinder dieser Regeln wollen das Urheberrecht stärken. Doch Gegner fürchten, dass mit den geplanten Instrumenten Zensur im Internet erleichtert wird und die großen Internetkonzerne davon profitieren.
  • Wie die Abstimmung ausgeht, ist noch völlig unklar. Selbst innerhalb der einzelnen Fraktionen gibt es keine klaren Richtungen für oder gegen die Vorhaben.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Etwa 2000 E-Mails haben die EU-Abgeordneten in den vergangenen Wochen erhalten. Pro Tag. Sie stammen von Aktivisten, die das "freie Internet" in Gefahr sehen und versuchen, die Reform des europäischen Urheberrechts noch zu drehen. An diesem Donnerstag stimmt das Plenum des Parlaments in Straßburg über das Mandat für die Verhandlungen mit dem Rat der EU-Mitgliedstaaten ab, es ist die nächste Runde in diesem harten Kampf. Sie könnte, muss aber nicht entscheidend sein.

Kommt eine Mehrheit für die kürzlich beschlossene Version des Rechtsausschusses zustande, erhält Europa vermutlich bald ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger sowie neue Regeln, die Kreativen eine stärkere Position gegenüber den Internet-Plattformen verleihen würden. Genau so möglich ist ein Nein. Dann hätten sich vorerst jene durchgesetzt, die vor "Upload-Filtern" und "Zensurmaschinen" warnen; die Diskussion würde von vorne losgehen.

Die Reform soll das Geschäftsmodell von Plattformen wie Youtube oder Soundcloud einhegen. Sie leben von der Werbung, die sie Inhalten vorschalten, welche von Nutzern hochgeladen und von den Plattformen zu Playlists und ähnlichem veredelt werden. Im Sinne der Reform sind diese Plattformen damit nicht mehr nur neutrale "access provider", die wie die Telekom Kommunikation übertragen, sondern "content provider", die entsprechend für Inhalte auch verantwortlich gemacht werden können. Deshalb sollen Youtube und Co. Lizenzvereinbarungen mit den Urhebern, etwa Musikern, schließen. Andernfalls laufen sie Gefahr, wegen Urheberrechtsverletzungen verklagt zu werden.

EU-Urheberrecht
:"Diese Upload-Filter wären regelrechte Zensurmaschinen"

Mit ihrer Reform des Urheberrechts gefährde die EU das freie Netz, sagt Europapolitikerin Julia Reda. Diesen Mittwoch wird der Rechtsausschuss dem umstrittenen Artikel 13 wohl trotzdem zustimmen.

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Gleich nach der knappen Abstimmung im Rechtsausschuss hatte die Abgeordnete Julia Reda (Piraten/Grüne) zu einer Netz-Kampagne gegen dieses Vorhaben aufgerufen. Sie bestreitet, dass, wie die Befürworter der Reform um den Abgeordneten Axel Voss (CDU) behaupten, nur Youtube und wenige andere im Visier sind. Betroffen seien vielmehr "jede Plattform mit einer Upload-Möglichkeit und jede App, die einen Post-Button enthält". Sie müssten durch Filter-Software aufwändig sicherstellen, dass keine geschützten Inhalte auf ihre Seiten gelangten, und würden dadurch "existenziell bedroht". Da sich die strengste Version europaweit durchsetzen werde, würden künftig wohl auch legitime Inhalte im großen Stil blockiert.

Das Leistungsschutzrecht wiederum soll die Verhandlungsmacht der Zeitungsverlage gegenüber Konzernen wie Google stärken. Portale wie Google News sollen nicht mehr ohne Erlaubnis Überschriften oder kurze Ausschnitte von Pressetexten in ihren Ergebnissen anzeigen dürfen. Das neue Recht wäre eine zusätzliche Einnahmequelle für die Verleger. Kritiker befürchten, dass damit die Verlinkung von Zeitungsartikeln unmöglich wäre: das Ende des "freien Flusses von Informationen".

Auch in den einzelnen Fraktionen ist man sich nicht einig

Der Lager in dem Streit stehen sich unversöhnlich gegenüber. Von ihren Gegnern wird Reda als "Ideologin" gesehen. "Mit Piratismus hat das nichts mehr zu tun", sagt die Sozialdemokratin Virginie Rozières. Reda werde zwar nicht von Google bezahlt, besorge im Effekt aber das Geschäft der Tech-Giganten, die die Kampagne zum Teil auch finanzierten. Die Sozialdemokraten sind aber ebenso gespalten wie die Grünen, Liberalen und andere Fraktionen, weshalb der Ausgang des Votums völlig offen ist.

Die deutsche Rechteverwertungsgesellschaft Gema befürwortet die Reform. "Damit kämen wir unserem Ziel, den value gap zu schließen, etwas näher", sagt Vorstand Harald Heker. Value gap bezeichnet die Differenz zwischen den Erlösen der Plattformen und den Zahlungen, die an die Rechteinhaber fließen. Die Gema hat jahrelang mit Youtube um eine Einigung für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Musikwerke gerungen. Youtube hat in dieser Zeit viele Musikvideos gesperrt. 2016 einigten sich beide Seiten auf einen Lizenzvertrag. "Das ist aber nur ein freiwilliger Brosamen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht", sagt Heker. "Wir können nicht davon ausgehen, dass es eine Anschlussvereinbarung gibt, und von einer angemessenen Vergütung ist das noch weit entfernt." Außerdem müsse die Pauschalzahlung mit hohem Aufwand auf die einzelnen Rechteinhaber verteilt werden, weil Youtube der Gema keine Nutzungsmeldungen übermittele.

Heker beklagt eine "massive Desinformationskampagne" der Kritiker. "Bewusst irreführende Falschaussagen werden gezielt gestreut, um EU-Abgeordnete zu verunsichern und die Abstimmung im Parlament negativ zu beeinflussen." Ein Nein wäre aus Sicht der Gema "ein Schlag ins Gesicht sämtlicher Kultur- und Kreativschaffender".

© SZ vom 05.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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