Konjunktur:Die Krise fordert den ganzen Kanzler

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Blick über die Elbe auf einen Containerterminal im Hamburger Hafen. (Foto: Fotostand / Andre Havergo /imago images/Fotostand)

Deutschland ist nahe an einer Rezession. Olaf Scholz muss den Fehlstart der Regierung überwinden und endlich in die Offensive gehen.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Es war wirklich knapp: Deutschland ist zum Jahresanfang fast in eine Rezession gerutscht. Solche Einbrüche, bei denen die Wirtschaft mindestens ein halbes Jahr lang schrumpft, sind selten. Selbst in der epochalen Corona-Krise 2020/21 kam das nur einmal vor. Nur ein Mini-Wachstum bewahrt Deutschland jetzt vor einer neuen Rezession. Aber das ist wenig wert. Denn die Menschen fragen sich: Wo bleibt er denn, der Aufschwung?

Schon vergangenes Jahr sollte er kommen, der große Boom nach dem Corona-Schock mit Schließungen und Existenzängsten. Der große Boom, in dem Arbeitsplätze und Löhne so zunehmen, dass sich das Leben endlich nicht mehr nach Krise anfühlt. Sondern nach Freude und Chancen.

Doch Lieferengpässe und neue Pandemie-Wellen verhinderten 2021 den richtigen Aufschwung. Und auch dieses Jahr fällt dieser aus, das wird jetzt klar. Das bedeutet viel Frust für die Deutschen. Und die Sorgen nehmen dauernd zu. Reißt Chinas drakonische Covid-Politik die ganze Weltwirtschaft in den Abgrund, mitsamt deutschen Exporten? Wie nahe rückt Europas erster Flächenkrieg seit Dekaden an Deutschland? Wie schlimm wird die Inflation?

In so unruhiger Zeit wünscht man sich eine Regierungsspitze, die den Menschen charismatisch eine Richtung weist. Die klar auf die Herausforderungen antwortet. Die Ängste beruhigt und den Bürgern mutig das Nötige abfordert.

Leider wurde im Kanzleramt die Rumdruckserin Angela Merkel nur durch den Rumlavierer Olaf Scholz ersetzt. Kommunikativ hat sich bisher nichts verbessert. Und inhaltlich schwächelt Scholz auch. Statt dem Aggressor Wladimir Putin klar die Stirn zu bieten, bremst er bei Sanktionen genauso wie bei Waffenlieferungen. Und weil er aus falscher Rücksicht auf die FDP die nötige Impfpflicht nicht durchsetzt, dürfte die Pandemie von Herbst an wieder aufflammen und auch neue ökonomische Probleme schaffen.

Es wird Zeit, den Fehlstart der Regierung hinter sich zu lassen und den Deutschen bessere Führung zu geben. Dafür könnte Scholz auf einiges zurückgreifen, was er anders als Angela Merkel grundsätzlich im Repertoire hat. Dazu zählt sein Blick dafür, wem die Politik in unsicheren Zeiten helfen muss. Scholz beweist das mit dem Mindestlohn von zwölf Euro für Millionen Bürger, bei denen es finanziell knapp ist.

Der Kanzler sollte diesen Fokus auf die Inflationspakete übertragen. Und jene Menschen noch mehr entlasten und so beruhigen, die wenig verdienen. Aber nicht etwa mit dem FDP-Tankrabatt alle Bürger bezuschussen. So was treibt nur die Preise weiter hoch. Tun wir nicht so, als sei jemand ein Inflationsopfer, weil er den klimaschädlichen Sportwagen teurer betanken muss. Besser verdienende Deutsche haben in der Corona-Krise 200 Milliarden Euro zusätzlich angespart.

Richtig wäre, Firmen mit schnellen Abschreibungen und anderem mehr beim klimafreundlichen Umbau zu helfen. Anders als marktliberale Ökonomen fordern, sollte die Regierung gerade nicht sparen. Forciert Scholz den Klima-Umbau, modernisiert er gleichzeitig die Wirtschaft und reduziert die Abhängigkeit von Russland. Außenpolitisch gehört dazu, Aggressor Putin durch ein Öl-Embargo mutiger zu sanktionieren. Und dadurch von den Partnern das Verständnis dafür zu erwerben, dass ein schnelles Gas-Embargo die deutsche Wirtschaft unkalkulierbar schädigen kann.

Man mag einwenden, mancher weltwirtschaftlichen Gefahr wie chinesischen Lockdowns könne der Kanzler gar nichts entgegensetzen. Doch er kann - und tut es, indem er die Bande zur asiatischen Wirtschaftsmacht Japan enger knüpft. Jetzt gilt es, durch weitere Handelspakte etwa mit Südamerika Exporte zu sichern und unabhängiger von China zu werden. Wobei der Bremser in diesem Fall nicht die FDP ist, sondern die Grünen.

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