Sucht man beim Bau der Tesla-Fabrik nach offensichtlichen Zeichen der Corona-Krise, muss man schon ziemlich genau hinschauen. Genau genommen ist es nur ein Zettel an der Tür des Bürgerbüros in Grünheide bei Berlin, der einen Hinweis auf die komplizierte Situation derzeit gibt. Dort, wo bis vor Kurzem noch die Pläne der Gigafactory auslagen, ist nun zu lesen: "Angesichts der momentanen Lage bieten wir Ihnen ab sofort ein Bürgertelefon an." Es folgt eine Handynummer, die "immer dienstags" für drei Stunden zu erreichen ist. Ansonsten heißt es bei Tesla aber, das Unternehmen sei voll im Zeitplan beim Bau der Fabrik.
Wenige Kilometer weiter südlich vom Ort Grünheide, direkt am Autobahnring um Berlin, liegt der Ort, an dem das Unternehmen ab 2021 seine ersten Elektroautos in Europa produzieren will. 500 000 im Jahr sollen es einmal werden. Noch vor wenige Wochen stand hier ein Kiefernwald, auf den ersten 90 Hektar ist davon nichts mehr übrig als braches Land. Experten haben Ameisenhügel umgesiedelt, ein anderes Problem löste sich schließlich von allein: Mitten auf dem abgeholzten Gelände stand noch eine einsame Kiefer, darum ein rund zwei Meter hoher Zaun. In einer Baumhöhle hielt eine Fledermaus dort ihren Winterschlaf, Anfang April wachte sie auf und verließ ihre Schlafstätte. Auch dieser Baum konnte gefällt werden.
Ganz glatt läuft es für den US-Konzern nicht
Inzwischen ist das gesamte Wurzelwerk abgetragen, ein paar Planierfahrzeuge ebnen unbeirrt die letzten Dellen im Boden ein, auf einer riesigen blauen Fahne steht "Kompetenz schafft Lösungen". Sie weht kräftig im Wind. Jetzt, da so viel stillsteht, hat die zerstörerische Betriebsamkeit auf dem Tesla-Gelände fast etwas Idyllisches. Doch ganz so glatt, wie es wirkt, läuft es auch für das US-Unternehmen nicht.
Tesla arbeitet in Grünheide derzeit auf eigenes Risiko, noch steht die Baugenehmigung für die Fabrik aus. Ursprünglich war geplant, dass die Behörden im Sommer entscheiden. Ein Votum gegen den Bau würde bedeuten, dass Tesla den ursprünglichen Zustand des Geländes wiederherstellen müsste. Nun wird frühestens im Herbst mit einer Entscheidung gerechnet. Das liegt auch daran, dass diejenigen, die Einwände gegen die Fabrik eingebracht haben, bisher nicht öffentlich Stellung dazu nehmen konnten. Die Anhörung war für Mitte März angesetzt, musste aber wegen Corona aufgeschoben werden.
373 Einwendungen gab es gegen die Baupläne, die zuvor mehrere Wochen öffentlich ausgelegt worden waren - ein Prozess, der gesetzlich vorgeschrieben ist. Der größte Teil der Einsprüche bezieht sich auf den enormen Wasserverbrauch der Fabrik, auf die Abholzung des Waldes und die Anbindung an das Bahnnetz. Die Anhörung soll trotz Corona auf jeden Fall stattfinden, sagt Frauke Zelt vom Umweltministerium in Potsdam. "Der Ersatztermin ist auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, der jetzt noch nicht benannt werden kann."
Wegen der Corona-Krise haben der CDU-Wirtschaftsrat und Politiker der FDP bereits gefordert, die Anhörung online abzuhalten. Doch die gesetzlichen Regelungen, vor allem das Bundesimmissionsschutzgesetz, sind an diesem Punkt klar: Die Anhörungen müssen für alle zugänglich sein, Onlineformate, aber auch Videokonferenzen sind dabei bislang nicht vorgesehen, sagt Zelt. Es gebe "keine Sonderregelungen für einzelne Verfahren, auch wenn diese große wirtschaftliche Bedeutung haben".
Die Frage nach dem Umgang mit dem Votum der Bürger in Zeiten von Corona könnte noch aus einem anderen Anlass interessant werden. Tesla hat seinen Antrag auf den vorzeitigen Bau des Fundaments erst einmal zurückgezogen, denn seit dem ersten Antrag im November haben sich ein paar Dinge geändert. Darunter die Konstruktion des Fundaments, die etwas anders als ursprünglich geplant aussehen könnte. Außerdem geht das Unternehmen nun davon aus, weniger Wasser zu benötigen als ursprünglich gedacht. Der überarbeitete Antrag ist bisher nicht bei den Behörden eingegangen. Zelt: "Wir können jetzt noch nicht entscheiden, was danach mit den Unterlagen geschehen muss."
Sollten Teslas Änderungen an dem Bauvorhaben gravierend sein, könnte es notwendig werden, die Änderungen noch einmal öffentlich auszulegen. Für diesen Fall hofft Zelt auf die gute Zusammenarbeit mit dem Autobauer. Der könnte dann die neuen Pläne im Internet veröffentlichen, sodass sich die Bürger schon einmal ein Bild von den Änderungen machen könnten. Für die, die dann Genaueres wissen wollen, würden die Unterlagen öffentlich so ausgelegt, dass der Mindestabstand gewahrt bleibt.
Die Fabrik ist ein Prestigeprojekt - für die ganze Bundesrepublik
Der Bau der Tesla-Fabrik war von Anbeginn ein Prestigeprojekt. Für Brandenburg, aber auch für die Bundesrepublik. So wurde dabei schnell möglich gemacht, was bei anderen Bauprojekten schon mal gefühlte Ewigkeiten dauern kann. Erst im vergangenen November war bekannt geworden, dass das Unternehmen in Grünheide bauen will. Obwohl ein Gericht kurzzeitig die Rodungen gestoppt hatte, ist man nun schon fast so weit, dass ein Fundament gelegt werden könnte. Noch immer ist deutlich zu spüren, dass sich alle an dem Bau Beteiligten bemühen, diesen voranzutreiben. Gerade jetzt, wie Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sagt: "Die Tesla-Fabrik ist ein Projekt, das auch ein Anker sein kann, an dem sich andere aufrichten können."
Wöchentlich gebe es bis zu sechs Telefonkonferenzen zwischen der Landesregierung und dem Unternehmen. Erst gestern habe Tesla dabei seinen Ehrgeiz betont, den Zeitplan einhalten zu wollen, sagt Steinbach. Damit das klappt, ist die Landesregierung wie schon in früheren Situationen im Zusammenhang mit Tesla auch bereit, die Grenzen der Genehmigungspraxis auszunutzen. Für den Fall, dass die Bürgeranhörung wegen Corona erst einmal nicht stattfinden kann, kann sich Steinbach auch vorstellen, länger als geplant mit Ausnahmegenehmigungen zu arbeiten. Die Voraussetzung dafür ist nur, dass Tesla das Risiko trägt und die Baumaßnahmen im Zweifelsfall rückgängig gemacht werden können. Erst wenn das nicht mehr gegeben sei, "brauchen wir die vollständige Baugenehmigung".