Supermarkt-Einkauf:Wo das Geld für Plastiktüten wirklich landet

Karnevalsbeginn - Köln

Karnevalskostüme machen die Unternehmen jedenfalls nicht aus Plastiktüten. Aber warum schweigen sie darüber, was sie mit den Einnahmen aus dem Verkauf anfangen?

(Foto: Maja Hitij/picture alliance/dpa)
  • Seit einem Jahr müssen Kunden vielerorts für Plastiktüten bezahlen.
  • Die Unternehmen verdienen damit Geld - doch was mit diesen Gewinnen passiert, ist unklar.
  • In den Umweltschutz fließt zumindest nur ein geringer Teil des Geldes, wie eine SZ-Umfrage unter allen großen deutschen Einzelhändlern zeigt.

Von Michael Kläsgen und Vivien Timmler

An der Rewe-Supermarktkasse klafft ein Loch. Nicht dort, wo sich auf Augenhöhe die süßen Versuchungen für kleine Einkaufsbegleiter aufreihen, und auch nicht dort, wo hinter Gittern die nikotinhaltigen Versuchungen für größere Einkäufer darauf warten, befreit zu werden. Nein, das Loch klafft eine Etage tiefer, so tief, dass es vielen nicht einmal auffallen dürfte - es sei denn, sie haben ihre Tragetasche auf dem Küchentisch vergessen.

Als erster großer Lebensmittelhändler in Deutschland hat Rewe im vergangenen Jahr Einwegplastiktüten ganz aus seinem Sortiment verbannt. Bald zogen weitere Einzelhändler nach, die meisten aber wollen weiterhin ihre Kunden entscheiden lassen, wie sie ihre Einkäufe nach Hause transportieren. Seit dem 1. Juni 2016 zahlen die Kunden an der Kasse dafür häufig ein paar Cent. So sieht es die "freiwillige Selbstverpflichtung" vor, auf die sich der Handelsverband Deutschland (HDE) mit dem Bundesumweltministerium zuvor geeinigt hatte - anstatt einer gesetzlichen Abgabe. 240 Unternehmen haben sich schon beim Start der Initiative dazu verpflichtet, Plastiktüten nur noch gegen Geld herauszugeben. Inzwischen haben sich 100 weitere Händler angeschlossen.

Rund 350 Unternehmen, das mag sich zunächst einmal nach nicht viel anhören. Tatsächlich aber stehen dahinter unter anderem die vier großen deutschen Lebensmittelhändler Edeka, Rewe, Lidl und Aldi mit jeweils mehreren Tausend Supermärkten oder Discountern. Die Folge der Aktion: Der Verbrauch von Einwegplastiktüten sank dramatisch. Dem HDE zufolge hat er sich innerhalb eines Jahres von 5,6 Milliarden auf 3,6 Milliarden Tüten verringert. Bei Karstadt beispielsweise ging er nach Angaben des Unternehmens sogar um 70 Prozent zurück.

Allerdings schließt schon die Bezeichnung "freiwillige Selbstverpflichtung" mit ein: alles kann, nichts muss. Wer Einwegtüten weiterhin kostenlos ausgeben will, der kann das tun. Wer nur fünf Cent anstatt der als effektiv geltenden zehn bis zwanzig Cent verlangen will, der hat auch bei der Höhe des Betrags jegliche Freiheiten. Und auch bezüglich der Verwendung des so eingenommenen Geldes gibt es von Seiten des HDE keine Vorgaben.

Dieses Geld beläuft sich auf eine beachtliche Summe: Schätzungsweise 70 Prozent der 3,6 Milliarden in Deutschland herausgegebenen Kunststofftragetaschen werden durch die freiwillige Selbstverpflichtung abgedeckt und nur noch gegen einen Centbetrag herausgegeben. Die meisten Händler verlangen zehn bis zwanzig Cent pro Tüte. Geht man davon aus, dass in Deutschland etwa 2,5 Milliarden Plastiktüten jährlich für durchschnittlich 15 Cent herausgegeben werden, so ergibt sich daraus ein Jahresumsatz von etwa 375 Millionen Euro.

Der Gewinn aus den Plastiktüten hilft selten der Umwelt

Aber wer bekommt dieses Geld? Die Hersteller der Tüten? Die Einzelhändler? Oder kommt es Projekten zugute, die die Verschmutzung der Umwelt und insbesondere der Weltmeere eindämmen wollen?

Die für den umweltbewussten Verbraucher ernüchternde Antwort: Zunächst einmal bleibt ein Großteil des Geldes bei den Unternehmen selbst. Eine Plastiktüte kostet sie im Einkauf 0,5 bis 0,8 Cent. Geht eine von ihnen über die Ladentheke, so machen die Firmen also erst einmal Gewinn. Wie viel genau, will kaum ein Händler preisgeben. Auch um den konkreten Verwendungszweck des Geldes machen viele Unternehmen ein Geheimnis. Damit lassen sie die Verbraucher allein. Von denen gehen viele fälschlicherweise davon aus, die Mehreinnahmen aus der Plastiktütenabgabe flössen automatisch in den Schutz der Ozeane oder zumindest in Umweltprojekte. Dem ist aber nicht immer so.

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