Teuer oder günstig?:Schufa-Score entscheidet über Strom- und Gasverträge

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Die Wirtschaftsauskunftei Schufa bereitet sich bereits darauf vor, dass das Scoring durch das EuGH-Urteil eingeschränkt wird. (Foto: Sven Simon/imago)

Muss der Schufa-Score eingeschränkt werden? Darüber entscheidet diese Woche der Europäische Gerichtshof. Recherchen von NDR und SZ zeigen: Viele Unternehmen nutzen den Score. Kunden könnten deswegen teurere Stromverträge bekommen.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Es gibt nicht viele Dienstleister, die ihre eigene Bedeutung am liebsten herunterspielen. Die Auskunftei Schufa gehört dazu, auch wenn ihr Bonitäts-Score ziemlich bedeutend ist: Für 60 Millionen Menschen in Deutschland gilt die Datensammlung als wichtiges Maß dafür, ob jemand kreditwürdig ist oder nicht. Erst unlängst aber ließ sich die Schufa von ihren Kunden bestätigen, dass ihr Score gar nicht so bestimmend ist, wie alle immer denken. Das ist deshalb eine wichtige Frage, weil der Europäische Gerichtshof (EuGH) in dieser Woche entscheidet, ob die Verwendung des Schufa-Scores und vergleichbare Bonitätsbewertungen eingeschränkt werden müssen.

Recherchen von NDR und SZ zeigen aber, dass zahlreiche große Unternehmen verschiedener Branchen nach wie vor die Bonitätsbewertung der Schufa einsetzen, um zu entscheiden, ob sie mit potenziellen Kunden eine Vertragsbeziehung - etwa für Handy, Jobticket, Energieversorgung - eingehen und unter welchen Bedingungen. NDR und SZ befragten dazu fast hundert große Unternehmen in Deutschland, ob solche Bewertungen für sie bei Vertragsentscheidungen maßgeblich seien.

Dabei bestätigten mehrere große Energieversorger, dass sie den Score heranziehen, um Neukunden zu beurteilen. Wem die Schufa eine gute Zahlungsfähigkeit bescheinigt, der bekommt von den Energieversorgern einen Sondervertrag mit günstigen Konditionen. Wer weniger gut beurteilt wird, muss in die teurere Grundversorgung. Auch bei größeren Verkehrsunternehmen ist der Score ausschlaggebend bei der Frage, ob Abonnements abgeschlossen werden, ebenso bei Versandhändlern, gerade um die Bonität von Neukunden zu beurteilen. Zwei große Zahlungsdienstleister sagten ebenfalls, für sie sei der Score wichtig.

Die Firmen wollten meist nicht namentlich genannt werden. Einige Unternehmen beantworteten die Frage nach der Bedeutung des Schufa-Scores für ihre Vertragsentscheidungen nicht - mit dem Hinweis auf Vertraulichkeit. Banken und Sparkassen legten nahe, dass der Schufa-Score allein für sie oft nicht ausschlaggebend ist und für eine Kreditentscheidung weitere Informationen einbezogen würden.

Beim EuGH geht es nun um die Frage, ob das Scoring mit der Datenschutzgrundverordnung vereinbar ist, die seit 2018 gilt. Dort heißt es, dass Entscheidungen, die für Menschen eine rechtliche Wirkung haben, nicht rein automatisch getroffen werden dürfen. Der Generalanwalt am EuGH hatte in seinem Schlussplädoyer im März 2023 festgestellt, dass der Schufa-Score nicht maßgeblich sein dürfe, wenn Unternehmen über Vertragsbeziehungen entscheiden. Der Score ist ein Wahrscheinlichkeitswert, der mit mathematisch-statistischen Verfahren aus Kundendaten errechnet wird und der vorhersagen soll, ob jemand Rechnungen bezahlen kann. Der EuGH folgt in seinen Urteilen zumeist den Schlussplädoyers der Generalanwälte.

Die Scoring-Merkmale? Teils "kaum kommunizierbar"

Die Schufa scheint jedenfalls nervös: Im Herbst hatte sie sogar versucht, Vertragsunternehmen zu einer schriftlichen Erklärung zu bewegen. Sie sollten bestätigen, dass der Schufa-Score kein K.-o.-Kriterium für Vertragsentscheidungen sei. Die Kunden hätten "in großer Mehrzahl" bestätigt, dass der Score "wichtig, aber nicht maßgeblich" sei, sagte Schufa-Chefin Tanja Birkholz vergangene Woche dem Tagesspiegel. Dennoch bereitet sich die Wirtschaftsauskunftei jetzt darauf vor, dass das Scoring durch das EuGH-Urteil eingeschränkt wird. In diesem Fall arbeitet die Schufa auf eine Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes hin, das den Einsatz von Schufa-Scores wie bisher ermöglichen soll. Bis dahin wolle man die Verbraucher bitten zuzustimmen, wenn eine Entscheidung anhand eines Scores getroffen werden soll.

Unterdessen legen Recherchen von NDR und SZ nahe, dass der von der Schufa oft auch als "Coca-Cola-Formel" bezeichnete Score intern offenbar mehr als Kommunikationsproblem denn als Geschäftsgeheimnis gesehen wurde. In einer vertraulichen Schufa-Liste wurden demnach die 70 Score-Merkmale mit fünf Farben markiert: Dunkelgrün ("gut für Verbraucherkommunikation"), Hellgrün ("eventuell geeignet"), Gelb ("schwer zu kommunizieren"), Orange ("kaum kommunizierbar") und Rot ("nicht geeignet für Kommunikation"). Von 70 Merkmalen in der Liste wurden demnach nur 17 als uneingeschränkt "gut für die Verbraucherkommunikation" eingeschätzt.

Unklar ist jedoch in den meisten Fällen, warum die Schufa die Merkmale nicht für vermittelbar hielt. Lediglich bei den Merkmalen "Alter" ("gegebenenfalls problematisch wg. Antidiskriminierung") und "Postleitzahl der aktuellen Anschrift der Person" ("Regio-Debatte") finden sich Hinweise. Mehrere Merkmale galten offenbar nur dann als "kommunizierbar", wenn sie sich positiv auf die Schufa-Berechnungen auswirken, etwa das "Vorhandensein eines Girokontos". Eine Schufa-Sprecherin erklärte, man könne nicht nachvollziehen, um welche Unterlage es sich handele, und daher die Angaben weder prüfen noch kommentieren.

Ohnehin steht die Schufa auf dem Standpunkt, dass ihr Scoring die Teilhabe der Menschen am Wirtschaftsleben sogar erleichtert. "Je mehr man über die finanziellen Rahmenbedingungen eines Menschen weiß, desto besser findet man die Trennlinie, ob jemand den einen oder anderen Vertrag noch bekommen sollte oder nicht", sagt Schufa-Chefin Birkholz, die vor vier Jahren angetreten war, die Auskunftei transparenter zu machen. Experten fordern hingegen, die Schufa solle den Score offenlegen. "Das tiefer liegende Problem ist, dass die Schufa diese Merkmale und ihre Gewichtung auch vor Expertinnen und Experten geheim hält, die durchaus bewerten könnten, ob die Schufa einen guten Job macht", sagt Scoring-Experte Matthias Spielkamp, Mitgründer der Nichtregierungsorganisation Algorithm-Watch. Wie gerecht sei es, wenn gerade die Ärmsten einen Nachteil hätten, etwa bei grundlegenden Dingen wie der Energieversorgung?

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