Öl und Gas aus Russland:Putin eindämmen

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Wer sein Dach dämmt, um Energie zu sparen, kann in Unterhaching wieder mit einem Zuschuss der Gemeinde rechnen. (Foto: Thomas Trutschel/imago/photothek)

Deutschland wird endlich unabhängig von russischer Energie. Aber leider noch zu langsam. Bis zum nächsten Winter müssen so viele Häuser isoliert werden wie möglich. Hau ruck, auf geht's!

Kommentar von Bastian Brinkmann

Es ist gut, dass das europäische Öl-Embargo gegen Russland näher rückt. Es ist richtig, in LNG zu investieren, in Flüssigerdgas aus anderen Ländern, das aufwendig per Schiff geliefert wird. Die Bundesrepublik macht sich endlich unabhängig von Energie aus Russland, Schritt für Schritt. Das geht schneller, als Pessimisten es erwartet haben. Doch bei allen Fortschritten: Das ist immer noch zu langsam.

Es fehlt an Alarmstimmung in der Regierung, in der Bevölkerung und in den Firmen. Der Ernst der Lage ist den meisten noch nicht klar genug, daher geht der Energie-Umbau noch nicht schnellstmöglich voran. In 32 Wochen beginnt der nächste Winter in Deutschland. Das ist nicht mehr viel Zeit für die vielen Dinge, die noch zu erledigen sind.

In den Unternehmen passiert einiges. Aber manche Firmen setzen weiter darauf, dass noch lange Zeit billiges Gas aus Russland kommt. Umdenken? Muss ja nicht. Auch in der Bevölkerung gibt es guten Willen: Viele Menschen sind sensibilisiert, knipsen augenzwinkernd zu Hause das Flurlicht aus, wenn sie in die Küche kommen, um Wladimir Putin eins auszuwischen. Aber das reicht natürlich nicht. Das große Potenzial der Energieeffizienz zu heben, ist mühsam, anstrengend, kostet Nerven und Geld.

Ideen gibt es. Zum Beispiel müssen manche Firmen wegen der hohen Energiepreise Beschäftigte in Kurzarbeit schicken. Die warten nun auf Arbeit. Die ist eigentlich da: Es müssen massenhaft dichtere Fenster eingebaut oder Dachschrägen gedämmt werden. Häuser zu isolieren, das müsste ein großes Frühjahr-Sommer-Projekt werden. Der Staat könnte also für alle diejenigen das Kurzarbeitergeld spürbar erhöhen, die nun anpacken, um Häuser energieeffizienter zu machen. Das hilft den betroffenen Beschäftigten und der Energieeffizienz.

Das Motto "Pullis gegen Putin" ist bibbernd, passiv, fast ängstlich. Besser wäre ein zupackender Aufruf zum Handeln, damit mehr kostbare Wärme in den Häusern bleibt. Das bessere Motto lautet: Putin eindämmen.

Zu wenig zu tun, birgt ein großes Risiko

Selbst kleine Dinge wie digitale Heizungsregler helfen. Und die einzubauen, schaffen auch Menschen, die mit Heimwerken sonst hadern. Aber von einer Hauruck-Stimmung wie in den ersten Wochen der Pandemie, als etwa viele Menschen anfingen, ihre Corona-Masken selbst zu nähen, ist nichts zu spüren. Wir regeln das? Später vielleicht.

Doch zu wenig zu tun, ist riskant. Kreml-Chef Putin könnte jederzeit das Gas abdrehen. Es könnten weitere Kriegsverbrechen entdeckt werden, die so grausam sind, dass zum Öl-Embargo noch ein Gas-Embargo kommt. Dann bliebe eventuell nicht mal mehr bis zum Winter Zeit.

Ohne Gas aus Russland könnte die Bundesrepublik die größte Wirtschaftskrise seit ihrer Gründung erleiden, schätzt eine neue Berechnung. Andere sehen den möglichen ökonomischen Schaden kleiner, aber nur unter einer Bedingung - die Bundesrepublik müsste sofort anfangen, bis zum Winter massiv umzusteuern. Somit folgt aus beiden Berechnungen die gleiche, klare Handlungsempfehlung: Jeder Euro, jede Minute, die nun investiert werden, damit Deutschland unabhängiger von russischer Energie wird, ist bestmöglich angelegt.

Hinderlich sind Horrorargumente, die lähmende Angst verbreiten. In Berlin kursiert etwa eine absurde Zahl. Die 1000 deutschen Stadtwerke bräuchten jeweils eine Milliarde Euro Staatshilfe, wenn kein Gas mehr aus Russland käme. Das wären eine Billion Euro. Über diese absurd hohe Zahl wundern sich nicht nur Stadtwerke. Statt darüber zu sprechen, wäre es wichtiger zu entscheiden, welche Kosten des Energieeffizienz-Umbaus der Staat übernehmen soll. Denn der kostet Geld.

Die Mahnung zu mehr Tempo kann denen unfair erscheinen, die bereits jetzt für die Energie-Unabhängigkeit massig Überstunden schieben und vieles möglich machen, was im Januar noch undenkbar schien. Aber es hilft ja nichts: Da muss noch mehr kommen bis zum Winter.

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