Raumfahrt:Lautlos im Weltall

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Die deutsche Raumfahrt macht derzeit mit Microlaunchern wie von Isar Aerospace oder einem Startplatz in der Nordsee von sich reden. (Foto: Isar Aerospace/oh)

Die Regierung muss sich mit einem nachhaltigen Raumfahrtprogramm auf dem europäischen Weltraumgipfel Gehör verschaffen. Sonst könnte sie abgehängt werden.

Kommentar von Dieter Sürig

Frankreich legt schon einmal vor: Ende November haben Staatspräsident Emmanuel Macron und Italiens Ministerpräsident Mario Draghi die Grundlagen für eine engere Zusammenarbeit beider Länder festgezurrt, auch bei der Raumfahrt. Unter anderem wollen sie die Esa-Raketen Ariane und Vega weiter entwickeln und auch finanziell unterstützen. Bei einem Besuch in einer Ariane-Fabrik in Vernon kündigte Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire dann am Nikolaustag an, dass die Ariane-Group eine wiederverwendbare Kleinrakete bauen werde - als Antwort auf Elon Musks Falcon 9, wie er sagte. Dass diese Rakete namens Maïa von 2026 an aber wohl nur eine Tonne ins All wird befördern können, die Falcon 9 immerhin knapp 23 Tonnen, deutet jedoch darauf hin, dass die französischen Raketenbauer doch eher die drei deutschen Kleinraketen-Start-ups als Konkurrenz im Blick haben dürften.

Es sind Signale wie diese, die deutsche Raumfahrtakteure und die Politik hellhörig machen sollten. Für nationale Alleingänge ist in der Branche längst kein Platz mehr - zumal die europäische Raumfahrt auch im Interesse der Steuerzahler in der Agentur Esa gebündelt und koordiniert wird. Doch gibt es unter den Esa-Mitgliedern seit jeher Machtkämpfe, in denen es um Einfluss, Geld - und Aufträge für die heimische Industrie geht. Und darauf sollte Berlin gut vorbereitet sein.

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton ist seit seinem Amtsantritt vor gut zwei Jahren damit aufgefallen, dass er die europäische Raumfahrt stärken möchte, hat ein Satellitensystem für Breitbandinternet initiiert und die neue Generation des Navigationssystems Galileo beschleunigt. Vor einem Jahr vergab die Kommission den Bau neuer Galileo-Satelliten an Airbus und Thales Alenia Space, beide mit französischer Beteiligung. Dass der bisherige deutsche Hersteller OHB dabei leer ausging, führte auch zu Spekulationen, die Vergabe könnte politisch motiviert sein.

Der frühere französische Wirtschaftsminister Breton hatte zuvor eine Studie für die Internetsatelliten an ein Industriekonsortium mit neun Unternehmen vergeben, zu denen zwar OHB gehört, aber auch fünf Konzerne mit französischem Einfluss. Erst auf Protest deutscher Start-ups hin vergab er unlängst eine weitere Studie an 14 kleinere europäische Firmen und Forschungsinstitute.

Im Februar veranstalten Esa und EU-Kommission in Frankreich erstmals einen "European Space Summit" - unter französischer Ratspräsidentschaft, im Vorfeld der französischen Präsidentschaftswahlen. Macron wird dort wohl einen großen Aufschlag zum Zukunftsfeld Raumfahrt machen, so ist in der Branche zu hören - flankiert vom europäischen Binnenmarktkommissar. Dass sich die Gespräche bei dem Gipfel auch um Internetsatelliten, Nachfolgeraketen für die Ariane 6 und womöglich um eine eigenständige europäische astronautische Raumfahrt drehen werden, dürfte eine Steilvorlage für Macron sein.

Eine nachhaltige europäische Strategie gehört her

Dabei könnte ihm zugutekommen, dass die deutsche Ampelkoalition gerade erst startet und die neue Raumfahrtkoordinatorin des Grünen-Wirtschaftsministers Robert Habeck, Anna Christmann, erst am Mittwoch berufen worden ist. Die Koalition will die Raumfahrt erklärtermaßen stärken, auch im Dienste des Klimaschutzes eine nachhaltige Strategie erarbeiten und wohl das Budget erhöhen. Unter diesen Vorzeichen wird es allerdings auch nötig sein, Eckpunkte für die künftige deutsche Raumfahrtpolitik auszuformulieren, die über die drei Sätze im Koalitionsvertrag hinausgehen. Und auch der geplante Startplatz in der Nordsee oder der laufende Wettbewerb zur Förderung deutscher Kleinraketen werden da nicht reichen. Zumal die Esa Raumfahrt gerade als Schlüssel für eine grüne nachhaltige Zukunft auf der Erde ausgerufen hat.

Berlin sollte aus der angekündigten neuen Raumfahrtstrategie eine nachhaltige europäische Strategie formen: Dazu gehören mehr Erdbeobachtung für den Klimaschutz, ein europäisches Weltraumgesetz, eine gemeinsame Lösung gegen Weltraummüll oder wiederverwendbare Beförderungssysteme ins All. Dies ist umso wichtiger, weil die Länder beim Gipfeltreffen wohl auch Vorentscheidungen für die Esa-Ministerratstagung im November 2022 treffen werden. Auch wenn Deutschland derzeit der größte Beitragszahler der Esa ist, könnte aus der europäischen Raumfahrt schnell eine vor allem französische Veranstaltung werden, wenn Deutschland im Februar nicht die Initiative ergreift.

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